A Cappella Company Dachau: Barbershop-Chor begeistert international – Dachau | ABC-Z

Der Unterricht an der Dachauer Berufschule ist schon lange vorbei, trotzdem ist die Aula hell erleuchtet. 40 Frauen stehen in mehreren Reihen in einem Halbkreis. Mit ihren einheitlichen dunkelblauen Oberteilen sehen sie aus wie Absolventen einer Elite-Uni. Das Zeichen ihrer Exzellenz ist das goldene Emblem auf ihrem Rücken: zwei Notenschlüssel, die sich umarmen und ein Herz formen. Es ist das Erkennungszeichen der A Cappella Company Dachau, einer der größten weiblichen Barbershop-Chöre Deutschlands und bereits fünf Jahre nach seiner Gründung wohl auch einer der besten. Bei der Meisterschaft in Schweden kam die Company in diesem Jahr sogar unter die Top Ten Europas.
Dass sie kaum einer kennt, liegt vor allem daran, dass die meisten beim Wort „Barbershop“ eher an Salons zur Pflege bärtiger Männer denken. Als Musikstil ist Barbershop in Deutschland noch wenig bekannt und die Szene überschaubar: Der deutsche Barbershop-Verband Bing listet aktuell 70 Ensembles mit etwa 800 Mitgliedern auf. Mit einer signifikanten Häufung großer Ensembles in und um München, mit den Harmunichs etwa oder Herrenbesuch. Und seit wenigen Jahren nun auch die Frauen der A Capella Company.
Lebendige Radios im Friseursalon
Seine Wurzeln hat der Barbershop-Gesang in den USA. Wie und wo genau er entstanden ist, darüber sind die Gelehrten uneins. Eine Theorie besagt, dass die Männer in den Friseurläden früher gesungen haben, um sich die Zeit beim Warten zu vertreiben. Und weil so ein Barbershop ja meistens Männersache ist, heißen die entsprechenden Stimmlagen Tenor, Lead, Bariton und Bass. Übrigens auch bei den Frauen, die Barbershop singen.
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„Wenn alle vier Stimmlagen aufeinandertreffen, erzeugen die Obertöne ein ganz besonderes Klangerlebnis“, schwärmt Sabrina Quint von der A Cappella Company. Ein perfekt abgestimmtes Quartett klinge dann so, „als würde da ein ganzer Chor stehen“. Einfach ist das nicht, vor allem nicht in einem so großen Ensemble: „Du singst meist etwas komplett anderes als alle um dich herum und musst dabei auf der richtigen Tonhöhe bleiben.“ Um „in tune“ zu sein, wie es im Barbershop-Jargon heißt, und den Sound voll zu entfalten, muss man hart an sich arbeiten.
Diversität und Offenheit gehören zur Barbershop-Szene
Das ist vor allem der Job von Mareike Meise. Die Laienmusikerin hat 20 Jahre Erfahrung im Barbershop, ist das Herz des Chors und die Klangarchitektin des Ensembles. Die 46-Jährige führt mit sanfter Autorität, ihre Ansagen sind präzise und direkt. Und wenn etwas daneben geht, lacht sie. „Ihr habt den Pitch verloren.“ Es wird ziemlich viel gelacht. Mit dem Keyboard, das vor ihr steht, hilft sie, den richtigen Ton wiederzufinden. Neuer Versuch – und siehe, jetzt klappt es schon ziemlich gut, das große wunderbare Miteinander. „Everyone in Harmony“, so lautet der Leitsatz der Barbershop-Community. Dabei geht es nicht nur um die Tonlagen, es geht auch um Offenheit, Integration, Diversität – große gesellschaftliche Werte, die heute schon fast politisch aufgeladen wirken.
