Militärausgaben steigen – Deutschland führt in Europa | ABC-Z

Berlin. Die Militärausgaben legten voriges Jahr weltweit um zehn Prozent zu – in Deutschland aber noch viel stärker. Die Gründe und Trends.
Ukraine-Krieg, Nahostkonflikt und neues Wettrüsten der Großmächte: Die Militärausgaben steigen weltweit massiv an, im vorigen Jahr um fast zehn Prozent. Deutschland legt dabei überraschend stark zu: Es zählt mit Militärausgaben von rund 90 Milliarden Euro im vorigen Jahr erstmals zu den Top Fünf der Staaten weltweit – hinter den USA, China und Russland auf Platz vier, noch vor Indien. Das geht aus einem neuen Bericht des renommierten Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri für das Jahr 2024 hervor. Der Bericht wird am Montag veröffentlicht und lag unserer Redaktion vorab vor.
Demnach erhöhten sich die Militärausgaben in Deutschland voriges Jahr um 28 Prozent, getrieben von Investitionen, die aus dem Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden Euro finanziert werden. Eingerechnet sind in den Sipri-Daten auch die Rüstungshilfen für die Ukraine, die sich in Deutschland voriges Jahr auf rund 7 Milliarden Euro beliefen.
Ein Kampfpanzer Panther KF51 des Rüstungskonzerns Rheinmetall steht im Rheinmetall-Werk Unterlüß in Niedersachsen. In Deutschland sind die Militärausgaben im vergangenen Jahr stark angestiegen.
© picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte
Der Sipri-Bericht beziffert die deutschen Militäraufwendungen auf insgesamt 88,5 Milliarden Dollar, nach neuesten Nato-Daten sind es 91 Milliarden Euro. Deutschland ist damit jetzt in Mittel- und Westeuropa der Staat mit den höchsten Verteidigungsausgaben – „das erste Mal seit der Wiedervereinigung“, sagte Sipri-Rüstungsforscher Lorenzo Scarazzato. Eine Zeitenwende in Europa: Bisher lag Großbritannien und lange Zeit auch Frankreich vor Deutschland.
Auch interessant

Weltweite Militärausgaben steigen auf 2,7 Billionen Dollar
Im Vergleich zum Jahr 2015 beträgt die Steigerung der deutschen Verteidigungsaufwendungen sogar 89 Prozent. „Die jüngsten politischen Entscheidungen in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten legen nahe, dass Europa eine Periode hoher und wachsender Militärausgaben begonnen hat, die wahrscheinlich in der vorhersehbaren Zukunft anhalten wird“, sagte Scarazzato.
Insgesamt erhöhten die Staaten weltweit ihre Militärausgaben voriges Jahr um 9,4 Prozent auf 2,718 Billionen Dollar, der stärkste Anstieg seit Ende des Kalten Krieges vor fast vier Jahrzehnten. Der Anteil der globalen Militärkosten am weltweiten Bruttosozialprodukt (BIP) liegt damit nun bei 2,5 Prozent – Deutschland erreicht aktuell etwa zwei Prozent des BIP, so viel wie die Nato ihren Mitgliedstaaten als Mindestziel vorgibt.

Zwei F35 Kampfflugzeuge des Herstellers bei einem Flug zur Edwards Air Force Base in den USA: Die Nato schreibt ihren Mitgliedern vor, zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren.
© DPA Images | Tom Reynolds
Die gesellschaftlichen Folgen der Aufrüstung würden in vielen Ländern erst in den nächsten Jahren sichtbar, betonte Sipri-Forscher Xiao Liang. Die erhöhten Ausgaben gingen oft auf Kosten anderer Bereiche mit entsprechenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen.

Militärausgaben: USA weitem Abstand auf Platz eins
Auf Platz eins liegen mit weitem Abstand die USA, auf die 37 Prozent der weltweiten Militärausgaben (997 Milliarden Dollar) entfallen – die Vereinigten Staaten tragen damit auch zwei Drittel der Nato-Ausgaben. Die US-Regierung noch unter dem damaligen Präsidenten Joe Biden erhöhte die Ausgaben voriges Jahr um 5,7 Prozent. Die zusätzlichen Gelder flossen laut Sipri in die Modernisierung der Rüstungskapazitäten, auch in die des Atomwaffen-Arsenals – so wollten die USA ihren strategischen Vorteil gegenüber Russland und China zu bewahren, heißt es in dem Bericht. Dahinter liegt China mit 314 Milliarden Dollar an Militärausgaben.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik – meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Die russische Regierung steigerte vor allem wegen ihres Angriffskriegs gegen die Ukraine die Ausgaben um 38 Prozent auf 149 Milliarden Dollar. Damit habe sich der Vorsprung zur Ukraine, die 64, 7 Milliarden Dollar für ihr Militär aufwendete, weiter vergrößert, bilanzieren die Sipri-Wissenschaftler. China zeichnet für die Hälfte aller Militärausgaben in Asien und Ozeanien verantwortlich, auch wegen der Investitionen in Cyberkriegs-Fähigkeit und den Aufbau seine Atomwaffen-Arsenals. Sipri verweist darauf, dass es wegen des beschränkten Zugangs zu Daten in Russland und China in beiden Fällen nur um Schätzungen der Aufwendungen handelt.

Russland hat seine Militärausgaben um 38 Prozent gesteigert.
© AFP | ALEXANDER NEMENOV

Die starken Steigerungen in Deutschland und Europa seien vor allem getrieben durch die anhaltende Bedrohung durch Russland und durch die Sorgen über einen mögliche Verringerung des US-Beitrags innerhalb der Nato. Doch warnte Sipri-Forscher Jade Guiberteau Ricard: „Der Schub bei den Ausgaben allein wird nicht unbedingt zu deutlich größeren Militärkapazitäten oder Unabhängigkeit von den USA führen.“ Diese Aufgaben seien wesentlich komplexer. Erst vor wenigen Wochen hatte ein Sipri-Bericht gezeigt, dass die europäischen Staaten in den vergangenen fünf Jahren zwei Drittel ihrer Rüstungsaufträge an US-Konzerne vergeben hatten – obwohl es die EU zum Ziel erklärt hat, die europäische Rüstungsindustrie zu stärken.
Polen und Schweden legen stark zu
In Europa steigerte Polen seine Ausgaben voriges Jahr um 31 Prozent, Schweden sogar um 34 Prozent, so stark wie kein anderes EU-Land. Polen rüstet massiv auf, es will bald über die größte Landarmee Europas verfügen. Dafür steckte die Regierung in Warschau voriges Jahr 38 Milliarden Dollar in die Verteidigung, das entspricht 4,2 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung – was Spitze in der Nato ist. Global liegt Polen damit im Sipri-Ranking auf Platz 13. Großbritannien rangiert auf Platz 6, Frankreich auf Platz 9.
Auch interessant

Für den krisengeschüttelten Nahen Osten registriert der Sipri-Bericht einen Anstieg der Militärausgaben um 15 Prozent auf 243 Milliarden Dollar. Geschuldet ist dies vor allem der Entwicklung in Israel (plus 65 Prozent auf 46,5 Milliarden Dollar) nach dem Hamas-Terrorangriff und dem Gaza-Krieg. Aber entgegen der verbreiteten Erwartungen hätten viele Staaten in Nahost ihre Ausgaben nicht massiv erhöht, teilweise auch wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten, sagte Sipri-Forscher Zubaida Karim. Irans Militäraufwendungen gingen voriges Jahr sogar um zehn Prozent zurück.