“Tatort” Hannover: Angst macht wachsam | ABC-Z

Wenn man vom Teufel spricht: Nachdem letzte Woche in Wien der schicke Look eines Films einmal nicht über den Einsatz der Farbe
Petrol hergestellt wurde, grundiert das modische Grün-Blau
nun wieder die neue Falke-Folge Im Wahn (NDR-Redaktion: Donald Kraemer).
Die spielt erstmals in Hannover, wo doch Falke (Wotan Wilke Möhring) zuletzt
immer in Hamburg ansässig war.
Der Trick vom Petrol ist bekanntlich, dass es nicht nur
coole Kühle verströmt, sondern Gelb- und Rot-bis-Pink-Tönen den Hof macht (Szenenbild: Sabine Pawlik). Das führt in diesem Tatort
Kostümbildnerin Katrin Aschendorf vor. Die schickt mit Ausnahme des
Hauptkommissars, der notorisch Lederjacke und Jeans trägt, eigentlich alle
Figuren in einer Art gepimptem Skandi-Stil auf den Laufsteg ihres
Modebewusstseins: mit Vorliebe für Wolle und große Gesten, hochwertig, teils
eben in starken Grüns und Blaus, teils in den Kontrastfarben. Das fällt auf,
aber macht die Räume eng. Wenn alle Figuren aussehen, als würden sie Werbung
für Kleidung aus ein und demselben Katalog machen, ist die Möglichkeit dahin, sie
über ihr Outfit zu charakterisieren.
Das ist nicht die einzige Unwucht in einem Film, der
ästhetisch aufs Wuchtige setzt. Im Wahn beginnt mit Tötungen, die
zufällig wirken. An einem Bahnhof werden im Trubel der Menschenmassen zwei
Leute niedergestochen. Der Fall wird fix gelöst von einer KI-basierten
Investigationssoftware aus dem Ausland, die in Deutschland eigentlich nicht
eingesetzt werden darf, wie Falke weiß. Auf die Technologie ist in Hannover
aber Kriminaldirektorin Seil (Anna Stieblich) heiß, was die lokale Kollegin
Yael Feldman (Peri Baumeister) ergänzt.
Bedient wird die Zaubertechnologie von Finn Jennewein
(Thomas Niehaus), der
als Unsympath in Dortmund nicht weiter aufgefallen wäre, dessen
Durchtriebenheit hier aber schon beim ersten Auftritt nicht zu übersehen ist.
Der von der KI ausgespuckte Verdächtige Kowalski (Mirco Kreibich) hat
psychische Probleme und entzieht sich dem Zugriff von Falke und Feldman durch
Sturz aus dem Fenster in den Tod.
Weshalb es merkwürdig ist, als nach gut einer halben Stunde
ein dritter Toter auftaucht, der am Bahnhof auf dieselbe Art umgebracht
wurde; den kann der tote Kowalski schlecht auf dem Gewissen haben. KI-Agent Niehaus
bekommt Druck, liefert dank seiner Super-Software aber einen neuen Verdächtigen
– und an dieser Stelle denkt man, dass der ganze KI-Grusel genauso gut Stoff
für eine Komödie sein könnte. So ähnlich wie in Münster vor zwei Wochen, wo es mehr Geständnisse gab als Taten, könnten hier die ganze Zeit
Morde nach dem gleichen Muster passieren, und die Super-KI-Software rechnet
dann immer neue Täter aus, die es aber auch nicht waren.
Diesem Tatort ist es leider ernst. Deswegen wird noch
ein unschuldiger Muslim verhaftet (Çiya Tayçimen) und ein Journalist
umgebracht, dessen Recherchen nahelegen, dass Niehaus den dritten Mord begangen
hat, um einer Wette auf fallende Aktienkurse der eigenen Firma zum Erfolg zu
verhelfen. Und dann kann der Bösewicht im Finale auch noch entkommen, obwohl
das Beruhigende am ARD-Sonntagabendkrimi doch sein soll, dass die Welt zum
Schluss wieder in Ordnung ist.