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Schulschiff kollidiert mit Brooklyn Bridge – Panorama | ABC-Z

Wäre alles nach Plan verlaufen, dann hätte das Segelschiff Cuauhtémoc Samstagnacht von Pier 17 an der Waterfront von Manhattan ablegen und den New Yorker Hafen in Richtung Süden verlassen sollen. Aufs offene Meer hinaus. Reykjavík, Island, war wohl das nächste Ziel des Ausbildungsschiffes der mexikanischen Marine. Die Brooklyn Bridge liegt von Pier 17 aus nicht auf dieser Route.

Es wird jetzt, nach dem fatalen Brücken-Crash mit Toten und Schwerverletzten, zu untersuchen sein, weshalb die Cuauhtémoc kurz nach 20.30 Uhr Ortszeit in die falsche Richtung fuhr. Nämlich ein kleines Stück nach Norden, den East River hinauf, in Richtung der Brücke. Das konnte nicht gut ausgehen. Denn die Brooklyn Bridge, die berühmteste Hängebrücke von New York, hat eine offiziell genehmigte Durchfahrhöhe von knapp 39 Metern. Der Mast der Cuauhtémoc ist aber über 48 Meter hoch.

Menschen, die am Samstagabend im Brooklyn Bridge Park auf der anderen Seite des East River unterwegs waren, hatten den Eindruck, ein scheinbar führungsloses Geisterschiff treibe auf sie zu. Dabei waren 277 Menschen an Bord. Auf Handyvideos, die im Netz geteilt wurden, ist ein mit Lichterketten festlich geschmückter Dreimaster zu sehen, ganz vorne weht eine große mexikanische Nationalflagge. Man hört noch, wie von Bord die Klänge eines Militärmarschs herüberwehen, bevor die Musik von ungläubigen Schreien übertönt wird. „Oh, nooo!“

Als das Schiff die Brücke passiert, knicken alle drei Segelmasten hintereinander ab – als ob es Streichhölzer wären.  Oben auf der Brücke sind zu diesem Zeitpunkt Autos und Fußgänger zu sehen. Das Schiff schaukelt gewaltig hin und her, aber es kentert nicht und kommt schließlich am belebten Brooklyner Ufer zum Stehen.

Gemessen daran, was alles hätte passieren können, ist diese Kollision vermutlich noch halbwegs glimpflich ausgegangen. New Yorks Bürgermeister Eric Adams eilte noch am Samstagabend zur Unfallstelle und gab anschließend in einem Pressestatement bekannt, dass nach ersten Erkenntnissen offenbar der Antrieb des Schiffs ausgefallen sei. Eine umfassende Untersuchung des National Transportation Safety Board stehe aber noch aus. Bei dem Unfall sind laut Adams zwei Menschen gestorben und mindestens 19 weitere verletzt worden (andere Quellen sprechen von 22 Verletzten). Dabei handelte sich offenbar allesamt um Mitglieder der Schiffscrew. Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum dankte Adams für die Zusammenarbeit und sicherte den Familien der verstorbenen Marinesoldaten ihre Solidarität und ihre Unterstützung zu.

Die 1883 eröffnete Brooklyn Bridge ist eines der Wahrzeichen von New York. Sie gilt als Meisterwerk des Ingenieurs John A. Roebling, der im thüringischen Mühlhausen geboren wurde. Die Brücke schaffte Ende des 19. Jahrhunderts eine Verbindung zwischen Manhattan und dem damals noch nicht eingemeindeten Brooklyn. Roebling selbst hat sie nie im fertigen Zustand zu sehen bekommen. Im Juli 1869, während der Vermessungsarbeiten für einen der ikonischen Brückenpfeiler, wurde sein Fuß von einer Fähre eingequetscht. Roebling starb wenig später an einer daraus resultierenden Tetanus-Infektion. Sein Sohn übernahm dann die Leitung der 14 Jahre dauernden Bauarbeiten.

Im Gegensatz zu dem Brückencrash von Baltimore im vergangenen Jahr, als ein Containerschiff einen Pfeiler rammte und die gesamte Konstruktion zum Einsturz brachte, hat die Brooklyn Bridge am Samstagabend offenbar keinen bleibenden Schaden genommen. Das gab das Department of Transportation von New York City nach einer ersten Inspektion bekannt. Der Verkehr auf der Brücke wurde zunächst in beide Richtungen gesperrt, aber noch vor Mitternacht wieder freigegeben.

Die Cuauhtémoc, Baujahr 1982, ist als Ausbildungsschiff der „Heroica Escuela Naval Militar“ Mexikos auf den Weltmeeren unterwegs. Am 6. April stach sie von Acapulco aus in See mit dem Ziel, den „Geist der Seefahrt“ zu stärken sowie „die Botschaft des mexikanischen Volkes von Frieden und gutem Willen“ in die Häfen der Welt zu bringen. Das hat im Fall des Hafens von New York nur bedingt geklappt. Der Geist der mexikanischen Marine wird nun bis auf Weiteres mit dem Crash der Brooklyn Bridge in Verbindung gebracht werden.

Allerdings kam es dort in der Nacht zum Sonntag auch zu rührenden Szenen und Solidaritätsbekundungen. An Pier 16, wo die verletzten und verwundeten Besatzungsmitglieder von den Rettungskräften an Land gebracht wurden, hatte sich gegen Mitternacht eine stattliche Menge von New Yorkern an der Waterfront versammelt. Die Matrosen trugen weiße Hosen und schwarz-weiß gestreifte Oberteile. Manche hatten den Arm in einer Schlinge oder einen Verband um den Kopf gebunden. Jedes Mal, wenn jemand von den Überlebenden zu sehen war, brach in der Menge Jubel aus. „Mexiko! Mexiko!“, skandierten die Leute in Amerika.

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