Tempo 30 in Bayern: Kommunen wollen selbst über Geschwindigkeitsbegrenzung entscheiden – Bayern | ABC-Z

Gerade nach den Sommerferien fällt es Autofahrern, die beispielsweise in Österreich oder Italien unterwegs waren, besonders auf: Tempo 30 ist dort in vielen Fällen innerorts auch auf Durchgangsstraßen die Regel – in Deutschland bleibt es weiterhin die Ausnahme und oftmals auf Wohngebiete beschränkt. Obwohl die Ampel-Bundesregierung vor einem Jahr die Straßenverkehrsordnung (StVO) angepasst hat, hat sich wenig verändert. In vielen Köpfen sei „das Recht auf Rasen weiterhin fest verankert“, urteilt der Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Dabei würden viele Städte und Gemeinden auch in Bayern gerne mehr Straßenabschnitte mit Tempo 30 ausweisen. Sie haben sich in der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ zusammengeschlossen. Inzwischen gehören ihr mehr als 1100 Kommunen bundesweit an, parteipolitisch sind die Kräfteverhältnisse dort bunt gemischt – von Grün, Gelb, Rot bis Schwarz und parteilos. Die Initiative fordert etwa weitgehende Handlungsfreiheit für die Kommunen bei der Festlegung von innerörtlichen Tempolimits, auch auf Kreis-, Staats- und Bundesstraßen.
Ein Initiativen-Mitglied ist das oberfränkische Ebermannstadt (Kreis Forchheim). Bürgermeisterin Christiane Meyer von der „Neuen Liste Ebermannstadt“ kritisiert, dass sich durch die überarbeitete StVO kaum neue Möglichkeiten für Tempo 30 in den Kommunen bieten. Man habe „nahezu flächendeckend Tempo 30“ auf gemeindeeigenen Straßen angeordnet – das Problem seien aber die Kreis- und Staatsstraßen. Denn wer dort Tempo 30 einführen will, braucht gute Gründe und eine Genehmigung der unteren Verkehrsbehörde, in Bayern sind das meist die Landratsämter.
Die Rechtslage bei Tempo 30 ist in Deutschland vergleichsweise restriktiv. Oberstes Gebot der StVO beim Thema Tempo ist: Der sogenannte Verkehrsfluss darf nicht behindert werden. In Paragraf 3 heißt es dazu: „Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.“ Das heißt, es ist fast Pflicht, möglichst die jeweilige Höchstgeschwindigkeit auszureizen. Und damit kollidiert vielerorts der Wunsch nach Tempo 30 mit der Frage des Verkehrsflusses auf den sogenannten übergeordneten Straßen innerhalb der Ortschaften.
Im oberbayerischen Neufahrn sieht man es ähnlich wie in Ebermannstadt. „Eine umfassende Reform“ der StVO sei nicht erfolgt, teilte die Kommune unweit von Freising mit. Damals hatten die unionsregierten Bundesländer eine weitergehende Reform blockiert – im gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat wurden die Reformpläne für mehr Tempo 30 fast komplett gekippt. Aus Neufahrn heißt es, man fordere für die Kommunen die Möglichkeit zur „rechtssicheren und eigenständigen Anordnung von Tempo 30“. Also ohne die Landratsämter.
Das will auch der VCD – er fordert bereits seit Jahren, dass Tempo 30 innerorts zur Standardgeschwindigkeit wird. Zwar soll es dann auch Ausnahmen für Tempo 50 geben, aber eben nur in begründeten Fällen. Der VCD beurteilt die Gesetzesnovelle unterdessen nicht ganz so skeptisch wie viele Kommunen selbst. Städte und Gemeinden hätten seither mehr Handlungsspielraum, sagte der VCD-Verkehrspolitik-Experte Michael Müller-Görnert dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Kommunen sollten mutiger sein mit den Möglichkeiten, die das Gesetz bietet.“
Laut Müller-Görnert ist es „unstrittig, dass Tempo 30 zum einen die Sicherheit im Straßenverkehr deutlich erhöht“ und zum anderen die Umweltbelastung senkt. Doch die Möglichkeiten, die die StVO-Novelle bietet, würden entweder nicht genutzt oder von den Genehmigungsbehörden kurzerhand ausgebremst – einfach, weil sie so tun und argumentieren, als hätte sich faktisch nichts verändert. Er ermutigte die Kommunen, Verkehrskonzepte zu erarbeiten, zu denen auch Tempolimits auf Durchgangsstraßen gehörten. Und im Zweifel eben auch mal den Klageweg einzuschlagen.
Letzten Endes wird die Frage eines Tempolimits auf Durchgangsstraßen vielerorts also durch Gerichte final geklärt werden können. Denn auch das in Bayern für das Thema zuständige Innenministerium betont, dass es durch die von der Ampel noch beschlossene StVO-Novelle keine nennenswerten Änderungen beim Tempo 30 gegeben habe. Es sei „lediglich der Katalog“ der Voraussetzungen erweitert worden. So könne nun etwa nicht mehr nur direkt vor Kitas und Schulen Tempo 30 an Durchgangsstraßen angeordnet werden, sondern auch an „hochfrequentierten Schulwegen“.
In Würzburg sind sie der Initiative schon unter dem früheren CDU-Oberbürgermeister Christian Schuchardt beigetreten. Als kreisfreie Stadt genehmigt man sich dort Tempo 30 faktisch selbst. Dennoch beurteilt man die StVO-Novelle auch zurückhaltend. Viel geändert habe sich dadurch nicht. Es gebe in Einzelfällen womöglich neue Ansätze, um für weitere Strecken „eine Rechtsgrundlage für Tempo 30“ zu finden, heißt es aus dem Rathaus weiter. Dort würde man allerdings „eine Umkehr der Regelgeschwindigkeit und der Ausnahmen“ befürworten. Also generell 30 statt 50 innerorts.
Im mittelfränkischen Ansbach ist man der Initiative zwar auch beigetreten. Tempo 30 sei allerdings aus Sicht der Stadt „nur ein Baustein von vielen“, um die Verkehrssicherheit und Lebensqualität zu verbessern. Andere Möglichkeiten wie Fahrradstraßen oder auch verkehrsberuhigte Bereiche seien oft zielführender. Allein Tempo-30-Abschnitte oder auch ganze Zonen einzurichten, sei „kein Game-Changer“, sagte eine Stadtsprecherin auf epd-Anfrage. Aktuell prüfe man, ob bereits bestehende Tempo-30-Zonen durch die neue Gesetzeslage ausgeweitet werden können.