Wirtschaft

Wein, Weib, Gesang – von wegen – Wirtschaft | ABC-Z

Catharina Grans, Jahrgang 1988, steht auf dem Parkplatz der Zummethöhe und schaut ins Tal. Wo andere vielleicht nur den Fluss, die Orte Leiwen und Trittenheim sehen, Weinberge sowieso, sieht sie Rebsorten, Hangausrichtungen und Weinlagen. Es sind einige der besten Lagen Deutschlands: Trittenheimer Altärchen, Trittenheimer Apotheke, Laurentiuslay und Leiwener Klostergarten. Steillagen, flache Lagen, Schieferböden, Terrassen, Catharina Grans kann alles erklären. Sie ist Winzerin, seit 2017 führt sie in der 13. Generation das Weingut Grans-Fassian in Leiwen, mehr als vier Jahrhunderte ist es alt. Sie ist seit langer Zeit die erste Frau an der Spitze.

Winzerin Catharina Grans führt seit 2017 das Weingut Grans-Fassian in Leiwen. (Foto: Elisabeth Dostert)

Über Jahrhunderte war Weinbau Männersache. Die Rollenverteilung auf den Höfen war so klar wie klassisch: Die Frauen kümmerten sich um die Kinder, halfen bei Laubarbeiten im Sommer und bei der Ernte im Herbst. In der breiten öffentlichen Wahrnehmung waren sie oft nur dekoratives Beiwerk: Weinköniginnen, adrett frisiert, im Dirndl und mit Krönchen. Sie eröffneten Weinfeste, links der Bürgermeister, rechts der Landtagsabgeordnete. Frauen waren ein fester Bestandteil der hedonistischen Drillingsformel Wein, Weib und Gesang. Ein Walzer von Johann Strauss trägt diesen Titel.

Ein Diadem gehört zur Grundausstattung. Dieses trägt die Weinkönigin des Anbaugebietes Saale-Unstrut. Ein Juwelier aus Halle hat es gefertigt.
Ein Diadem gehört zur Grundausstattung. Dieses trägt die Weinkönigin des Anbaugebietes Saale-Unstrut. Ein Juwelier aus Halle hat es gefertigt. (Foto: Steffen Schellhorn/Imago)

„Bis in die 50er-Jahre sahen die Statuten vor, dass Weinköniginnen nicht verheiratet sein dürfen, ein Dirndl besitzen müssen und Walzer tanzen können“, sagt Monika Christmann, sie sitzt in der Jury für die „Wahl der deutschen Weinmajestät“. So heißt der Wettbewerb noch nicht lange: Bei der Wahl Ende September treten zum ersten Mal zwei Männer an. Christmann ist froh, dass heute sehr viel Wissen der Weinbereitung, der Vermarktung und Sensorik abgefragt wird.

Sie leitet seit 1994 das Institut für Oenologie der angesehenen Hochschule Geisenheim University im Rheingau. Önologie ist die Lehre vom Wein und Weinbau. Als Christmann in den 80er-Jahren in Geisenheim Getränketechnologie studierte, „waren wir zwei Mädels, im Weinbau waren es ein paar mehr“, erzählt die Professorin am Telefon: „Als ich den Job in Geisenheim bekommen habe, war das eine Revolution. Ich war die erste Frau, die ein technisches Institut leitete.“ Dumme Bemerkungen gab es auch. Der eine oder der andere hielt sie für die Vorzimmerdame, wenn sie im Sekretariat stand.

Wie in anderen Teilen der Gesellschaft habe sich das Rollenbild von Frauen in der Weinwirtschaft verändert, sagt Christmann. In den technischen Bereichen wie etwa Verfahrenstechnik gebe es deutlich mehr Frauen. „Männer sind zwar immer noch in der Mehrheit, aber Frauen sind selbstbewusster geworden, sind technikaffiner. Sie trauen sich das zu.“ Besser sehe es in betriebswirtschaftlichen Studiengängen wie Internationale Weinwirtschaft aus. „In vielen Betrieben treten heute die Töchter die Nachfolge an“, so Christmann.

„Wir sind Winzerinnen!“

„Wir wollen nicht mehr die Frau des Winzers sein oder die Schwester, die Tochter“, sagt Pauline Baumberger-Brand vom Weingut Baumberger aus Mandel, gut eine halbe Autostunde von Mainz entfernt: „Wir sind Winzerinnen.“

Wie viele der rund 14 000 Weinbaubetriebe in Deutschland von Frauen geführt werden, weiß niemand. Der VDP, der Verband der Prädikatsweingüter, ist der Frage nachgegangen. Seine Mitglieder zählen zu den besten Gütern Deutschlands. Bei 200 dort organisierten Betrieben gibt es 50 weibliche „Hauptpersonen“, wie sie das hier nennen. Nicht immer führen diese Frauen die Betriebe alleinverantwortlich, häufig gibt es Doppelspitzen in allen denkbaren Familienkonstellationen.

