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Kulturkampf von rechts – Mythos oder Realität? | ABC-Z

Die Neue Bühne Senftenberg ist ein theaterhistorisch bedeutender Ort. Hier begannen zu DDR-Zeiten später so berühmte Theaterleute wie Armin Mueller-Stahl, Frank Castorf oder Michael Thalheimer ihre Karrieren. Hier testeten sie aus, wie aufsässig Kunst unter Bedingungen einer Diktatur sein konnte. Heute ist das Haus kein Ort mehr für interessante ostdeutsche Theaterkunst, und doch ist das Senftenberger Theater in der Sommerpause in die Schlagzeilen geraten, weil der Verdacht im Raum stand, die Nichtverlängerung des dortigen Intendanten könne dem „opportunistischen Einknicken kulturrelevanter Entscheidungsträger gegenüber erstarkenden restaurativen Kräften“ geschuldet sein.

Konkret lautete die in der zitierten Form vom Branchendienst „nachtkritik“ verbreitete Suggestion, dass ein homosexueller Intendant „einfach stört in einer Stadt, in der 2024 zur Kommunalwahl 29 Prozent die AfD gewählt haben“. Senftenberg – der Austragungsort ei­nes Kulturkampfes von rechts? Bei vielen hat sich das als Tatsache festgesetzt. Es passt ja auch gut ins Bild von den düsteren ostdeutschen Verhältnissen. Inzwischen ist allerdings klar geworden, dass der Intendant wegen geschäftsführerischer Mängel und finanzrechtlicher Überforderung gehen muss, zwei Rechtsverfahren laufen. Das klingt nicht nach „Opportunismus“, das klingt nach Führungsversagen.

Was heißt das „unter Druck“?

Und so fällt das Wort „AfD“ im Verteidigungsstatement des Intendanten vor einigen Tagen auch gar nicht mehr. Man muss die Suggestion, eine Stadt habe ihren homosexuellen Intendanten aus Angst vor einer erstarkenden AfD loswerden wollen, als reine Nebelkerze bezeichnen. Als eine öffentlichkeitswirksame Strategie, um Gefolgschaft zu sichern: Wer von rechts unter Druck gerät, muss verteidigt werden. Nur was heißt das eigentlich, „unter Druck“? Was tut die AfD jenseits davon, auf Marktplätzen und auf Instagram bedrohlich martialisch aufzutreten? In Senftenberg offensichtlich nichts. Und sonst? Katarzyna Wielga-Skolimowska, die Leiterin der Kulturstiftung des Bundes, hat gerade in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vor polnischen Verhältnissen in der Bundesrepublik gewarnt: „Die Landräte üben Einfluss auf Kultureinrichtungen aus, es kommen Kleine Anfragen, das Bauhaus wird angegriffen.“

Ist der Kulturkampf wirklich schon in vollem Gange? Heißt Einfluss ausüben die Kultur bekämpfen? Heißt Anfragen stellen die Kunstfreiheit in Zweifel ziehen? Bedroht ein despektierlicher Anwurf gegen das Bauhaus schon unsere Erzählung von der deutschen Moderne? Ist die Kulturnation inzwischen so schwach, dass sie sich von irgendeinem sachsen-anhaltinischen Trachtenträger, der von einer „Renaissance der deutschen Kultur“ schwärmt und mit Subventionsstreichungen droht, gleich so gewaltig unter Druck gesetzt fühlt? Sollten wir nicht etwas mehr Vertrauen in unsere kulturellen Institutionen haben? Sie haben ja in der Vergangenheit auch dem politischen Druck von links ganz gut standgehalten. Oder?

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