Aber der Leitsatz gilt auch und vielleicht sogar noch mehr für das Miteinander innerhalb der Gruppe. „Wir könnten nicht so singen, wenn wir uns nicht mögen würden“, sagt Chor-Mitglied Claudia Gruber. Dass sie „mit 59 Frauen auskommen könnte“, habe sie nicht erwartet. „Wir sind ja ganz unterschiedlich.“ Verschiedene Temperamente, Milieus, Lebenserfahrungen, die jüngste Sängerin 20, die älteste Ende 69, ein weites Spektrum. Und doch eine Einheit. „Wie die vier Stimmen miteinander verschmelzen, so verschmilzt auch dieser Chor“, sagt Claudia Gruber.


Bevor es richtig losgeht „wechseln wir jetzt erst einmal zur Luftpumpe“, weist Mareike Meise ihre Sängerinnen an. Nun ziehen alle im Gleichtakt mit beiden Händen einen unsichtbaren Griff nach oben, „Pffft-Pffft-Pffft!“, erschallt es aus 40 Mündern. Die nächste Übung klingt eher nach Staubsauger: „Wwwwwwwwww!“ Gaumen, Lippen müssen geschmeidig werden, der Körper locker. Manche Frauen sind gerade erst von der Arbeit gekommen, haben daheim das Kind ins Bett gebracht oder sich im Fitness-Center ausgepowert. Man muss erst mal den Alltag abstreifen, um richtig anzukommen in der Musik.
In der Aula proben sie als Erstes ihr Lied gegen „anonyme Facebook-Hetzer“, gegen die „Nix-Kapierer-und-trotzdem-alles-Kommentierer“. Immer wieder löst sich eine Sängerin aus ihrer Position, läuft in die Mitte des Halbkreises, unterstreicht das Gesungene mit großer Geste. „Da geht es auch viel um Performance“, sagt Pia van Boxen, die seit einem Jahr bei der A Capella Company dabei ist. „Man überlegt sich verschiedene Rollen, erarbeitet eine Choreografie.“ Und der größte Spaß ist für sie, „dass man das Publikum miteinbezieht“. Barbershop ist immer auch Show.
Der Transport der Chortreppe bereitet dem Ensemble Sorgen
Dafür haben sie eine Chortreppe. Die sei „unabdingbar“, sagt Chorleiterin Meise. Nicht nur, damit man die Sängerinnen besser sieht, sondern vor allem hört. Doch seit der Lagerraum der Berufsschule für den Katastrophenschutz benötigt wird, stehen sie vor einem schwerwiegenden Problem: Neun Module, jedes 40 bis 60 Kilogramm schwer, plus Geländer und Zusatzelemente – das kann man nicht jedes Jahr aus einer Halle in Prittlbach in die Berufsschule hinüberkarren. Dafür braucht man außerdem ein Fahrzeug mit Anhänger und den entsprechenden Führerschein. Den haben immer weniger Leute.
Die Songs müssen an diesem Abend ohne Treppe geprobt werden. Bis zum Auftritt bei ihrem ersten großen Jubiläumskonzert im Dachauer Thoma-Haus muss alles perfekt sitzen. Aber bei den großen Wettbewerben haben sie das ja auch immer hinbekommen, Noten und Texte gehen irgendwann in Fleisch und Blut über. „Da kann man uns nachts schütteln und rütteln“, sagt Sabrina Quint. „Du stehst auf und singst.“ Die großen Erfolge sind dabei gar nicht so wichtig. Jeder freue sich auf den internationalen Wettbewerb, den anderen zu zeigen, was man einstudiert hat, erzählt Hannelore Rieger. „Und dann gewinnt halt einer.“ Und freut sich mit ihnen. „Die ganze Welt verschmilzt in dieser einen Art von Musik.“
Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
„Habt uns gern“: Jubiläumskonzert der A Cappella Company Dachau am Samstag, 29. November, im Ludwig-Thoma-Haus. Das Abendkonzert ist bereits ausverkauft. Für das Nachmittagskonzert (Beginn 15.30 Uhr, Einlass 14.30 Uhr) sind noch Tickets verfügbar. Vorverkauf in der Buchhandlung Subtext (Sparkassenplatz 4, Dachau) oder online unter: www.acappellacompany.de.





















