Warum das gedruckte Buch für die Umwelt schädlicher ist als das E-Book – Wirtschaft | ABC-Z

Welches Medium weist eigentlich die bessere Ökobilanz auf? Das klassische gedruckte Buch oder die elektronische Version, das E-Book? Also Papier, das seit Jahrhunderten mit seinen immer perfekteren Herstellungsmethoden zur menschlichen Kultur gehört. Oder doch das neumodische elektronische Buch auf einem Lesegerät, bestehend aus Plastik, Metall und seltenen Erden? Man könnte denken, dass die Antwort offensichtlich ist – doch die Untersuchungsergebnisse der Stiftung Warentest könnten viele Leserinnen und Leser überraschen.
Dazu ist zunächst anzumerken, dass das elektronische Buch in Deutschland alles andere als eine Erfolgsgeschichte ist. Der Anteil an den Umsätzen des Buchmarktes ist dem Branchenverband Börsenverein zufolge in den vergangenen zehn Jahren nur leicht von etwa vier auf sechs Prozent gestiegen. Und die Zahl der E-Book-Käufer von vier auf drei Millionen per Jahr gesunken. Etwas optimistischer ist da der Digitalverband Bitkom: 16 Prozent der Deutschen würden nur E-Books lesen, weil sie schneller verfügbar seien, weniger Platz wegnehmen und weniger wiegen würden – gerade auf Reisen nicht unwichtig.
Immerhin 25 Prozent schätzen auch den Nachhaltigkeitsaspekt, da E-Books ja Papier einsparen. Gut möglich, dass der ökologische Aspekt künftig eine größere Rolle bei denjenigen spielt, die bislang das haptische Erlebnis des gedruckten Buches bevorzugt haben. Und die womöglich die ressourcenreiche Produktion von Lesegeräten in China als unbedingten Beweis dafür angeführt haben, dass sie mit dem Griff zum gedruckten Buch sowieso auf der sicheren Seite sind, wenn es um den ökologischen Fußabdruck geht. Doch eine Untersuchung der Stiftung Warentest zur Ökobilanz von Büchern kommt zu einem anderen Ergebnis. „Papierbücher wirken sich deutlich negativer auf die Umwelt aus als das Lesen von E-Books auf dem Reader“, lautet die Bilanz der Verbraucherorganisation.
Wie kommt die Stiftung Warentest nun zu diesem vernichtenden Urteil für das gedruckte Buch? Die Organisation hat sogenannte Umweltschadenspunkte entwickelt, die zeigen sollen, wie Produktion, Transport, Nutzung und Entsorgung von klassischen Büchern und E-Book-Lesegeräten die Umwelt belasten. Je mehr Punkte sich ansammeln, desto schlechter ist die Ökobilanz. Nicht unwichtig ist dabei die Entsorgung: Wenn Bestandteile von Buch oder Lesegerät wiederverwertet werden können, reduziert sich die Punktzahl.
Die Tester haben beispielhaft zwei Lesegeräte von Amazon und Tolino ausgewählt und der Untersuchung zu Grunde gelegt, dass ein Leser sein Gerät fünf Jahre lang nutzt und es dann als Elektronikschrott ordnungsgemäß entsorgt. Ein gedrucktes Buch wird hingegen zweimal gelesen und landet dann im Altpapier. Dabei wird zwischen Taschenbüchern und gebundenen Büchern sowie verschiedenen Seitenumfängen unterschieden. Als Lesestoff mussten der Roman „Kairos“ von Jenny Erpenbeck und der Krimi „Holly“ von Stephen King herhalten: Beide Belletristik-Titel waren zum Zeitpunkt des Tests als gebundenes Buch, Taschenbuch und E-Book erhältlich.
Letztlich bleibt die Leihbücherei
Das Überraschende: Das Lesegerät für elektronische Bücher kam auf 1,07 Umweltschadenspunkte – sowohl bei Weniglesern mit drei Büchern im Jahr als auch bei Viellesern mit zwölf Büchern. Das Taschenbuch hingegen erhielt je nach Wenig- oder Vielleser 2,30 bis 8,74 Schadenspunkte, das gebundene Buch 3,80 bis 14,77 Punkte. Dabei wirkt sich jeweils die Produktion am stärksten auf die negative Ökobilanz aus. Einerseits benötigt die Papierherstellung viel Energie, Holz, Wasser und umweltschädigende Chemikalien – all das fällt für jedes Buch einmal an. Der große Unterschied: Für ein E-Book-Lesegerät sind zwar Kunststoffe, seltene Erden und Metalle wie Kupfer, Silber, Gold oder Palladium nötig. Hinzu kommen Lithium-Akkus. Letztlich ist aber nur ein Lesegerät nötig. Der Stromverbrauch schlage kaum zu Buche, und beim klassischen Buch sei man davon ausgegangen, dass bei Tageslicht gelesen wird. Die CO₂-Belastung beim E-Book für Download und notwendige Rechenzentren wird nicht erwähnt.
„Papierbücher haben die schlechteste Ökobilanz – sogar bei Wenig-Lesern“, so lautet das Fazit. Dazu zählen auch Treibhausgase, die bei der Produktion anfallen. Für 60 gebundene Bücher, in denen ein Vielleser in fünf Jahren schmökere, würden bei der Herstellung etwa 64 Kilogramm Treibhausgase CO₂ freigesetzt. Auf einem Lesegerät sind es rund sechs Kilogramm. Papierherstellung und Druck würden der Umwelt mehr schaden als die Produktion von Lesegeräten in Asien, verbunden mit einem langen Transportweg.
Schon ab zwei bis drei Büchern pro Jahr lohne sich der Umstieg aufs E-Book, um den ökologischen Fußabdruck zu verbessern, heißt es bei Stiftung Warentest. Und wenn ein Tablet für andere Zwecke ohnehin bereits vorhanden sei, brauche man gar kein extra Lesegerät kaufen. Wer beim gedruckten Buch bleiben will, dem empfehlen die Warentester Taschenbücher und Lesestoff auf Recyclingpapier. Außerdem sollten sie möglichst oft weitergereicht werden. Idealfall also: die Leihbüchereien. Die geben mittlerweile übrigens nicht nur traditionell Bücher aus, sondern oft auch E-Books und Lesegeräte.