Der Mann für hohe Töne – Das ist ESC-Sieger JJ aus Österreich | ABC-Z

Berlin. Johannes Pietsch alias JJ hat den ESC mit „Wasted Love“ für Österreich gewonnen. Wer ist der Mann, der singt wie ein Opernstar?
Für ihn war es wohl die Nacht seines Lebens: JJ, Österreichs Vertreter beim Eurovision Song Contest, hat den Wettbewerb für sein Heimatland gewonnen. Er ist jung, klassisch ausgebildet – und wohl einer der ungewöhnlichsten Kandidaten, die die Alpenrepublik je zum ESC geschickt hat. Denn Johannes Pietsch, wie der 23-Jährige mit bürgerlichem Namen heißt, ist Countertenor. Er hat eine Stimme, so hoch und schwebend, dass man sie eher in barocken Arien vermuten würde als im grellen Scheinwerferlicht des ESC. Und doch hat er dort einen Nerv getroffen..
Die Wahl für JJ als Österreichs ESC-Act viel einstimmig
Für den ESC ausgewählt wurde der Wiener mit philippinischen Wurzeln in einem internen Auswahlverfahren, das Österreich seit 2017 durchführt: Eine Jury aus Musikexpertinnen und -experten sowie eingefleischten ESC-Fans entschied sich einstimmig für JJ. Nicht nur wegen seines Talents – sondern auch wegen des Kontrasts, den er verkörpert. JJ ist kein glattpolierter Chart-Pop-Import. Er ist der Bruch mit den Erwartungen.
Der gebürtige Wiener wuchs in Dubai auf. Dort lernten sich seine Eltern, ein österreichischer Informatiker und eine philippinische Köchin, kennen. Musik gehörte für ihn zum Alltag: Jedes Wochenende veranstalteten die Eltern zu Hause Karaoke-Abende – das Wohnzimmer als erste Bühne.
Mit elf Jahren dann das Schlüsselerlebnis: ein Opernbesuch mit den Großeltern. Die Kraft der Stimme, die Tiefe der Bühne – da bewegte sich etwas in JJ, das blieb. Fortan brachte er sich selbst das Singen bei, autodidaktisch, mit YouTube als Lehrer, das eigene Ohr als Kompass.
Das Beste am Sonntag
Die besten Geschichten der Woche – exklusiv ausgewählt von Birgitta Stauber.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Heute, mit 23, ist JJ zurück in Wien – an der Musik und Kunst Privatuniversität (MUK), wo er klassischen Gesang studiert. Inzwischen steht er regelmäßig auf der Bühne der Wiener Staatsoper. Auf ein Genre hat er sich dennoch nie festlegen lassen. Die Popwelt kennt ihn bereits: Bei „The Voice UK“ beeindruckte er ebenso wie in der österreichischen Show „Starmania“. Nun folgte der ESC-Sieg als Höhepunkt.
Auch interessant
Österreich beim ESC 2025: Das ist JJs Lied „Wasted Love“
JJs ESC-Beitrag „Wasted Love“ beginnt wie ein Wiegenlied: zart, verletzlich, fast flüchtig. Doch kaum hat man sich an den sanften Ton gewöhnt, hebt die Stimme ab, durchschneidet die Stille mit barocker Anmut, schraubt sich in Koloraturhöhen, um kurz darauf wieder auf dem Boden zu landen – im Pop, in pulsierender Elektronik, im Rausch. Was bei anderen wie ein überambitionierter Stilbruch wirken würde, funktioniert bei JJ mit verblüffender Selbstverständlichkeit.
Der Text erzählt von einer Liebe, die sich selbst verliert – unerwidert, unrettbar. Im Musikvideo setzt JJ ein kleines Papierschiff aufs offene Wasser, wo es langsam versinkt. Ein Symbol des Scheiterns. Und doch endet der Song nicht in Melancholie, sondern in einem triumphalen Crescendo – als würde sich der Schmerz der Zurückweisung in neue Stärke verwandeln.
Entstanden ist „Wasted Love“ in Zusammenarbeit mit dem Klagenfurter Produzenten Thomas Turner und Teya, die 2023 selbst für Österreich beim ESC auf der Bühne stand. Gegenüber dem österreichischen Radiosender Ö3 beschrieb JJ das Ergebnis vor dem ESC schmunzelnd als „ganz wild – und viel Drama“. Die Pop-Passagen seien von Mariah Carey und Ariana Grande inspiriert, die Opernlinien von Maria Callas und Anna Netrebko. Und der Techno-Teil? „Den“, sagt JJ augenzwinkernd, „musste ich mir einfach ausdenken“. Für die visuelle Umsetzung zeichnete Sergio Jaén verantwortlich, jener Bühnenkünstler, der 2024 Irlands „Doomsday Blue“ in eine düstere Popoper verwandelte und das Land auf Platz 6 katapultierte.
Am Ende ging das Gesamtkonzept auf: JJ holte die meisten Jury-Punkte, der Sieg war ihm auch durch Platz vier im Televoting nicht mehr genommen werden. Es könnte der Start einer großen Karriere in zwei Welten sein: In der Klassik und im Pop.