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Fischerei und Wassersport am Starnberger See – Starnberg | ABC-Z

Es ist 6 Uhr morgens. Um diese Zeit macht Hans Jürgen Müller sein Boot klar. Der See schläft noch. Müller nicht. Der 57-Jährige fährt hinaus aufs Wasser wie jeden Tag, holt das erste Netz ein und danach noch weitere acht. Nach gut zwei Stunden ist der Fang des Tages an Bord. Viel ist es nicht. Gerade mal 19 Fische – die meisten davon Renken. Die Renke ist die häufigste Fischart im Wasser und damit der sogenannte Brotfisch am Starnberger See.

Wieder an Land, verarbeitet er den Fang, räuchert, filetiert, salzt ein – je nachdem, wie voll die Netze waren. Der Großteil der Fische geht in die Gastronomie, der Rest ist für die örtliche Kundschaft bestimmt. Müller und seine Frau Eva essen selbst gern Fisch in allen Variationen – Renken frisch geräuchert, nach Müllerin Art und als Ceviche, ein aus Peru stammender Salat aus rohem Fisch mit Salz und Limettensaft, oder als Tatar. „Ich sehe da ganz klar den Übergang vom Lebewesen zum Lebensmittel“, sagt Müller.

Schon als kleiner Bub ist Hans Jürgen Müller mit seinem Vater morgens hinaus aufs Wasser gefahren. Für ihn war klar: Auch ich will Fischer werden – wie Vater, Großvater und Urgroßvater. Die Müllers betreiben das Fischerhandwerk laut den Urkunden in der fünften Generation hier am Starnberger See. Auch Müllers Sohn Valentin wird diese Tradition fortsetzen.  Der 23-Jährige studiert Wirtschaftsingenieurwesen, seine Fischmeisterprüfung macht er trotzdem. Auch seine 20-jährige Schwester Louisa hätte sich für das Fischerhandwerk entscheiden können. Ihre Wahl fiel allerdings auf das Medizinstudium.

Das Fischrecht kann in der Familie weitergegeben werden

Die erfolgreiche Prüfung als Fischwirtschaftsmeister ist Voraussetzung dafür, dass die Familie das Fischrecht an die kommende Generation weitergeben kann. Wäre kein fachkundiger Nachfolger vorhanden, würden die Müllers dieses Recht verlieren. Um es ausüben zu dürfen, muss die Familie zudem ein Anwesen in Seenähe besitzen, das sie an den potenziellen Nachfolger weitergeben will. Aktuell gibt es 34 Berufsfischer am Starnberger See. Sie alle müssen auch Mitglieder der Fischereigenossenschaft sein. Diese wacht darüber, dass in Sachen Fischerei alles mit rechten Dingen zugeht.

Fischer Hans Jürgen Müller aus Tutzing. (Video: Eva Müller/privat)
Das Fischerhaus der Familie Müller mit seiner Lüftlmalerei befindet sich in Seenähe, wenngleich es auch nicht direkt am Wasser steht. (Foto: Foto: Georgine Treybal)

Auch die Fischer am See arbeiten übrigens nur wochentags, wie die meisten Büroangestellten. „Wir dürfen am Montag die Fischnetze auslegen und am Freitag müssen sie vom See“, sagt Müller. Gefischt wird im Sommer in 25 Metern Tiefe. Geleert werden die Netze natürlich jeweils allmorgendlich, um die Tiere, die sich nachts darin verfangen haben, nicht zu lange leiden zu lassen.

Aber das ist nicht das einzige Regularium in der Branche: Die Maschenweite ist festgelegt und reguliert die Größe des Fisches, der sich im Netz verfängt. Sind die Fische kleiner, können sie hindurchschwimmen und behalten ihre Freiheit. Die Schonzeiten stellen sicher, dass die Tiere in Ruhe ablaichen können. All das ist in der Satzung der Fischereigenossenschaft geregelt.

