Geopolitik

Israelpolitik : Israels letzte Freunde | ABC-Z

Seit einiger Zeit klingt Friedrich Merz deutlich kühler, wenn er über seinen israelischen Amtskollegen spricht – und erheblich hitziger als früher, wenn er mit Benjamin Netanjahu selbst redet. Beim letzten Telefonat der beiden am vergangenen Sonntag soll Merz nicht nur “große Sorge” über die Situation der Zivilbevölkerung in Gaza geäußert haben, sondern auch recht unverhohlenen Unmut darüber, dass die israelische Regierung ihre Versprechen nicht einhalte, die Situation der Menschen in Gaza zu verbessern. Merz hatte sich mit den Regierungschefs Frankreichs und Großbritanniens abgestimmt. Dass Israel danach zum ersten Mal wieder Hilfskonvois passieren ließ, hält man im Kanzleramt für einen deutsch-europäischen Erfolg.

Zwei Jahre zuvor hatte Merz noch anders geklungen. “Die Freundschaft zwischen Israel und Deutschland ist etwas Besonderes”, versicherte der damalige deutsche Oppositionsführer Anfang März 2023 dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu in Israel. Wenige Monate später lud er Netanjahu nach Deutschland ein, trotz eines inzwischen bestehenden Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs. “Abwegig” sei die Vorstellung, ein israelischer Regierungschef könne nicht nach Deutschland reisen, sagte Merz, man werde “Mittel und Wege” finden.

Heute muss er Mittel und Wege finden, dem deutschen Dilemma zu entgehen, das nun auch sein eigenes als Bundeskanzler ist: Wie kann man das Versprechen halten, an der Seite Israels zu stehen und nicht gleichzeitig international ins Abseits zu geraten? Wie kann man dem Existenzrecht Israels gerecht werden, aber auch dem Recht auf Leben der Palästinenser? Fast zwei Jahre nach dem Massaker des 7. Oktober, Zehntausende Tote später, darunter auch vergewaltigte und getötete israelische Geiseln, stellt sich die Frage mit nie gekannter Härte.

Am vergangenen Montag tagte das Bundessicherheitskabinett, eine Runde der Minister, die mit sicherheitsrelevanten Themen befasst ist, Merz hatte es einberufen, um über die Lage in Gaza und die deutsche Position zu beraten. Am Abend kündigte er an, Deutschland werde sich in Kooperation mit Jordanien, Frankreich und Großbritannien an einer Luftbrücke nach Gaza beteiligen. Merz schaute ernst drein: “Israel muss die katastrophale humanitäre Situation in Gaza sofort umfassend und nachhaltig verbessern. Israel muss der leidenden Zivilbevölkerung schnell, sicher und ausreichend humanitäre und medizinische Hilfe zukommen lassen.”

Deutschland erhöht den Druck auf Israel, das sollte die Botschaft sein. Die Wende in der Gaza- und Israelpolitik, die sich viele von der Bundesregierung erhofft hatten, war es nicht.

Gaza ist ein Thema, das die Gesellschaft spaltet

Weder zu einem Stopp von Waffenlieferungen entschied sich die Bundesregierung noch zu einer Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens oder gar zu Sanktionen gegen einzelne israelische Regierungsmitglieder. Über all das war nachgedacht worden. Merz erklärte, man behalte sich entsprechende Maßnahmen vor.

Erwartungen auf einen deutlicheren Kurswechsel hatte der Kanzler selbst geweckt, als er im Mai bei der Digitalkonferenz re:publica zum ersten Mal andere Töne gegenüber Israel angeschlagen hatte. “Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen”, hatte er da gesagt. Und: “Wenn Grenzen überschritten werden, wo einfach das humanitäre Völkerrecht jetzt wirklich verletzt wird, dann muss auch Deutschland, dann muss auch der deutsche Bundeskanzler dazu etwas sagen.”

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