Kolumne So isst Politik: Osterschmaus im Abgeordnetenhaus | ABC-Z

Gründonnerstag, kurz vor zwölf, in der Kantine des Berliner Abgeordnetenhauses: „Mahlzeit“ – „Mahlzeit“, klingt es aus nur wenigen Kehlen. Viele Mitarbeiter sind in den Ferien. Trotzdem stehen drei Gerichte auf dem Speiseplan. Eines ist annonciert als „süß saure Eier mit Salzkartoffeln“. Das kann heutzutage als Festessen gelten, als der Braten des kleinen Mannes.
Denn Eier sind teuer geworden. Manche waren es schon immer – Kaviar –, doch das Hühnerei galt einmal als Volksfrühstück. Zeiten, in denen es an Eiern mangelte, waren auch ansonsten bitter. Kriegskochbücher empfahlen „Eierkuchen ohne Ei“ (1/4 l Selter, 100-125 g Mehl, Salz, Eigelbfarbe rasch zu einem Brei rühren und mit etwas Fett in der Pfanne braten). Immerhin, so weit ist es noch nicht. Alle Supermärkte führen Eier, und die Deutschen verschlingen sie, erst recht jetzt, an Ostern.
Eine „Eier-Krise“ auch in den USA
Doch die Preise sind in den vergangenen fünf Jahren um sage und schreibe 42 Prozent gestiegen. Das muss jede anständige Volkspartei beunruhigen; eierlos, als Volkspart, bliebe von ihr auch nicht viel. So stellte die SPD-Fraktion in Bayern kürzlich einen Dringlichkeitsantrag, Thema: „Mehr Eier für Bayern“. Die Landesregierung wurde aufgefordert, kundzutun, wie die Bayern vor zu hohen Eierpreisen geschützt werden könnten. Eine Subventionierung der Eierpreise müsse erwogen werden.
Führt Ministerpräsident Markus Söder, selbst kein Eierspeisenverächter, die Eierpreisbremse ein? Die Sozialdemokraten verweisen auch auf die eiertechnisch angespannte Lage („Eier-Krise“) in den USA. Nur jedes zweite Ei, das die Bayern verzehren, werde auch in Bayern produziert. Söder ist wie Trump auf Fremd-Eier angewiesen. Das macht die Sache heikel.
Aber gut, in der österlichen Zeit herrschen Hoffnung, ja, sogar Zuversicht. Selbst in Berlin. Das Eiergericht kostet in der Kantine des Abgeordnetenhauses für Gäste gerade einmal fünf Euro – jeder darf dort hinein. Geschenkt, dass die angekündigten Salzkartoffeln tatsächlich Kartoffelstampf sind. Dafür bietet eine freundliche Thekenkraft unverhofft „etwas Grünes dazu“ an. Gemeint sind Lauchzwiebelringe. „Eier auf der grünen Wiese“ tauft die Frau das so verschönerte Gericht spontan. Wobei die Wiese eher ein Fleckchen ist.
Die Eier wiederum wurden so hart gekocht, dass der Dotter den berüchtigten, mehlig-graugrünen Zustand erreicht, der in manchen Familien zu legendären Osterstreits führt. Spiegelt nicht das verkochte Ei die grundsätzliche Unsensibilität im Umgang mit dem, der es essen soll?
Doch zurück zur Zuversicht. Das Ei sättigt. Wer noch nachlegen will, findet am Snackstand bunt gefärbte Eier, Stück sechzig Cent. Wer sich Enttäuschungen ersparen will, greift zum Schokoladenei.