Ermittlungen wegen Aufrufen zu Straftaten | ABC-Z

Berlin. Vergangenen Samstag hetzten hunderte Anhänger der islamistischen Machthaber in Syrien gegen Minderheiten und Israel.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat mit deutlichen Worten auf israel- und minderheitenfeindliche Ausrufe auf einer Demonstration am vergangenen Wochenende vor dem Roten Rathaus reagiert. „Wenn zu Mord, Terror und Straftaten aufgerufen wird, dann gehört das nicht zu Berlin, einer Stadt der Toleranz und Vielfalt“, sagte Wegner. „Die Polizei wird auch weiterhin konsequent gegen jegliche Intoleranz vorgehen.“ Sollten sich in der Beweissicherung tatsächlich strafbare Äußerungen von geflüchteten Syrern ergeben, so sollten diese das Land verlassen müssen und abgeschoben werden, betonte der CDU-Politiker.
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hatten am vergangenen Samstagabend 400 Anhänger des islamistischen syrischen Machthabers Ahmed al-Scharaa (auch: al-Jolani) lautstark vor dem Roten Rathaus gegen die israelischen Angriffe auf syrisches Staatsgebiet protestiert. Seit Anfang der Woche sorgt wiederum ein Video der Demonstration in den sozialen Medien für Aufsehen, auf dem vor allem junge Männer unter der neuen Flagge Syriens israelfeindliche, antisemitische sowie gewaltverherrlichende Parolen gegen Minderheiten wie Drusen und Alawiten skandieren.
Polizei wertet Video auf Social Media aus
Kritiker monieren offene Aufrufe zu Mord und Vergewaltigung, die unter den Strafbestand Terrorverherrlichung und Billigung von Straftaten fallen könnten. Die Polizei jedoch schrieb keine Meldung zu der Versammlung am Neptunbrunnen. Die Behörde bestätigt die zunächst für 100 Teilnehmer von 20 bis 22 Uhr angemeldete Demonstration auf Nachfrage, 70 Einsatzkräfte seien im Einsatz gewesen.
Auch das Video sei derzeit Gegenstand der Ermittlungen. „Aufgrund dessen wird beim zuständigen Fachkommissariat des Landeskriminalamts ein Verfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten geführt“, so eine Polizeisprecherin.
Aufrufe zur Demo erfolgten über Social Media
In dem Video sind Teilnehmer zu sehen, die laut des Vereins „Democ“ auf Arabisch „Wir werden die Drusen beugen“ (im Sinne von vergewaltigen), „Der Druse solle raus“ und „Bringt uns israelische Flaggen zum Verbrennen“ skandieren sowie die dschihadistische Parole „Es ist für Gott, es ist für Gott – Weder für Macht noch für Ruhm“ ausrufen.
„Aufrufe zur Demonstration ließen sich in Sozialen Medien – insbesondere auf TikTok und Instagram – finden“, schreibt der Zusammenschluss aus Medienschaffenden und Wissenschaftlern „democ“, der demokratiefeindliche Bewegungen beobachtet, dokumentiert und analysiert. „Informationen über konkrete Gruppen, die die Veranstaltung angemeldet haben, gab es nicht.“ Vereinzelt seien auch Personen beteiligt gewesen, die bei antiisraelischen Protesten der vergangenen Monate als Trommler oder Ordner aktiv waren.
Aber warum schritt die Polizei nicht ein? „Ein Dolmetscher stand an diesem Tag nicht zur Verfügung, sodass zwei arabisch sprechende Dienstkräfte mit dem Bewerten der Ausrufe und Sprechchöre beauftragt waren“, erklärt eine Polizeisprecherin. „Ein Aufrufen zu Gewalt oder Parolen mit strafrechtlich relevantem Inhalt konnte von den eingesetzten Dienstkräften nicht festgestellt werden.“
Da der Verlauf der Versammlung aber sehr dynamisch und lautstark gewesen sei, sei es nicht auszuschließen, dass nicht alle Ausrufe polizeilich wahrnehmbar waren, hieß es. „Insofern war nach Bewertung der Einsatzleitung kein Anlass für polizeiliches Einschreiten gegeben.“ Die Versammlung wurde Informationen der Berliner Morgenpost zufolge als „störungsfrei“ erfasst. Einziges Vorkommnis: Ein unbekannter Teilnehmer brannte illegale Pyrotechnik ab.
Polizei soll besser auf soziale Medien zugreifen können
Die Berliner Gewerkschaft der Polizei GdP nutzte den Vorfall am Donnerstag, um auf eine ihrer zentralsten Forderungen hinzuweisen. „Mal abgesehen davon, dass wir endlich ein neues Versammlungsfreiheitsgesetz brauchen, damit nicht immer wieder extremistische Parolen auf Berlins Straßen gerufen werden können und am Ende alles unter freie Meinungsäußerung subsumiert wird, unterstützten wir die konsequente Aussage unsere Regierenden Bürgermeisters“, sagt GdP-Sprecher Benjamin Jendro. „Wer menschenfeindliches Gedankengut grölt, bekennt sich nicht zu unseren demokratischen Werten und verliert sein Anrecht auf Asyl.“
In diesem Kontext benötige es ein strukturelles OSINT als festen Bestandteil aller Asylverfahren. „Jeder hinterlässt heute digitale Spuren und genau auf diesem Weg könnten wir Identitätsbetrug eindämmen, Nationalitäten klären und demokratiefeindliche Bestrebungen erkennen“, so Jendro weiter.
Blutige Auseinandersetzungen im Süden von Syrien
Die von den Demonstranten kritisierten Interventionen Jerusalems stehen im Zusammenhang mit den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Drusen, sunnitischen Beduinen, islamistischen Milizen und Regierungstruppen vor einigen Tagen in Südsyrien. Israel sieht sich als Schutzmacht der Drusen und hat deswegen immer wieder in den Konflikt eingegriffen.
Morgenpost Späti
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Die neue Gewalteskalation fällt dabei in eine Zeit, in der in Deutschland nach dem Sturz des Langzeit-Diktators Baschar al-Assad offen über die Rückreise der Hunderttausend syrischen Flüchtlinge diskutiert wird. Angesichts der unsicheren Lage vor Ort kritisieren Oppositionspolitiker und Asylverbände dabei die Überlegungen der Bundesregierung, Straftäter und Gefährder nach Syrien abzuschieben.