„Das Geschlecht spielt keine Rolle mehr.“

Früher, sagt VDP-Geschäftsführerin Theresa Olkus, übernahm wie überall in der Landwirtschaft auch im Weinbau wie selbstverständlich der älteste Sohn den Betrieb. Mittlerweile habe sich das geändert. „Das Geschlecht spielt keine Rolle mehr“, sagt Olkus. Es sei nicht gerade leicht, einen Weinbaubetrieb zu übernehmen. Der Klimawandel macht den Winzern zu schaffen, ein einziger Frost im späten Frühjahr, ein Hagel im Sommer könne die Ernte einer ganzen Weinlage zerstören, sagt Olkus. Und die Marktlage sei auch nicht einfach: Die Menschen trinken weniger Wein und die billigere Konkurrenz aus dem Ausland mit zum Teil deutlich niedrigeren Produktionskosten wächst.

Pauline Baumberger-Brand, Jahrgang 1993, empfängt erst im Garten, später geht es in die Probierstube, früher war das das Kelterhaus. Sie erzählt von sich und ihrer Familie. Schon in ihrer Kindheit sei klar gewesen, dass ihr Bruder Carl, Jahrgang 1997, den Betrieb übernehmen werde. Vater Marcus habe schon 2005 beim Hoffest zum 150-jährigen Bestehen den Bruder gefragt, ob er den Betrieb mal übernehmen wolle. „Er war acht und hat Ja gesagt.“

Pauline Baumberger-Brand ging erst mal weg, studierte Kommunikationsdesign in den Niederlanden. Sie lebte in Berlin, arbeitete als Grafikdesignerin in Paris. „Egal wo ich war, ich habe immer von Mandel, dem Land, der Tradition, vom Weingut und von der Familie erzählt.“ Sie lernte andere Weine schmecken. Und dann, erzählt die Winzerin, trank sie einen Wein der Domaine Matassa aus dem Roussillon, einen Cuvée Marguerite. Ein Naturwein von biodynamisch angebauten Reben, ausgebaut ohne önologische Hilfsmittel. Ungeschönt, ungefiltert. „Er schmeckte komplett anders als alles, was ich bis dahin getrunken hatte“, erzählt Baumberger-Brand. „Da wusste ich, was ich wollte.“

Pauline Baumberger-Brand verließ das Weingut der Familie, lebte in Berlin und Paris und kam wieder.
Pauline Baumberger-Brand verließ das Weingut der Familie, lebte in Berlin und Paris und kam wieder. (Foto: Elisabeth Dostert)

Pauline Baumberger-Brand schenkt Wein ein, erklärt die Farben des Etiketts, den neuen Namen, den ihre Weine seit 2020 tragen: „Glow Glow“. Es sei ein Wortspiel um den französischen Begriff glou glou für Weine, „die man einfach so wegtrinkt“. Auf den Etiketten ist ein Kreis abgebildet in unterschiedlichen Schattierungen – von Gelblich-Rosa für Weißweine bis zu einem kräftigen Pink, fast Rot, für die Rotweine. Glow Glow spielt auch mit dem englischen Wort für Glühen, für „all die Energie, die unsere Familie in den Wein steckt“, erläutert Baumberger.

Heute leitet sie gemeinsam mit ihrem Bruder Carl und den Eltern Marcus und Birgit das gut 16 Hektar große Weingut. Seit dem Jahrgang 2023 machen sie nur noch Naturwein. „Wir machen das hier als Team, gleichberechtigt. Es gibt keine Alleingänge“, so Baumberger. Klar gab es Kritiker. Vor ein paar Jahren sei einer von der Weinbauschule vorbeigekommen. Den Namen will Baumberger nicht nennen. Sie schenkte ihren Naturwein ein. Er habe das Glas genommen, nicht daran gerochen und nicht probiert. Und gesagt: „Das passiert eben, wenn die Tochter nach Hause kommt, nichts gelernt hat und glaubt, sie könnte nun Wein machen.“ Sie regt das immer noch auf. Am Schluss habe er zu den anderen Männern gesagt: „Ich wette, die kriegt den am Ende noch verkauft, weil sie eine Frau ist und ein schönes Etikett drauf ist.“

