Tausende gehen für queere Rechte auf die Straße | ABC-Z

Sich nicht kleinmachen lassen. Zusammen für die Rechte queerer Menschen demonstrieren und auf die Straße gehen: Dafür ist die 19 Jahre alte Frieda am Samstag zum dritten Mal auf den Frankfurter Christopher Street Day und zur zentralen Kundgebung auf dem Römerberg gekommen. Der CSD sei bunt und laut. Für Frieda steht aber fest: Im CSD stecke mehr Demonstration als Party.
Auch Hessens Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) betont auf der Bühne vor dem Römer, dass der CSD eben keine bloße „Spaßveranstaltung“ sei. Überall gebe es Feinde einer offenen und aufgeklärten Gesellschaft – ob nun in einem Land per Dekret festgelegt werde, dass es nur noch zwei Geschlechter gebe oder in der ungarischen Hauptstadt Budapest, wo „mutige Menschen trotz Strafandrohungen auf die Straße gegangen sind.“
Vor 33 Jahren als kleines Fest begonnen
Zunehmende Queerfeindlichkeit und Hass zeigten sich auch hier. Es sei ein „Unding“, wenn es Gegendemonstrationen von Rechtsextremisten gebe, wie beim CSD in Mittelhessen. Es gelte, weiter dafür zu kämpfen, dass „wir alle in Vielfalt leben können“, so Hofmann. Queeres Leben dürfe nicht unterdrückt und auch die Regenbogen-Fahne müsse weiter auf öffentlichen Gebäuden gehisst werden.
Zu Beginn der Kundgebung angebracht, weht die Regenbogenflagge am Samstag wieder auf dem Balkon des Rathauses. Neben Hofmann spricht unter anderem auch Stadtrat Christian Setzepfandt (Grüne). Aus einer kleinen Veranstaltung, dem ersten Frankfurter CSD vor 33 Jahren in der Klingerstraße, sei dieses „große Fest des Stolzes und der Liebe geworden“, sagt er. Er erinnert auch an politische Forderungen: Etwa, dass Artikel 3 im Grundgesetz um das Merkmal der sexuellen und geschlechtlichen Identität ergänzt werden solle.

Demonstriert wird in diesem Jahr unter dem Motto „Nie wieder still – Frankfurt ist #laut“. Der Demonstrationszug durch die Stadt hält, was das Motto verspricht. In den Straßen, die für den CSD gesperrt sind, tönt die Musik laut von den Trucks und Wägen. Seifenblasen, Konfetti und Glitzer fliegen durch die Luft. Die Menschen tragen Pride-Flaggen um die Schultern, Regenbogen auf der Kleidung und im Gesicht. Beliebt bei über 30 Grad sind auch Regenbogen-Fächer.
Kritik an Bundeskanzler Friedrich Merz
Auf den Plakaten wird immer einmal wieder auf eine Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) angespielt, der sich in einer Talkshow zum Hissen der Regenbogenfahne beim Berliner CSD geäußert und hinter Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) gestellt hatte. „Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt“, hatte Merz gesagt. Beim Frankfurter CSD werden dazu Plakate mit Sätzen wie „Zirkus-Artist*innen haben wenigstens Haltung“ und einem Meme „Ich bin ein altes Zirkuspferd“ hochgehalten.

Nahe der Kleinmarkthalle schaut sich die 60 Jahre alte Veronika den Zug aus dem Schatten heraus an. Ihren vollen Namen will sie nicht sagen. Sie sei schon in der Klingerstraße dabei gewesen, ein „kuscheliges Fest“ im Vergleich zu heute. Sie stört, dass manche Menschen die Veranstaltung als eine Art „Karneval“ sähen. Freunde von ihr kämen nicht mehr, weil ihnen der CSD zu unpolitisch geworden sei, die Unternehmen bekämen viel Platz. Doch die Reden an diesem Samstag habe sie gut und fundiert gefunden. Sie wolle weiter zum CSD kommen. Es sei wichtig, rauszugehen und sich zu zeigen.

Der Demonstrationszug sei friedlich und ohne Zwischenfälle verlaufen, sagt eine Sprecherin der Polizei am Samstagabend. Eine Teilnehmerzahl kann sie nicht nennen, die Veranstalter rechneten vor dem CSD mit rund 13.000 Teilnehmern zur Demonstration am Samstag. Aber auch Gegner der Veranstaltung waren in der Stadt. An einem Stand an der Alten Brücke wurde von Jesus, der Sünde und der Hölle gesprochen, während vor den Kirchen ein paar Meter weiter die Regenbogenflaggen wehten.
Teilnehmer wünschen sich mehr Solidarität
Parallel zum Zug hat am Samstagmittag auch bereits das Straßenfest des CSD geöffnet, das am Sonntagabend endet. Zwischen Alter Brücke und Untermainbrücke gebe es mehr Platz und mehr Schatten als am alten Standort an der Konstablerwache, sagt der Sprecher des Vereins CSD Frankfurt. Auf drei Bühnen spielen am Wochenende Musikgruppen und es gibt politische Diskussionen, dazu zahlreiche Essensstände und eine Infostraße, die laut Programm durch den Umzug eine neue Dimension erhalte. Auf diesem „Basar der Vielfalt“ stellen sich etwa Vereine und Initiativen vor.
Wie schon in den vergangenen zwei Jahren, gibt es auf dem Straßenfest wieder einen beruhigten und etwas abgeschirmten Ort für Jugendliche, denen die Hitze und die Menschenmenge zu viel werden kann, erklären die beiden Organisatoren des Angebots. Erstmals gibt es auch Platz für einen Familienbereich – hier finden Familien ein Riesenrad, ein Spielmobil und Bänke im Schatten. Nahe des Eisernen Stegs, an einem Ende des langen Straßenfestes, sitzen Familien, die gar nicht vom CSD wussten. Nun aber wolle er doch einmal den Demonstrationszug anschauen, sagt ein Vater.
Auf den CSD müsse nicht jeder kommen, sagt die 19 Jahre alte Frieda. Aber sie wünsche sich, dass jeder sich solidarisch zeige und einschreite, wenn er miterlebe, dass queere Menschen angegriffen würden. So eben, wie man für jeden Menschen einstünde.