Eishockeyverein und CSU Memmingen: Angeklagter zweigt Geld ab und entschuldigt sich vor Gericht – Bayern | ABC-Z

Der Angeklagte ist geständig, er will den Schaden von 342 000 Euro zurückzahlen. Aber es ist ihm in der Verhandlung am Amtsgericht Augsburg auch wichtig, sich persönlich an all die Menschen zu wenden, die er hintergangen hat. Zahlreich sitzen die Zuschauer in Saal 141 des Strafjustizzentrums. „Ich kann nur unterstreichen, dass es mir furchtbar leidtut, ich habe gerade den Eishockeyverein durch mein Handeln an den Rand des Endes gebracht.“ Auch bei der CSU und „bei allen Freunden“, die er persönlich so enttäuscht habe, wolle er sich entschuldigen. „Mir ist klar, dass viele die Entschuldigung nicht annehmen werden.“
Vom ECDC Memmingen, vom CSU-Kreisverband Memmingen sowie von einem Fanclub des TSV 1860 München hat der Angeklagte als Präsident und Schatzmeister Geld abgezweigt und Urkunden gefälscht, um Zahlungen zu verschleiern. Eine Privatperson hat er um 30 000 Euro angepumpt, die er nicht zurückzahlen konnte. Und alles, um seinen hohen Lebensstandard, den er sich über die Jahre erarbeitet hatte, halten zu können, als seine Geschäfte in der Immobilienfinanzierung während der Corona-Jahre schlecht liefen. „Eine Spirale“, sagt der Richter, der in seinem Urteil eine Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt, ausgesetzt zur Bewährung.
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Der ECDC Memmingen ist kein kleiner Verein. Die Männer des Eishockeyclubs spielen in der dritten Liga, die Frauen sind in den vergangenen zehn Jahren sechsmal Deutscher Meister geworden. Dennoch schaffte es der Angeklagte, den Verein von 2021 bis 2024 um 252 000 Euro zu bringen. Mit alleiniger Kontovollmacht ausgestattet, gab er bei vermeintlich anstehenden Überweisungen des Vereins an die Berufsgenossenschaft oder an eine Sportagentur die Iban seines Privatkontos an. Zweimal fälschte er Urkunden, um Zahlungen zu verschleiern und buchte wieder Beträge zurück – was wohl dazu führte, dass Vorstandskollegen den Überblick verloren.
Auch beim CSU-Kreisverband, wo er als Schatzmeister über Kontovollmachten verfügte, überwies er sich selbst Geld, buchte dann wieder Geld zurück, sodass am Ende ein Schaden von 30 000 Euro blieb. Der Schaden beim Sechzger-Fanclub beträgt knapp 2000 Euro.
Der 57-Jährige, vorbestraft unter anderem wegen Steuerhinterziehung und Insolvenzverschleppung, habe versucht, Löcher zu stopfen, indem er auf anderen Konten andere Löcher aufriss, erläutert sein Verteidiger. Bis den Geschädigten auffiel, dass Geld fehlt, sie die Polizei einschalteten und Ermittler schließlich im August 2024 Büro und Wohnung des Angeklagten durchsuchten. „Da ist ihm eine Last von den Schultern gefallen.“
Diesen Satz hört man auch vom leitenden Kriminalbeamten, der als Zeuge vor Gericht attestiert, dass der Angeklagte bereits bei der Durchsuchung seiner Wohnung alle Unterlagen bereitstellte und ohne Umstände Passwörter herausrückte. „Seitdem versuche ich die Schäden auszugleichen“, sagt der 57-Jährige. Was ihm durch Immobilienkäufe auch gelingen könnte: Er ist Eigentümer von vier Wohnungen, aus dem Verkauf rechnet er mit Einnahmen von mindestens 250 000 Euro, vielleicht sogar in Höhe der gesamten Schadenssumme von 342 000 Euro.
Er war auf der Suche nach Anerkennung, sagt ein Gutachter
Die Wohnungen hätte er schon früher verkaufen können, um seine Verbindlichkeiten zu bedienen. Er habe jedoch gedacht, sagt der Angeklagte, dass er das abgezweigte Geld nach einem Rechtsstreit schnell zurückzahlen könne – das Verfahren jedoch zog sich. Er habe sich damals als Geschäftsführer einer Berliner Firma für Immobiliensanierungen einsetzen lassen. Die Firma aber, das habe er zu spät erkannt, habe große Probleme gehabt. Daraus ergaben sich unter anderem Steuerschulden, die er nicht bedienen konnte – und die er mit dem abgezweigten Geld vom Eishockeyverein zwischenfinanzieren wollte. „Ich bin hier leider den falschen Weg gegangen.“
Dabei hatte sich der Angeklagte ein gutes Leben aufgebaut. In Weimar geboren, kam er gleich nach der Wende für eine Banklehre nach Memmingen. 1998 machte er sich als Finanzberater selbständig. Beim Eishockeyverein war er in den Neunzigerjahren Gründungsmitglied. Er habe immer, sagt im Verfahren ein Facharzt für Psychiatrie und Neurologie als Gutachter, viel Anerkennung gesucht und durch seine vielfältigen Aktivitäten gefunden. Man könne sein Selbstbild toxisch nennen.
Der Angeklagte sei „intelligent, geistig wendig und anstrengungsbereit“. Mit dem Stress aufgrund der Schulden kam er aber offenbar nicht gut zurecht. Von 2022 an schnupfte er öfter Kokain. Der Angeklagte habe sich, so führt es der Gutachter aus, dadurch fitter gefühlt. Auch den Drogenkonsum beendete der 57-Jährige mit Antritt seiner kurzen U-Haft im August vergangenen Jahres.
Inzwischen lebt der Angeklagte wieder in München, hat einen Job bei einer Hausverwaltung gefunden. Er hat sein Auto verkauft und sich eine kleine Wohnung genommen, um Kosten zu sparen und seine Schulden zurückzahlen zu können. Vor der Urteilsverkündung geht er auf frühere Mitstreiter aus dem Eishockeyverein zu, reicht ihnen die Hand und entschuldigt sich noch einmal im Zwiegespräch. Einige nehmen die Entschuldigung an.





