Müller legt Wert auf Nachhaltigkeit im Fischfang.  So will er gewährleisten, dass jeder Mutterfisch mindestens einmal im Leben ablaichen kann. Generell sind die Fänge am See recht schwankend. Es gibt Tage, an denen bleiben die Netze schlicht leer. Und andere, wie vor gut fünf Jahren, da gingen Müller in einer einzigen Nacht an die  500 Tieren ins Netz. „Bislang ist die Saison heuer schlecht“, sagt er.

Hans Jürgen Müller holt morgens die Netze ein.
Hans Jürgen Müller holt morgens die Netze ein. (Foto: Film und Foto: Eva Müller/oh)
An guten Tagen gehen dem Tutzinger Fischer etliche große Fische ins Netz, die sich gut verkaufen lassen.
An guten Tagen gehen dem Tutzinger Fischer etliche große Fische ins Netz, die sich gut verkaufen lassen. (Foto: Foto: Eva Müller/oh)

Und auch, weil es keine Kontinuität gibt, steht für ihn fest, dass man vom Fischfang allein nicht mehr leben kann.  „Das war zu Zeiten meines Vaters schon so und ist auch in der heutigen Zeit nicht anders. Die Fischerei muss man aus Überzeugung machen“, stellt Müller klar und wird noch deutlicher. „Vom Finanzamt wird sie als Liebhaberei bezeichnet.“ Eine Art Zubrot zum Lebensunterhalt, mehr nicht. Ein zweites Standbein musste also her.

Von kleinen Ruderbooten zum Elektrobootverleih

Was liegt da näher, als an Wassersport zu denken. Schließlich lieben Münchner Ausflügler wie Sommergäste kaum etwas so sehr wie den Freizeitspaß in den Wellen. Seit den Siebzigerjahren betreibt die Familie Müller zusätzlich zur Fischerei eine Segel- und Sportbootschule. Anfangs habe sein Vater kleine Ruderboote angeschafft, um die Einnahmesituation der Familie zu verbessern. Heute gibt es neben zehn Segelbooten auch einen florierenden Elektrobootverleih mit sechs Schiffen. 35 Euro in der Stunde muss hinblättern, wer mit einem E-Boot und seiner Familie gemütlich über den See schippern will.

Hier lagert Hans Jürgen Müller seine Fischernetze.
Hier lagert Hans Jürgen Müller seine Fischernetze. (Foto: Foto: Georgine Treybal)
Auf dieser Tafel werden verliehene Boote notiert.
Auf dieser Tafel werden verliehene Boote notiert. (Foto: Foto: Georgine Treybal)

In Müllers Segel- und Sportbootschule kann man die ganze Palette der Bootsführerscheine erwerben. „Uns geht es primär darum, einfach segeln zu lehren und Spaß daran zu haben“, sagt Hans Jürgen Müller. Ein bisschen Urlaubsfeeling auf dem Wasser eben. Neben den mehrtägigen Segelkursen für Kinder und Erwachsene können Interessierte unter anderem auch Sportbootführerscheine für Binnengewässer und Küste erwerben.

Rund 300 Schülerinnen und Schüler üben in seiner Segelschule pro Jahr alle gängigen Manöver. Müller besitzt die Qualifikationen, um alle weiterführenden Scheine selbst abzunehmen. Wegen der Vielzahl an jährlichen Kursen sind zusätzlich etliche freiberufliche Segellehrer beschäftigt. 2008 erbte Müller von seinem Vater zuerst die Bootsschule, 2017 folgte dann die Fischerei. Ein Erbe in Etappen.

Bräutigam bei der Fischerhochzeit

Tradition bedeutet Müller viel. So war er auch gleich dabei, als man 1992 anfragte, ob er bei der nächsten Fischerhochzeit den Bräutigam spielen wolle. „Für mich war es eine Ehre“, sagt er rückblickend. Tutzing ist bekannt für das große Spektakel, das alle fünf Jahre stattfindet und bei dem quasi der halbe Ort mitspielt. Traditionell herrscht in diesen drei Tagen Ausnahmezustand in der Seegemeinde. „Auf ein Neues“, wird es wohl im kommenden Jahr wieder heißen.

