Rente mit 69: Bas weist Forderung nach späterem Rentenbeginn zurück | ABC-Z

In der Debatte um einen späteren Rentenbeginn erhält Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) für ihre Forderung nach einer längeren Lebensarbeitszeit Zustimmung von dem Wirtschaftsweisen Martin Werding. “Auch wenn es unpopulär ist – wir müssen länger arbeiten”, sagte Werding der Rheinischen Post.
In den 1960er-Jahren hätten die Menschen im Schnitt zehn Jahre lang
Rente bezogen, heute liege die Dauer bei 20 Jahren, sagte Werding. Hinzu komme, dass
nun die Babyboomer in Ruhestand gingen, diese zugleich aber zu wenig
Kinder bekommen hätten.
Bis 2031 steigt die Regelaltersgrenze in Deutschland auf 67 Jahre. “Danach darf nicht Schluss sein”, sagte Werding. Der Professor für Sozialpolitik schlägt deshalb vor, dass es eine an die Lebenserwartung gebundene Erhöhung geben solle: “Zwei Drittel der zusätzlichen Lebenszeit gehen in Arbeit und ein
Drittel in den Ruhestand.” Das würde bedeuten, dass alle
zehn Jahre die Regelaltersgrenze um sechs Monate steige. “Ab 2050 gäbe
es dann die Rente mit 68 Jahren, ab 2070 mit 69 Jahren.”
Werding fordert darüber hinaus höhere Abschläge, wenn jemand vor dem gesetzlichen
Renteneintrittsalter Rente beziehen will. Die 3,6 Prozent Abschlag pro
Jahr seien zu niedrig. “Versicherungsmathematisch korrekt wären
Abschläge zwischen fünf und sieben Prozent.” Auch die Witwenrente stellte er infrage. “Unter Anreizaspekten wäre es gut, wenn die Witwenrente wegfällt. Frauen
können heute für sich selbst sorgen”, sagte der Wissenschaftler.
Allerdings bräuchten solche Reformen viel Vorlauf, damit die Menschen
sich darauf einstellen könnten.
Bas nennt Diskussion “Scheindebatte”
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas reagierte ablehnend. Sie bezeichnete die Diskussion über eine längere Lebensarbeitszeit als “Scheindebatte”.
Viele Menschen erreichten aus gesundheitlichen Gründen bereits das jetzige
Renteneintrittsalter nicht. “Für diese Menschen wäre das eine
Rentenkürzung”, sagte die SPD-Vorsitzende dem RedaktionsNetzwerk
Deutschland. “Wir müssen also erst mal dafür sorgen, dass die Leute länger gesund arbeiten können.” Sie sehe so nicht, dass die SPD dem Vorschlag zustimmen würde.
Bas hält auch nichts davon, die vorgezogene Rente
für langjährig Versicherte abzuschaffen. “Wer 45 Jahre geackert hat, für
den muss auch mal Schluss sein”, sagte die Ministerin. Mit Blick auf Reiches Vorschlag sagte sie: “Wer gleichzeitig über eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit und die
Abschaffung der Rente für langjährig Versicherte spricht, hat von der
Lebensrealität vieler Menschen keine Ahnung und macht ihnen Angst.”
Reiche hatte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in der vergangenen
Woche gesagt, die Lebensarbeitszeit müsse steigen. Der demografische
Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machten das
“unumgänglich”. Es könne “auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei
Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente
verbringen”. Was im Koalitionsvertrag an Reformen stehe, werde auf Dauer
nicht reichen.
Im Mai hatte bereits die Wirtschaftsweise Veronika Grimm eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die höhere Lebenserwartung
gefordert. Auch Monika Schnitzler, die Vorsitzende des Sachverständigenrates, fordert eine umfassende Rentenreform. Mehrere SPD-Politiker hatten dagegen die Forderung nach einem späteren Renteneintritt abgelehnt, auch von Grünen und der Linkspartei gab es Kritik.