Satellit Sentinel-1D: Blick auf Erdbeben und Eisberge | ABC-Z

Die Raumfahrer müssen auf das Wetter auf der Erde achten. Der Himmel ist blau, aber das müsste nicht unbedingt so sein, viel wichtiger ist der Wind in den oberen Schichten der Atmosphäre, wie Thomas Ormston sagt. Mit seinem Team betreut er im Raumfahrtkontrollzentrum der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) in Darmstadt den Start des Satelliten Sentinel-1D.
Aus Kourou in Französisch-Guyana hat Ormston am frühen Dienstagabend gute Nachrichten erhalten. Das Wetter ist günstig, auch in großer Höhe. So herrschen beste Bedingungen für den Start der europäische Rakete Ariane-6, die den Satelliten in die Umlaufbahn der Erde tragen soll. Das Abheben auf dem europäischen Raumfahrtbahnhof in Südamerika ist für 22 Uhr geplant. Bis dahin haben die Fachleute der ESA noch genug Zeit, den Gästen, die zur Übertragung des Raketenstarts an den Standort in Darmstadt eingeladen sind, zu erklären, warum es sich lohnt, Hunderte Millionen Euro an Steuergeld für den künstlichen Himmelskörper auszugeben.
Sentinel-1D wird in einer Höhe von 693 Kilometern die Erde umkreisen und dabei deren Oberfläche einschließlich der Ozeane mit Radar überwachen. So werden Landverformungen und Erdbeben erkannt. Auf den Bildern des Satelliten kann der Weg von Eisbergen über das Meer ebenso nachverfolgt werden wie der von Ölteppichen, die entstehen, wenn Schiffe ihre Tanks auf hoher See ausspülen, wie Simonette Cheli sagt, Direktorin des Erdbeobachtungsprogramms der ESA.
Auch der Schiffsverkehr kann überwacht werden, weil die Auflösung der Aufnahmen so gut ist, dass einzelne Wasserfahrzeuge erkennbar sind. Weil die Radarwellen durch die Wolken dringen, wird in den nächsten Jahren sichtbar werden, wie schnell der tropische Regenwald etwa in Brasilien schrumpft.
ESA stellt Messdaten unentgeltlich zur Verfügung
Der gut zwei Tonnen schwere Satellit allein kostet 300 Millionen Euro, wie Nicolaus Hanowski, Leiter des Missionsmanagements der ESA, sagt. Dazu kommen nach seinen Worten noch einmal 100 Millionen Euro für den Start. Dagegen fallen die laufenden Ausgaben für den Flugbetrieb, der im Kontrollzentrum in Darmstadt überwacht wird, nicht so stark ins Gewicht; dieser kostet nur wenige Millionen im Jahr, wie der Fachmann sagt. Viel mehr Geld wird aufgewendet, um die von dem Satelliten gesammelten Daten auszuwerten.
Die ESA stellt alle Informationen dieses und ihrer anderen Satelliten unentgeltlich zur Verfügung – für wissenschaftliche und kommerzielle Zwecke, für jeden, der sie nutzen will. Die Aufbereitung der Daten aller Satelliten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms, ihre Präsentation auf Plattformen und der Schutz vor Cyberangriffen kostet Hanowski zufolge 300 bis 400 Millionen Euro im Jahr.

Der neue Satellit Sentinel-1D ist einer von elf aus der Sentinel-Familie und ersetzt einen Vorläufer, der im Jahr 2014 gestartet worden war. Diese Satelliten dienen alle der Erdbeobachtung und nehmen den Planeten mit unterschiedlichen Instrumenten in den Blick, etwa mit optischen Kameras und Wärmebildkameras. Auch die Zusammensetzung der Atmosphäre wird erfasst, so dass die Luftverschmutzung gemessen werden kann.
In diesem und dem vergangenen Jahr hatte die ESA zwei weitere Missionen begonnen. Der Satellit Earthcare untersucht mit Radarwellen und anderen Instrumenten die Wolken und ihren Einfluss auf das Klima. Biomass erfasst aus der Umlaufbahn mit seinem Radar die Wälder und sammelt Daten dazu, wie viel Kohlenstoff in den Bäumen gebunden ist.
Der Start der Rakete in Kourou, der um 22.02 Uhr auf den Bildschirmen in Darmstadt zu sehen ist, gelingt auf die Minute genau wie geplant. Doch dieser Anblick lässt die Fachleute der ESA noch nicht jubeln. Für sie kommt der entscheidende Moment erst mehr als eine Stunde später, nämlich als der Satellit sich mit einem Funksignal zur Erde meldet.
Die europäischen Kollegen können um 23.22 Uhr aufatmen – weil sie mit dem Signal die Bestätigung erhalten, dass ihr neuer Flugkörper heil im Weltraum angekommen ist und funktioniert. „We have a mission“, heißt es im Kontrollzentrum in Darmstadt voller Erleichterung.





















