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Bayern: Ex-CSU-Chef Huber wirbt für Koalition mit den Grünen – Bayern | ABC-Z

Solche Szenen dürften in der Geschichte der bayerischen Landespolitik einmalig sein: Ein ehemaliger CSU-Chef tritt bei der Grünen-Fraktion auf und wird von den Abgeordneten gefeiert wie ein Star. Es gibt „Bravo“-Rufe, Szenenapplaus und Selfies. Und als wäre all das nicht irritierend genug, stellt der CSU-Altvordere den Grünen auch noch eine Zusammenarbeit nach den kommenden Landtags- und Bundestagswahlen in Aussicht: „Ich glaube, dass wir ‘28 oder ‘29 froh sein werden über starke Grüne, mit denen wir koalieren können.“

Wie bitte?

Man muss an dieser Stelle vielleicht ein paar Dinge sortieren. Die bayerische Grünen-Fraktion hält ihre Herbstklausur in Passau ab. Die Abgeordneten wollen sich inhaltlich auf die kommenden Monate einstimmen. Zum Auftakt hat Fraktionschefin Katharina Schulze den früheren CSU-Parteivorsitzenden und gebürtigen Niederbayern Erwin Huber zu einer Diskussion über Heimat und Europa eingeladen. „Miteinander reden ist besser als übereinander“, sagt Schulze am Donnerstagvormittag im Gastraum eines Passauer Wirtshauses, als Erwin Huber tatsächlich mit ihr am Tisch sitzt.

Huber, Jahrgang 1946, hatte jahrzehntelang das, was Grüne in Bayern so gerne mal hätten: Macht. Er war CSU-Generalsekretär, Staatskanzleichef, Wirtschafts- und Finanzminister. 2007 folgte er Edmund Stoiber als CSU-Chef, hielt sich jedoch nur kurz: Nach dem schmerzhaften Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl 2008 sägte ihn die CSU ab. 2018 schied er aus dem Landtag aus und absolvierte ein Studium der Philosophie. Seitdem hat sich der 79-Jährige zum guten Gewissen der CSU entwickelt – oder zum Parteirebellen, je nach Blickwinkel.

„Ich war zunächst sehr überrascht“, sagt Huber nun über Schulzes Einladung per SMS. Er habe die Nachricht erst für einen Fake gehalten, sei dann aber neugierig geworden. „Ich wollte eine urbane, woke, invasive Art kennenlernen“, sagt er und erntet die ersten Lacher von den Grünen. Wobei er das gar nicht böse meine: Die Kartoffel sei in Niederbayern schließlich auch eine invasive Art.

Das Verhältnis zwischen den Grünen und der CSU gilt derzeit als belastet, vorsichtig formuliert. CSU-Chef Markus Söder attackierte die Öko-Partei vor der Landtagswahl 2023 und der Bundestagswahl im Februar massiv. Er zeichnete das Bild einer Verbotspartei, die das Land angeblich umerziehen und zwangsveganisieren wolle. Eine Koalition schloss er wieder und wieder aus.

Söders Vorgänger Erwin Huber will mit seinem Gastspiel bei den Grünen eine andere Botschaft senden: Er wolle „auch an der CSU-Basis das Feindbild korrigieren“, sagt er. Huber, der Friedensstifter? Als Aktiver verglich auch er Union und Grüne mal mit „Feuer und Wasser“. Doch angesichts des erstarkenden Rechtsextremismus in Deutschland und Europa müsse die politische Mitte Türen und Fenster offen halten, sagt Huber. „Die Gemeinsamkeit der Demokraten ist jetzt auf dem Prüfstand.“

Er hält die Verteufelung der Grünen auch für einen strategischen Fehler seiner Partei. Mit dem kompromisslosen Nein zu einer Koalition mit den Grünen habe sich Söder schon vor der Landtagswahl 2023 an die Freien Wähler gekettet. „Der Aiwanger redet wie die AfD, das kann nicht die Zukunft sein“, sagt Huber. „Ich möchte eigentlich nur, dass wir Optionen haben.“ Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage wackelt die Mehrheit von CSU und Freien Wählern im Freistaat. Eine schwarz-grüne Koalition hätte demnach eine Mehrheit in Bayern. Auch die Grünen liebäugeln deshalb seit geraumer Zeit mit einer Annäherung an die CSU. „Selbstverständlich arbeiten wir auch gerne mit Markus Söder zusammen“, sagt Katharina Schulze, schränkt aber ein, dass Söder sich klar zur AfD abgrenzen müsse. Die „Strategie des Kopierens ist krachend gescheitert“.

Bei den Freien Wählern, die parallel zu ihrer Herbstklausur in Bamberg zusammenkommen, lösen Erwin Hubers Einlassungen eine Trotzreaktion aus. „Das kann nur gut für uns ausgehen“, sagt Fraktionschef Florian Streibl über die schwarz-grünen Gedankenspiele. Er werde sich bedanken, wenn die FW bei der nächsten Wahl mehr als 20 Prozent erreichten. Aus der CSU kamen zunächst keine Reaktionen auf Hubers Grünen-Flirt.

Mit Blick auf die bayerischen Kommunalwahlen am 8. März 2026 warnt der Niederbayer vor einem weiteren Erstarken der AfD. Vergrößere sie ihre Basis in den Städten und Gemeinden, könne sie anschließend durch kommunale Kooperationen versuchen, „die Brandmauer zur AfD zum Einstürzen zu bringen“. Bislang lehnt die CSU eine Zusammenarbeit mit der Rechtsaußen-Partei ab und Huber hat auch „keinen Zweifel“, dass das so bleibt. „Die Gefahr sehe ich, dass das durch unten unterlaufen wird“, sagt der Niederbayer jedoch. Durch eine Annäherung auf kommunaler Ebene könne die sogenannte Brandmauer auf Landes- oder Bundesebene ins Wanken geraten. Auch deshalb plädiert der CSU-Mann dafür, für Koalitionen mit den Grünen offen zu sein.

Im Gespräch mit Fraktionschefin Schulze und dem niederbayerischen Kabarettisten Martin Frank klingt Huber nicht selten, als fremdelte er mit seiner eigenen Partei. Früher proklamierte er, die CSU müsse „die Lufthoheit über den Stammtischen erobern“, heute warnt er vor dumpfem Populismus und radikalen Parolen. „Am Stammtisch kann nicht der Meister sein, der die dümmsten Sprüche hat, sondern der, der die vernünftigsten hat.“ Man müsse den Fakten wieder mehr Raum geben.

Auch beim Klimaschutz widerspricht er der von CSU-Chef Söder vorgegebenen Linie. Das von der EU von 2035 an geplante Zulassungsverbot für neue Verbrennerautos will Söder kippen, sein Vor-Vorgänger Huber sagt: „Wer nach 2030 noch einen Verbrenner kauft, der wird ein Verlierergeschäft machen.“

Kein Wunder, dass der Auftritt des CSU-Veteranen bei den Grünen Begeisterung auslöst. Am Ende der Veranstaltung muss man Huber dann aber doch diese Frage stellen: Ob er sich bei den Grünen nicht besser aufgehoben fühle als bei der CSU? Der 79-Jährige lächelt und winkt ab. „Die CSU ist meine Heimat.“

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