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Tech-Investor Jan Beckers: TSMC vor Nvidia | ABC-Z

Im Wettstreit zwischen Hase und Igel wäre Jan Beckers wohl der Igel, der kluge Stratege, der sich nicht so abhetzen muss wie der Hase und dennoch zuerst am Ziel ist. So hat Beckers es geschafft, im harten Wettkampf um Anlegervertrauen mit BIT Capital in wenigen Jahren eine Fondsgesellschaft aufzubauen, die in Tech-Investments Maßstäbe setzt. BIT steht für Berlin Investment Technology. Ausgerechnet aus Deutschland heraus also hat er mit Tech-Aktienfonds Erfolge gefeiert. Sein Flaggschiff-Fonds liegt mehr als 700 Prozent im Plus seit dem Jahr 2019, trotz Corona und Zinswende. Im Jahresschnitt ergibt sich eine Rendite von mehr als 35 Prozent.

Wenn nun Peter Thiel öffentlichkeitswirksam verkündet, seine Nvidia -Aktien verkauft zu haben, kann Beckers gelassen kontern, längst einen Gutteil seiner Nvidia-Position in andere Positionen verlagert zu haben. „Es gibt derzeit attraktiver bewertete Positionen im Markt als Nvidia“, sagt Beckers im Gespräch mit der F.A.Z. „Nvidia bekommt zunehmend Wettbewerb, und Anleger sollten mit sinkenden Gewinnmargen rechnen.“ Ganz verkauft hat Beckers die Position aber nicht.

„KI befeuert den Aktienmarkt noch viele Jahre“

In der Diskussion, ob der KI-Boom eine Blase sei, sagt Beckers: „Es muss sich jeder nur umschauen, in welchem Maße sein Leben, seine Arbeit, derzeit von KI berührt wird“, erklärt er. „Wir werden alle so viele KI-Anwendungen nutzen, dass der Boom noch viele Jahre den Aktienmarkt befeuern wird, gelegentliche Korrekturen wird es natürlich trotzdem geben.“ Beckers legt Wert darauf festzuhalten, dass alle seine Äußerungen zu Einzeltiteln, über die er ungewöhnlich offen spricht, nur seine aktuellen Gedanken sind. „Wir sind sehr aktive Fondsmanager. Wir schlagen unser Portfolio überdurchschnittlich häufig um und nehmen auch gerne Gewinne mit.“

Jan BeckersBit Capital

Die Nvidia-Position hat er vor allem durch TSMC ersetzt, den weltgrößten Chipproduzenten aus Taiwan. „TSMC hat derzeit eine interessantere Position in der Wertschöpfungskette als Nvidia. Alle großen Chipentwickler, inklusive Nvidia, lassen bei TSMC produzieren. Da Nvidia nun neben AMD auch ernsthaften Wettbewerb durch hauseigene Chips von Google und Amazon bekommt, profitiert TSMC nicht nur durch größere Stückzahlen, sondern auch von einer stärkeren Verhandlungsmacht durch ein breiteres Kundenspektrum.“ Auch Speicherhersteller wie SK Hynix und Micron hält er derzeit für attraktiver bewertet als Nvidia.

Iris Energy versiebenfacht

Nvidia als globale Nummer eins hat an den Börsen kürzlich die Fünf-Billionen-Dollar-Marke erreicht, also den Wert aller Waren und Dienstleistungen, die eine Volkswirtschaft wie Deutschland, global immer noch Rang drei, in einem Jahr produziert. Die Zahl allein stört Beckers nicht. „Hatten wir dieselbe Diskussion um eine Bewertungsdecke nicht kürzlich erst bei einer Billion Dollar?“ Das war vor sieben Jahren auch der Fall bei Apple; heute ist der Billionen-Klub deutlich größer.

Diese Megawerte an den Börsen sind immer wieder auch Teil der Fonds von BIT Capital – Alphabet nach einigen Jahren Pause nun wieder, auch Amazon wegen seines Cloud-Geschäfts in aufgestockter Position und ebenso Alibaba wegen des Cloud-Geschäfts, während Beckers deren Konsumentengeschäft unter hohem Wettbewerbsdruck sieht. Die Würze gibt den Fonds allerdings der Schwerpunkt in den Börsenreihen zwei, drei und vier. Beckers reist viel durch die Welt, trifft sich mit den Unternehmenschefs und bekommt tiefe Einblicke. Da seine Fonds auch dank hoher Zuflüsse deutscher Privatanleger (mehr als eine Milliarde Euro), aber auch großer Investments institutioneller Anleger (ebenfalls mehr als eine Milliarde Euro) stark gewachsen sind, hat Beckers noch besseren Zugang.