Familie Baumberger macht seit 170 Jahren Wein. Seit 2023 stellt sie nur noch Naturwein her.
Familie Baumberger macht seit 170 Jahren Wein. Seit 2023 stellt sie nur noch Naturwein her. (Foto: Elisabeth Dostert)

Die Frage ist, machen Frauen anderen Wein? Die Antwort von VDP-Geschäftsführerin Olkus fällt erst kurz aus mit einem langen Nachspiel. „Wein ist keine Frage des Geschlechts, sondern der Persönlichkeit des Winzers, der Winzerin und der Herkunft der Trauben“, sagt sie. Frauen wollten auch gar nicht, dass ein Zusammenhang zwischen Wein und Geschlecht gemacht werde. Es käme schon wieder einer Diskriminierung gleich. Pauline Baumberger-Brand will das auch nicht. „Wir wollen uns nicht darüber profilieren, dass eine Frau den Wein macht. Es geht doch um den Weinberg, die Persönlichkeit und die Philosophie.“

Sommelière Paula Bosch hat in ihrem Leben schon sehr viel Wein verkostet und getrunken. Sie wird nächstes Jahr 70. Zu Beginn ihrer Karriere habe sie sich im Hotelrestaurant Intercontinental Frankfurt für eine Ausbildung zum Commis Sommelier beworben. Der Chef habe sie geringschätzig und verwundert angesehen, tief Luft geholt und gemeint: „Mein Fräulein, in unserem Restaurant wird der Wein ausschließlich von Herren serviert. Wenn Sie mögen, können Sie aber gerne im Frühstücksservice den Kaffee präsentieren.“ Wenn sie das erzählt, nach all den Jahrzehnten, wirkt es, als könne sie diesen Blick der Geringschätzigkeit bis heute fühlen.

Die Rebsorte ist eine Persönlichkeit mit Launen

Zwei Jahrzehnte lang war Paula Bosch Chef-Sommelière des Sterne-Restaurants Tantris in München. Seit 2011 ist sie selbständige Weinberaterin und Buchautorin. Sie hat viele Winzerinnen und Winzer kennengelernt. „Welchen Wein eine Frau oder ein Mann macht, ist keine Geschlechterfrage, sondern eine Frage des Typs. Die Weine von Frauen sind nicht besser und nicht schlechter als die ihrer Kollegen, sofern der Wein aus der gleichen Rebsorte hergestellt wurde, aus dem gleichen Jahrgang stammt und die gleiche Qualitätsstufe hat“, sagt Bosch: „Es gibt nicht den einen Faktor, der den Wein prägt. Der Rebstock und die Rebsorte sind Persönlichkeiten mit Launen, wie ein Mann und eine Frau. Sie machen, was sie wollen und was für sie am besten ist.“

Catharina Grans hat ihren eigenen Stil. Sie möchte filigrane, elegante Weine machen und die kommen gerade gut an.
Catharina Grans hat ihren eigenen Stil. Sie möchte filigrane, elegante Weine machen und die kommen gerade gut an. (Foto: Elisabeth Dostert)

Catherina Grans, die Winzerin von der Mosel, hat 2011 ihren ersten Wein kreiert aus Trauben von fast 100 Jahre alten Reben. Sie nannte ihn „Steiles Stück“. Nach dem Abitur machte sie ebenso wie ihre Schwester eine Banklehre. „Mit 18 Jahren war ich mir noch nicht sicher, ob ich das Weingut übernehmen will.“ Vater Gerhard ist schon lange nicht mehr der Chef, aber im Probierraum auf dem Weingut lässt er sich an diesem Tag immer mal wieder blicken. „Ich profitiere von seiner Erfahrung“, sagt die Tochter. Natürlich freut er sich, dass eine seiner beiden Töchter die Nachfolge angetreten hat. „Aber sie hätten auch was anderes machen können“, sagt Gerhard Grans, 71: „Ich kann nur jedem Winzer raten, früh die Nachfolge zu regeln.“

Catharina Grans studierte in Geisenheim und hat sich in Frankreich und Portugal zum European Master of Science in Viticulture & Enology ausbilden lassen. Seit 2016 ist sie zurück auf dem Weingut. Sie bewirtschaftet gut zwölf Hektar Rebfläche. „Im Weinberg steckt viel Handarbeit, schon wegen der vielen Wetterextreme, mal ist es supernass, dann wieder supertrocken.“ Auch deshalb solle Grans-Fassian ein eher kleines Weingut bleiben. Mit ihr habe sich die Stilistik geändert. Die Weine seien etwas filigraner, etwas eleganter, erzählt Grans: „Das liegt nicht daran, dass ich eine Frau bin. Ich mache, was mir schmeckt und das schmeckt gerade ganz vielen.“

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