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Tattoos und Persönlichkeit: Was sagen Motive über die Träger aus? – Wissen | ABC-Z

Die Badesaison hat begonnen, und die Kulisse im Vorstadtfreibad wirkt, als sei das hier eine Leistungsschau der bildenden beziehungsweise stechenden Kunst. Zwischen Wellenbecken, Sprungturm und Liegewiese bewegt sich ein großes Wimmelbild aus verzierten Körpern. Einige Tätowierungen steigern die Attraktivität ihrer Träger, andere, sogar die Mehrzahl, befremden. An diesem Tag wartet zum Beispiel eine junge Frau in der Schlange vor der Eisbude, die das Logo einer französischen Luxusmarke über die Breite ihres Oberschenkels trägt, das sonst vor allem populäre Statussymbol-Handtaschen ziert. Am Beckenrand steht ein Mann, über dessen Bauch groß „2001“ gestochen ist, in einem Stil, als hätte jemand im Schulunterricht vor Langeweile ein Heft bekritzelt.

Diese Freibad-Stichprobe weckt Fragen im Schädel des unverzierten, bleichhäutigen Beobachters: Was sagen Tattoos über ihre Träger aus? Verraten die Motive zuverlässig Persönlichkeitsmerkmale? Diese Fragen haben sich auch Psychologen um Brooke Soulliere und William Chopik gestellt und versucht, in einer Studie zu beantworten, die sie im Journal of Research in Personality publiziert haben. Die kurze Antwort lautet: In den Augen der Betrachter ergibt sich ein gewisser Konsens darüber, was für Charaktere unter den bemalten Häuten stecken; allerdings treffen diese Urteile in aller Regel nicht zu. Das Logo eines teuren Modekonzerns mag vielleicht auf eine eher materialistische Einstellung hinweisen, taugt aber kaum als Beleg für die grundsätzliche Charakterstruktur der Trägerin.

Die Psychologen aus den USA fotografierten für ihre Studie die Tätowierungen von 274 Personen und ließen diese Tests auf der Basis der sogenannten „Big Five“ ausfüllen, die so etwas wie das Standardmodell der Persönlichkeitsforschung sind. Diese fünf Dimensionen sind Offenheit für Erfahrungen, Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Anschließend legte das Psychologen-Team die Tattoo-Fotos Probanden vor und bat sie, die Persönlichkeit der mit den Motiven verzierten Menschen auf Basis der Big Five zu bewerten.

Dabei ergab sich ein „moderater Konsens“, wie die Psychologen schreiben, also eine gewisse Übereinstimmung im Charakterurteil, das die Beobachter fällten. Die Übereinstimmung mit den Testergebnissen der Tätowierten selbst war allerdings bestenfalls sehr gering, so die Psychologen. Lediglich in der Dimension „Offenheit für Erfahrungen“ ergab sich eine leichte Korrelation zwischen der Selbsteinschätzung der Tattoo-Träger und dem Urteil der Beobachter. Das galt insbesondere, wenn es sich um Tätowierungen handelte, die die Forscher als „wacky“ bezeichnen, was sich als skurril oder verrückt übersetzen lässt.

Das liegt vielleicht auf der Hand: Wer sich bekloppte Motive stechen lässt, braucht wohl eine gewisse Offenheit. Dennoch taugen Tattoo-Beobachtungen im Freibad wohl nicht als verlässliche Charakterstudie. Am Beckenrand bleibt also vor allem Staunen zurück, was für ein Zeug sich manche Menschen tätowieren lassen. Aber bitte, das darf jeder machen, wie er will, ist doch klar.

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