Tatortreiniger-Workshop in Guben: “Wir sehen sehr viel Not, Elend, viele Schicksalsschläge” | ABC-Z
Tatortreiniger-Workshop in Guben
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“Wir sehen sehr viel Not, Elend und viele Schicksalsschläge”
“Meine Arbeit beginnt da, wo sich andere übergeben”. So beschreibt die Serienfigur Schotty seine Arbeit als Tatortreiniger. In Guben lassen sich nun Interessierte aus ganz Deutschland für den Beruf ausbilden – für den es keine eigene Ausbildung gibt. Von Daniel Mastow
25 Männer und Frauen aus ganz Deutschland werden in Guben (Spree-Neiße) seit Montag bei einem Workshop zu Tatortreinigern ausgebildet. An zwei Tagen vermittelt in Räumen des Plastinariums Desinfektor Thomas Kundt Grundlagen, wie beispielsweise ein Tatort professionell gereinigt und desinfiziert wird.
“Wenn wir jemanden haben, der im Sommer verstorben ist, kommen in den ersten Sekunden die Fliegen, geht in den ersten Sekunden der Verbesserungsprozess los”, erklärt Kundt, der seit zehn Jahren Tatortreiniger ist. Es sei ein äußerst spannender Job, sagt der Experte. “Wir haben zum Beispiel auch lange Liegezeiten. 60 Prozent unserer Fälle sind Verstorbene, die mehrere Wochen, Monate oder Jahre tot in der Wohnung liegen”, so Kundt.
Stabile Psyche ist Voraussetzung
Eine eigene Tatortreiniger-Ausbildung gibt es nicht. Nach einem Workshop wie dem in Guben gibt es aber ein Zertifikat. So können sich zum Beispiel Gebäudereiniger zum Tatortreiniger weiterbilden.
Genau aus diesem Grund ist etwa die Hälfte der Teilnehmer angereist, so wie Katja Kellner aus Apolda in Thüringen. Sie hat seit 16 Jahren eine Gebäudereinigungsfirma. “Ich reinige Büros, Autohäuser, Arztpraxen, aber würde jetzt gerne mal in die andere Richtung einschlagen, weil das auch nochmal ein ganz spannendes Thema ist.” Man sehe als Tatortreiniger Dinge, die “nicht so alltäglich” sind, sagt sie. Die andere Hälfte der Teilnehmer arbeitet bereits in dem Beruf, will das Wissen aber auffrischen.
Die Nachfrage von Gebäudeverwaltungen nach Reinigungsexperten für Orte, an denen Menschen gestorben sind, ist laut Thomas Kundt groß. Einen Personalmangel gebe es aber nicht, sagt er. Wichtig sei in diesem Job, die Bilder im Kopf nicht mit nach Hause zu nehmen. “Wir treffen Menschen in ihren verwundbarsten Augenblicken, sehen sehr viel Not, Elend, viele Schicksalsschläge.”
Jeder müsse sich deshalb vorab fragen, ob er für den Beruf geeignet sei. Dabei gehe es nicht nur um das Handwerk, sondern auch um den Kopf, sagt Kundt. Bei einem Tatortreiniger sei eine stabile Psyche wichtig. “Wenn ich das nicht [habe] und wenn ich vielleicht auch schon das eine oder andere Problem hatte, dann bitte, bitte mach diesen Job nicht.”
Unwissend an einem Tatort
Auch Katja Kellner weiß, was auf sie zukommen würde. Als Gebäudereinigerin hat sie schon einmal unwissend mit einem Tatort zu tun gehabt. “Mir wurde damals gesagt, das wären Kaffeeflecken, aber die hatten sich dann über den ganzen Flur gezogen. Hinterher haben wir dann tatsächlich erfahren, dass es ein Leichenfundort-Wohnung gewesen ist.” Gestört habe sie das aber nicht, sagt sie.
Bei dem Workshop beginnt nach einem theoretischen Teil am Montagvormittag der Praxisteil. Dafür war Thomas Kundt vorher noch beim Fleischer und hat Schweineblut besorgt. “Das ist ähnlich zum Menschen und deswegen können wir damit ganz gut arbeiten.”
Sendung: Antenne Brandenburg, 30.09.2024, 14:40 Uhr