Interessenten können sich am Bootshaus der Müllers in Tutzing Elektroboote ausleihen.
Interessenten können sich am Bootshaus der Müllers in Tutzing Elektroboote ausleihen. (Foto: Foto: Georgine Treybal)
Vom Bootshaus aus gelangt man direkt auf den Müller'schen Steg.
Vom Bootshaus aus gelangt man direkt auf den Müller’schen Steg. (Foto: Foto: Georgine Treybal)
Im Dachstübchen der Familienbootshütte sitzen Hans Jürgen Müller und seine Frau Eva gern und blicken gemeinsam über den See.
Im Dachstübchen der Familienbootshütte sitzen Hans Jürgen Müller und seine Frau Eva gern und blicken gemeinsam über den See. (Foto: Foto: Georgine Treybal)

Während Müller auf dem Steg sitzt und über Fischfang, Segelschule und Fischerhochzeit sinniert, kommt ein Paar auf ihn zu, das in gut einer Stunde Segelunterricht bei ihm gebucht hat. Müllers Tag ist durchgetaktet. Dann geht es wieder hinaus aufs Wasser. Der See ist Heimat für ihn. Er kennt seinen Geruch zu jeder Jahreszeit. Wen wundert’s, dass einer seiner erklärten Lieblingsplätze der Raum im ersten Stock der Familien-Bootshütte ist. Dort genießt er aus dem großen Fenster den Überblick über den See.

Besonders gern sitzt er hier mit seiner Frau Eva. Die 52-Jährige stammt aus München. Bei einem Tagesausflug an den Starnberger See mit ihrer Freundin hat sie Müller vor gut 30 Jahren kennengelernt. Eine glückliche Fügung. Denn ihr sind Tutzing und der See längst ans Herz gewachsen. Und so macht die diplomierte Grafikdesignerin bereits seit vielen Jahren das Marketing für den Betrieb ihres Mannes, schießt Fotos vom Boot aus und dreht kleine Werbeclips. Fast idyllisch mutet es an, wenn ihr Mann in einem jener Filmchen die Netze aus dem Wasser zieht. Dabei ist sein Tagwerk harte Arbeit – auch wenn er es nicht missen möchte.

Wer historisch interessiert ist und Lust darauf hat, einem ganz besonderen Kleinod am Starnberger See einen Wochenendbesuch abzustatten, der sollte einfach die S-Bahn in Richtung Tutzing  (S 6) besteigen. Mit ihr könnte man jetzt bis zur Station „Possenhofen“ durchfahren, aber es lohnt sich, bereits am Haltepunkt „Starnberg See“ auszusteigen und einen der Dampfer zu nehmen. Es folgt eine kurze Seereise bis zum Anlegesteg Possenhofen. Etwas mehr als eine halbe Stunde können sich die Besucher den Seewind um die Nase wehen lassen, ehe der Dampfer dort anlegt. Von hier aus ist das historische Schloss Possenhofen, das schon im 12. Jahrhundert im Besitz der Wittelsbacher war, ganz nah. Hier verbrachte die spätere Kaiserin Elisabeth, im Volksmund Sisi genannt, mit ihrer Familie einst die Sommermonate ihrer Kindheit. Heute sind in dem Gebäude Eigentumswohnungen untergebracht. Vom Schloss aus geht es hinauf zum historischen Bahnhof Possenhofen, in dem sich das Kaiserin-Elisabeth-Museum befindet. Die Sammlung im Königssalon des Bahnhofs umfasst mehr als 1000 Exponate. Ein ehrenamtlicher Verein kümmert sich um den laufenden Unterhalt, um Führungen und die Erweiterung der Ausstellung. Entstanden ist so über die Jahre ein kleines, aber feines Museum, das einen Besuch lohnt. Zurück geht’s wieder mit der S-Bahn. Öffnungszeiten (1. Mai bis 19. Oktober): Freitag, Samstag, Sonntag, jeweils von 12 bis 18 Uhr.

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