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Tennis-Talent João Fonseca bei Australian Open: „Ein Star ist geboren“ | ABC-Z

Das Gekreische gehört in Melbourne dazu. Wenn die Sonne über der australischen Stadt untergegangen ist, machen es sich die Möwen auf den Tennis-Stadien am Yarra River bequem und krakeelen, was das Zeug hält. Und manchmal, so wie am Dienstag, sind sie nicht allein. Da schien mit João Fonseca jedenfalls jemand mit ihnen um die Wette zu schreien, so oft brüllte der 18 Jahre alte Brasilianer nach gewonnenen Punkten seine Freude heraus in einem Duell mit dem an Nummer neun gesetzten Andrej Rubljow, an das man sich vermutlich noch länger erinnern wird.

Für eine verlässliche Prognose ist es noch zu früh. Doch so wie Fonseca aufspielte, ist es äußerst wahrscheinlich, dass sein erster Auftritt auf der großen Grand-Slam-Bühne erst der Anfang von etwas Größerem war.

Gerade mal 2:23 Stunden brauchte Fonseca, der zuvor die Qualifikation überstanden hatte, bei seinem ersten Spiel im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers, dann stand es groß auf der Anzeigetafel: 7:6 (7:1), 6:3, 7:6 (7:5). Doch das waren längst nicht die einzigen beeindruckenden Zahlen dieses Tages. Mit 181 Kilometern pro Stunde schlug er die schnellste Vorhand des Turniers. 52 Mal brachte er einen Gewinnschlag im Feld unter. Und am Ende erzielte Fonseca 19 Punkte mehr als sein Gegner – ein Klassenunterschied.

„Ein Star ist geboren“, schrieb der Turnierveranstalter auf X. Und auch die Zuschauer in der Margaret Court Arena staunten nicht schlecht. Beim Interview auf dem Platz im Anschluss an die Partie reichte schon die Feststellung von Andrea Petkovic, dass Fonseca erst 18 Jahre alt ist, um großen Applaus auszulösen. Als die Fragestellerin dann feststellte, dass der Brasilianer gerade den Weltranglistenneunten besiegt hatte, brach wieder Jubel aus, auf den wiederum Gelächter folgte, als Fonseca dann erstmals zu Wort kam und befand: „Ich meine, es war nicht schlecht heute.“

Ein Korb für Roger Federer

Das wirkte ziemlich untertrieben, ließ ihn aber ähnlich sympathisch wirken wie im Moment kurz darauf, als er über seine Begeisterung sprach, die dieses große Stadion ausgelöst hatte. „Ich habe jeden Moment genossen“, sagte Fonseca, der sich bei den vielen Brasilianern auf den Tribünen bedankte. Das riesige Land in Südamerika zählte zwar nie zu den führenden Tennisnationen, hat aber schon einige Topspieler hervorgebracht.

Seit dem Karriereende von Gustavo Kuerten, der dreimal die French Open gewann, warten die Brasilianer auf den nächsten Spitzenmann. Dass aus Fonseca ein Großer werden kann, weiß die Tennisszene schon lange. Im Dezember gewann er das Jahresendturnier der ATP-Junioren. Nur Carlos Alcaraz und Jannik Sinner gelang das auch im Alter von 18 Jahren. „Es ist unglaublich, wie ich mich sowohl körperlich als auch mental verbessert habe. Ich bin stolz auf mich, aber natürlich will ich mehr. Mein Traum ist es, die Nummer eins zu werden“, sagte Fonseca damals, der nun in der zweiten Runde auf den Italiener Lorenzo Sonego trifft.

Gratulation an ein großes Talent: Andrej Rubljow war gegen Fonseca ohne Chance.
Gratulation an ein großes Talent: Andrej Rubljow war gegen Fonseca ohne Chance.EPA

Schon zwei Jahre zuvor hatte er mit 16 Jahren einen Vertrag mit dem Ausstatter „On“ geschlossen, an dem auch Roger Federer als Miteigentümer beteiligt ist. Ein Erfolg für den Schweizer, der an anderer Stelle jedoch abblitzte: Die von ihm mitbegründete Management-Agentur Team8 soll Interesse daran gehabt haben, Fonseca zu verpflichten. Doch der lehnte ab. „Ich werde erstmal nichts unterschreiben“, sagte er: „Meine Agenten sind meine Eltern. Wir denken vorsichtig darüber nach.“

Fonsecas Vater ist Mitgründer und Geschäftsführer eines Unternehmens, das sich auf Immobilieninvestments spezialisiert hat. Die Mutter organisiert Sportveranstaltungen. An Geld, um die Karriere voranzutreiben, mangelte es also bereits vor den ersten Sponsorendeals nicht. Schon jetzt begleitet ein eigener Physiotherapeut Fonseca, der laut seiner Mutter als Kind auch beim Fußball, Volleyball, Schwimmen, Judo und Surfen eine gute Figur machte, sich letztlich aber fürs Tennis entschied.

Wer ihn noch nicht spielen gesehen hat, für den muss sich die Partie gegen Rubljow angefühlt haben wie eine Entdeckung. Fonsecas Spiel hat etwas Erhabenes. Von der Grundlinie variiert er immer wieder das Tempo. Mal spielt er mit viel Kraft, mal mit viel Spin. Für den Gegner ist er so äußerst schwer zu lesen. Rubljow hatte immer wieder Probleme damit. Auch beim Aufschlag beherrscht Fonseca für sein Alter schon viele Varianten. 14 Asse bei einem Doppelfehler sprechen für sich. In knapp 80 Prozent der Fälle macht er den Punkt, wenn der erste Service im Feld landet.

Nervenstark wie ein Topspieler

Doch was am meisten imponierte, war sein Mut. „Er ist ein Spieler, der sein bestes Tennis spielt, wenn er unter Druck ist, und er hat die Fähigkeit, sich schnell an verschiedene Situationen anzupassen“, sagte sein Trainer Guilherme Teixeira, der ihn im Alter von elf Jahren entdeckte, jüngst dem Magazin „The Athletic“. Vor allem Ersteres war gegen Rubljow gut zu beobachten. Als es im ersten Satz in den Tie-Break ging, schlug Fonseca seine Vorhand im Schnitt elf Kilometer pro Stunde schneller als in den zwölf Spielen zuvor. Boris Becker hatte jüngst erst in seinem neuen Podcast mit Petkovic darüber gesprochen, was Topspieler wie Sinner auszeichnet: In den wichtigen Situationen können sie noch mal zulegen. Sie warten nicht auf Fehler des Gegners, sondern wollen diese Ballwechsel selbst diktieren – so wie Fonseca es gegen Rubljow tat.

Auch im Tie-Break des dritten Satzes war sein Mut entscheidend. Fonseca führte schon 4:0. Doch Rubljow kam wieder heran. Beim Stand von 5:5 schmetterte der Brasilianer seinem Gegner dann eine Rückhand die Linie entlang und hielt sich im Anschluss den Finger ans Ohr, um das Publikum aufzufordern, doch bitte noch etwas lauter zu sein. Spätestens da war jedem klar: Da steht wirklich einer auf dem Tennisplatz, der überhaupt keine Angst zu haben scheint, keinen Respekt vor kniffligen Situationen oder dem Gegner – im positiven Sinne. Wenige Sekunden später war das Match vorbei. Fonseca hatte es mit einem krachenden Vorhand-Winner beendet. Das Publikum jubelte. Und natürlich brüllte auch der Brasilianer noch mal seine Freude heraus. Das Gekreische der Möwen war da schon längst nicht mehr zu hören.

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