Als wir vor fünf Monaten mit ihm sprachen, erwähnte er einen Titel wie Iris Energy aus Sydney. Der Kurs hat sich zwischenzeitlich versiebenfacht. „Wir haben viele Gewinne mitgenommen“, sagt Beckers, hält aber weiter große Positionen. „Die sind einer der größten Bitcoin-Schürfer der Welt. Viel entscheidender ist aber, dass sie große Rechencenter-Kapazitäten aufgebaut und sich früher als alle anderen sehr langfristig ungeheure Strommengen günstig gesichert haben. Damit haben sie das, was eigentlich ausverkauft ist – günstigen Strom und Rechenkapazitäten. Zutaten, die Cloud-Hyperscaler dringend für ihre KI-Datencenter brauchen.“ Mit Hut 8 hat er eine ähnliche Position in den Fonds, die noch nicht so hoch bewertet ist. Mit Datadog hat er zuletzt eine Position aufgestockt, die in der Überwachung von Software und Cloud-Anwendungen tätig ist.

Auto 1 ohne relevanten Wettbewerb

Zu den größten Positionen im Flaggschiff-Fonds BIT Capital Global Technology Leaders gehört mit Auto 1 aber weiterhin auch ein deutscher M-Dax-Wert – mit Blick auf zwölf Monate neben den Rüstungsaktien und Hochtief eine der stärksten deutschen Aktien. „Es ist sehr schön, dass es weiterhin auch deutsche Tech-Unternehmen gibt, die einen exzellenten Job machen. Wir sind weiter sehr zuversichtlich für Auto 1 und sehen keinen relevanten Wettbewerb.“ Das Berliner Unternehmen hat sich der Digitalisierung des Gebrauchtwagenmarktes verschrieben mit Plattformen wie wirkaufendeinauto.de.

Wer sich die Fonds von BIT Capital anschaut, findet im Jahr 2022 erhebliche Rückschläge. Zwei Drittel des Wertes gingen da verloren. Der Krypto-Fonds steht auf Monatssicht gerade mit 30 Prozent im Minus. „Wer in Aktien investiert und wie wir in besonders chancenreiche Titel, der wird auch immer wieder Rücksetzer erleben“, sagt Beckers. „Das kann ein Deep-Seek-Moment sein, das können Makro-Ereignisse sein. Das sind Dinge, die sie auch als Fondsmanager nur bedingt timen können. Wer aber vier bis sieben Jahre Zeit mitbringt, da können wir relativ sicher sagen, der wird für die Risiken mit hohen Renditen entlohnt.“

So sieht Beckers auch im Krypto-Bereich weiter große Chancen. „Der Sell-off bei Bitcoin und anderen Kryptos basiert auf Gewinnmitnahmen und auch auf manchen Zweifeln, weil zuletzt nicht alle Krypto-Börsen zuverlässig funktioniert haben. Die langfristigen Treiber wie Stablecoins, Tokenisierung, hohe Kapitalzuflüsse institutioneller Investoren, auch die Regulierung in den USA und die weltweit hohen staatlichen Schulden bleiben aber ein langfristig kaum aufzuhaltender Rückenwind, mit dem es auch schnell wieder aufwärts gehen kann.“

Für Anleger, denen die Rückschläge in den Fonds zu heftig sind, hat Beckers vor einem Jahr den BIT Defensiv Growth aufgelegt, der in ähnliche Aktien investiert, aber mit einem Absicherungsmechanismus arbeitet, der in kritischen Situationen Verluste abfedert. Die Gewinne im Jahresverlauf sind dadurch geringer, die Verluste in den jüngsten Wochen aber auch. „Damit erreichen wir eine noch breitere Zielgruppe“, ist Beckers mit den Zuflüssen zufrieden. Mit einem Multi-Asset-Fonds managen die insgesamt 45 Mitarbeiter aus Berlin heraus eine noch defensivere Variante, auch mit Gold und Anleihen, zum Beispiel von Apple.

Dass frühere Lieblinge von Beckers auch tief fallen können wie zuletzt Hello Fresh und Duolingo, das stört ihn nicht weiter. Im Gegenteil: Ganz der Igel kann er sagen, „vor Längerem“ satte Gewinne mitgenommen zu haben. „Wir hatten deren Nutzerdaten beobachtet und vor den Kursverlusten den Großteil unserer Position verkauft. Nun stehen wir an der Seitenlinie und beobachten“, sagt Beckers. „Bei mindestens einem dieser Unternehmen werden wir in den nächsten 12 Monaten wieder sehr attraktive Einstiegsmöglichkeiten finden.“

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