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Tattoos: Das Edding-Aus weckt große Zweifel an der gesundheitlich unbedenklichen Tinte | ABC-Z

Edding hat besonders verträgliche Tattoo-Tinte entwickelt. Doch nun gibt Konzernchef Ledermann das Projekt auf. Es sei unmöglich zu garantieren, dass die Produkte wirklich so rein sind, wie von der EU gefordert. Das wirft auch ein neues Licht auf den übrigen Markt.

Es ist ein Warnschuss für die Tattoo-Szene. Der Farbspezialist Edding gibt seine ambitionierten Pläne auf, eine besonders sichere Tattoo-Tinte herzustellen. Die Begründung: Es sei nahezu unmöglich, Farben herzustellen, die der verschärften europäischen Chemikalienverordnung „Reach“ entsprechen. Der Schritt weckt Zweifel an der Sicherheit der Produkte insgesamt.

Die Begründung lässt aufhorchen. Die Lieferanten der verwendeten Inhaltsstoffe könnten teilweise nicht garantieren, dass diese so rein seien wie von der EU verlangt, sagte Edding-Chef Per Ledermann WELT: „Dadurch sind wir gezwungen, jede Charge zu testen, was sehr aufwendig und kostenintensiv ist, teilweise fehlen noch Testverfahren für die genannten Grenzwerte. Trotz unserer Tintenentwicklungskompetenz können wir daher nicht sicher sein, die sehr niedrigen Grenzwerte durchgängig einzuhalten und die Farben in jeder Charge Reach-konform auf den Markt zu bringen.“

Die EU-Verordnung „Reach“ gilt als eine der strengsten Regulierungen von Chemikalien weltweit. Sie verbietet unter anderem ausdrücklich den Einsatz von als krebserregend, fruchtbarkeitssenkend oder hautschädlich eingestuften Stoffe in Tattoo-Farben.

Der Edding-Rückzug kommt überraschend. Denn die Reach-Verordnung ist bereits seit 2022 in Kraft. Seit dem Ende einer Übergangsfrist 2023 sind damit beispielsweise zwei zuvor häufig eingesetzte Blau- und Grün-Farbstoffe verboten. Die EU begründet das mit dem Gesundheitsschutz: Allergien, Unfruchtbarkeit und Krebs seien durch einige Stoffe möglich. „Das Ziel ist nicht, Tätowierungen zu verbieten, sondern Tätowierfarben und Permanent-Make-up sicherer zu machen“, erklärte die Europäische Chemikalien-Agentur ECHA zur Einführung der Regeln. Die deutsche Tattoo-Szene hatte mit Unterschriftenaktionen dagegen mobil gemacht – vergebens.

Zunächst gab es in der Szene die Befürchtung, nur noch schwarze, graue oder weiße Motive stechen zu dürfen. Inzwischen gibt es jedoch eine Reihe von Anbietern, die Reach-Konformität auch für bunte Farbtöne versprechen – darunter bislang auch Edding.

Bereits 2015 hatte das norddeutsche Unternehmen die Entwicklung der Tinte begonnen. Seit 2020 wird die Farbe eingesetzt. Allerdings ist die Tinte des Unternehmens für Endkunden bislang kaum verfügbar. Edding nutzt sie bisher nur in einem eigenen Tattoo-Studio in der Hamburger Innenstadt. Dort wurden nach Unternehmensangaben 5000 Tattoos gestochen.

Edding-Fabrik sollte Kunden überzeugen

Eigentlich sollte das Studio der Beginn einer größeren Expansion sein. Noch im Jahresbericht aus dem Frühjahr hatte Ledermann angekündigt, bald auch externe Studios beliefern zu wollen. Allerdings gestand der Hersteller da schon ein, bei der Überarbeitung der Farben in Hinblick auf weitere Reach-Verschärfungen hinter dem Zeitplan zurückzuliegen. Dennoch stellte Edding noch Ende Februar einen neuen Markenauftritt für sein Tattoo-Geschäft vor, aufwendig erarbeitet von einer Berliner Marken-Agentur.

Die Herstellung in der eigenen Edding-Fabrik in Bautzen sollte ein starkes Argument für die Kunden sein: Edding versprach, auf zahlreiche möglicherweise gesundheitsschädigende Inhaltsstoffe zu verzichten – darunter auch Konservierungsstoffe. Daher lieferte der Hersteller die Farben in kleinen Verpackungen mit jeweils nur 4,5 Millilitern aus, die anders als die üblichen Farben nur für jeweils einen Kunden genutzt werden sollten. Als die EU-Regulierung 2022 in Kraft trat, war Edding damit einer der wenigen Anbieter, die von Anfang an konforme bunte Farben im Sortiment hatten.

Es sei sein Ziel gewesen, die Konsumentensicherheit bei Tattoos durch den Start der eigenen Marke zu erhöhen, sagte Ledermann WELT. „Wir mussten schlussendlich und trotz aller Bemühungen eingestehen, dass wir die Reach-Regularien zum jetzigen Zeitpunkt nicht durchgängig erfüllen können und keine Perspektive sehen, dass dies für uns in absehbarer Zeit realistisch sein wird. Dies ist insbesondere deswegen sehr schade, da unserer Tinte in Bezug auf Konsumentensicherheit und Qualität ein hohes Niveau bestätigt wurde“, sagte Ledermann.

Er hatte sich zur Eröffnung des Studios vor vier Jahren selbst ein Motiv stechen lassen und betont, die Rezepturen seien bereits auf künftige Reach-Verschärfungen vorbereitet.

Tattoo-Geschäft bei Edding vergleichsweise klein

Der Vorstoß ins Tattoo-Geschäft war Teil eines Wachstums-Plans, die Marke über die ikonischen Stifte hinaus zu erweitern. Recht erfolgreich gelang das mit Sprühfarbe, eine Nagellack-Linie stellte Ledermann jedoch inzwischen wieder ein.

Edding kam im ersten Halbjahr 2024 auf knapp 78 Millionen Euro Umsatz. Davon macht das Tattoo-Geschäft nur einen niedrigen sechsstelligen Betrag aus. Dennoch schrieb das Geschäftsfeld 2,2 Millionen Euro operativen Verlust. Den Firmenwert und die Kredite für das Studio hat Edding bereits im vergangenen Jahr abgeschrieben. Das börsennotierte Unternehmen kann finanziell also auf die Herstellung der Tattoo-Farben verzichten – anders als spezialisierte Hersteller. Diese dominieren den Markt und haben ihren Ursprung oft in der Szene.

Mehrere dieser Marken sichern zu, „Reach“ einzuhalten. Der Bundesverband Tattoo geht davon aus, dass diese Tinten zwar deutlich teurer als vor der Regulierung sind – aber regelkonform und sicher. Darauf, dass dies trotz der grundlegenden Bedenken von Edding zutrifft, setzen offenbar auch die Künstler, die bisher im Auftrag von Edding stechen. Der Konzern gibt das Studio an diese Mitarbeiter ab, die es unter dem Namen „Volume 5“ weiterführen wollen.

„Wir müssen künftig darauf vertrauen, was andere Hersteller in den Datenblättern zur Reach-Konformität angeben“, sagte Studio-Chefin Jean Heide. Voraussichtlich werde sie künftig Farben der Marken Panterra aus Spanien und Eclipse aus Italien einsetzen.

Christoph Kapalschinski ist Wirtschaftsredakteur in Hamburg. Er berichtet über Konsum, Einzelhandel, Landwirtschaft, Start-ups und Risikokapital.

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