Studie entlarvt Mythos um römisches Massaker – benennt wahren Übeltäter | ABC-Z

Berlin. Eine neue Studie zeigt: Die Toten der berühmten britischen Hügelfestung starben nicht bei einem römischen Angriff. Aber wie dann?
Was jahrzehntelang als brutales Kapitel der römischen Eroberung Britanniens galt, entpuppt sich nun als Legende: Das vermeintliche Massaker in Maiden Castle, einer eisenzeitlichen Hügelfestung im Süden Englands, hat so wohl nie stattgefunden. Eine neue Studie korrigiert ein lange akzeptiertes Geschichtsbild – und stellt damit eine der berühmtesten Erzählungen britischer Frühgeschichte infrage.
Archäologie: Diese Erzählung entpuppt sich wohl aus Mythos
Seit der Entdeckung des sogenannten „Kriegsfriedhofs“ im Jahr 1936 galt es als sicher, dass die dort bestatteten Menschen bei einem dramatischen Angriff durch römische Truppen starben. Viele der Skelette wiesen schwere Verletzungen auf, etwa Hiebe auf Kopf und Oberkörper, ein Speer in der Wirbelsäule. Für den damaligen Ausgräber Sir Mortimer Wheeler war der Fall klar: Die Toten seien bei der verzweifelten Verteidigung der Festung gegen eine römische Legion gefallen.
Seine Interpretation wurde zur festen Größe im kollektiven Gedächtnis Großbritanniens: eine heroische, wenn auch tragische Episode aus der Zeit der römischen Eroberung. Doch die neuen Untersuchungen sprechen eine andere Sprache.
Kein Massaker, sondern viele Gewalttaten
„Der Fund von Dutzenden menschlicher Skelette mit tödlichen Waffenverletzungen stand nie in Frage“, sagt Dr. Martin Smith, außerordentlicher Professor für forensische Anthropologie an der Bournemouth University. „Durch ein systematisches Programm zur Radiokohlenstoffdatierung konnten wir jedoch feststellen, dass diese Personen über einen Zeitraum von Jahrzehnten und nicht durch ein einziges schreckliches Ereignis ums Leben kamen.“
Die Radiokarbondaten zeigen, dass sich die Todesfälle über das späte erste Jahrhundert vor Christus bis ins frühe erste Jahrhundert nach Christus erstrecken. Die Forscher vermuten, dass es sich um wiederkehrende Episoden tödlicher Gewalt handelte, wie lokale Unruhen, Hinrichtungen oder dynastische Konflikte.
Das römische Massaker von Maiden Castle, das nach neuen Erkenntnissen nie stattgefunden hat.
© IMAGO/Heritage Images | IMAGO/Historic England/Heritage Images
Der Mythos von Maiden Castle
„Die Geschichte vom Kampf der Briten gegen die Römer an einer der größten Bergfestungen des Landes ist seit den 1930er Jahren fester Bestandteil der historischen Literatur“, sagt Dr. Miles Russell, Leiter der Ausgrabungen.
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Weiter sagte er: „Die Vorstellung, dass unschuldige Mitglieder des lokalen Stammes der Durotriges von Römern niedergemetzelt wurden, ist eindringlich. Doch leider deuten die archäologischen Funde nun darauf hin, dass es nicht stimmt. Es war ein Fall, in dem Briten Briten töteten.“
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Ein besonders eindrucksvolles Beispiel: Ein Skelett, das lange Zeit als Opfer eines römischen Ballista-Geschosses galt, weist bei genauerer Analyse eine gewöhnliche Speerspitze in der Wirbelsäule auf. Ein Hinweis auf innerbritische Gewalt.
Mehr Fragen als Antworten
Die neue Studie, veröffentlicht im Oxford Journal of Archaeology, zeigt auch, dass die Bestattungen kulturell sehr unterschiedlich ausfielen. Ein Hinweis auf komplexe soziale Strukturen. „Die gleichzeitige Vermischung unterschiedlicher kultureller Bestattungspraktiken zeigt, dass vereinfachende Ansätze zur Interpretation archäologischer Friedhöfe heute hinterfragt werden müssen“, sagt Gastwissenschaftler Paul Cheetham.
Cheetham vermutet zudem, dass viele weitere Gräber in der Umgebung noch unentdeckt sind. Wheelers damalige Grabung hatte nur einen kleinen Teil der weitläufigen Anlage erfasst.