Jetzt Immobilie kaufen? Experte gibt wichtigen Ratschlag | ABC-Z

Die Bauzinsen sinken – lohnt sich jetzt der Immobilienkauf? Ein Profi gibt Tipps und verrät, wie sich böse Überraschungen vermeiden lassen.
Im April hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins erneut gesenkt – ein Signal, das Investoren und Immobilieninteressierte aufhorchen lässt. Florian Bauer, Geschäftsführer von Bauer Immobilien, erklärt im Interview, welche Folgen das für Bauzinsen und den Immobilienmarkt haben könnte. Dabei verrät der Experte, ob es jetzt sinnvoll ist, eine Immobilie zu kaufen oder ob Immobilieninteressent lieber warten sollten.
Herr Bauer, die EZB hat die Leitzinsen im April ein weiteres Mal gesenkt. Was erwarten Sie für die kommenden Entscheidungen?
Florian Bauer: Ich gehe davon aus, dass wir 2025 noch ein bis zwei Zinssenkungen sehen werden. Die Wirtschaft braucht wieder Impulse – und das funktioniert langfristig nur, wenn Investitionen durch niedrigere Zinsen erleichtert werden. Auch die Inflation hat sich in eine Bandbreite bewegt, die Zinssenkungen wieder möglich macht. Kürzlich gab es sogar Signale aus dem EZB-Rat, dass man stärkere Zinsschritte nicht ausschließen würde. Ob das wirklich so kommt, bleibt abzuwarten. Der Ukraine-Krieg ist weiterhin ein Unsicherheitsfaktor, ebenso wie mögliche neue Handelszölle, deren Aussetzung gerade auf 90 Tage befristet ist. Aber insgesamt bin ich optimistisch, dass mindestens eine Zinssenkung noch kommt – vielleicht sogar zwei.
Bauzinsen sinken: Was macht die EZB 2025 noch?
Und hätten weitere Zinssenkungen der EZB auch Auswirkungen auf die Bauzinsen?
Bauer: Ja, aber nur indirekt. Man muss sich dabei vor allem den 10-Jahres-Swap anschauen, nicht den Einlagenzins, sondern den Zinssatz, der langfristige Baufinanzierungen beeinflusst. Der reagiert häufig schon im Vorfeld auf erwartete Entscheidungen der EZB. Beispielsweise wurde bereits im Oktober und November letzten Jahres über mögliche Zinssenkungen spekuliert, und der 10-Jahres-Swap ist damals bereits gesunken – noch bevor die EZB im Dezember tatsächlich gehandelt hat.
Das zeigt: Zinssenkungen sind oft schon eingepreist. Der direkte Effekt auf Bauzinsen kommt also nicht zwingend erst nach der Entscheidung. Wenn wir dieses Jahr noch zwei Schritte à 0,25 Prozentpunkte sehen – also 0,5 Prozentpunkte insgesamt – dann wird das spürbar sein. Das könnte für viele Kaufinteressierte, die bisher an der Finanzierung gescheitert sind, wieder neue Möglichkeiten eröffnen.
Wenn die EZB die Leitzinsen dieses Jahr noch um 0,5 Prozentpunkte senkt, könnten sich für Immobilieninteressenten neue Chancen auftun.
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Jetzt eine Immobilien kaufen: Lohnt es sich?
Lohnt es sich dann Ihrer Meinung nach, jetzt in Immobilien zu investieren – oder sollte man lieber noch abwarten, wie sich die Lage entwickelt?
Bauer: Abwarten hat in der Vergangenheit selten geholfen. Gerade der Zinseszinseffekt und steuerliche Vorteile sprechen dafür, frühzeitig aktiv zu werden. Das heißt aber nicht, dass man blind kaufen sollte. Aktuell gibt es viele interessante Objekte mit Mietrenditen und Zuständen, die vor zwei Jahren bei den niedrigen Zinsen undenkbar gewesen wären.
Falls die Bauzinsen wieder steigen, werden auch die Immobilienpreise anziehen. Und was man jetzt beim Kaufpreis spart, ist oft mehr, als man durch niedrigere Zinsen in der Zukunft einsparen würde. Außerdem lassen sich die höheren Zinsen steuerlich geltend machen. Wer später einsteigt, hat möglicherweise wieder mehr Konkurrenz auf dem Markt.
Höhere Bauzinsen steuerlich geltend machen, unter welchen Voraussetzungen ist das möglich?
Bauer: Die Zinsen können voll abgesetzt werden, vorausgesetzt es ist eine Immobilie, die vermietet wird. Bei der eigengenutzten Immobilie können die Zinsen nicht abgesetzt werden.
Immobilen: Diese Risiken gibt es derzeit am Markt
Neben Chancen – gibt es aktuell auch Risiken, die Sie am Immobilienmarkt sehen?
Bauer: Ja, vor allem im Neubausektor. Viele Bauträger und Projektentwickler sind finanziell angeschlagen, es fehlen Mittel zur Fertigstellung. Ich selbst bin in ein Denkmalprojekt investiert, das sich seit zwei Jahren verzögert. Selbst wenn die Zinsen bald sinken, wird das nicht sofort zu mehr Wohnungsfertigstellungen führen.
Der Immobilienmarkt reagiert zeitversetzt: von der Planung bis zur Fertigstellung vergehen oft zwei bis fünf Jahre. Das, was vor zwei Jahren gestoppt wurde, wird uns erst in den nächsten ein bis drei Jahren deutlich treffen – mit sinkenden Neubauzahlen. Letztes Jahr hatten wir rund 250.000 Fertigstellungen, dieses Jahr werden es wohl noch weniger sein. Dazu kommen Risiken durch gescheiterte Projekte – man hat es bei prominenten Fällen wie dem Elbtower in Hamburg gesehen. Aber auch kleinere Vorhaben sind gefährdet, wenn Banken irgendwann den Geldhahn zudrehen.
Worauf sollten Immobilienkäufer dann bei Neubauprojekten besonders achten?
Bauer: Bei Neubauprojekten sollen Interessenten sich den Bauträger ganz genau anschauen: Ist die Finanzierung gesichert? Gibt es Bau- und Fertigstellungsgarantien? Handelt es sich um Festpreise oder variable Verträge? All das sollte man sehr genau prüfen, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Ein weiterer Punkt, der in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen wird: die Verwaltung der Immobilie. Wir übernehmen viele Objekte zur Verwaltung, und bei rund 70 Prozent herrscht Chaos – Verwalter sind überfordert, pflegen keine Daten oder reagieren nicht mehr. Viele hören auf, weil es immer komplexer wird.

Immobilienkäufer sollten bei Neubauprojekten aktuell ganz genau hinsehen, um „böse Überraschungen“ zu meiden.
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Was bedeutet das konkret für Eigentümer?
Bauer: Es wird schwieriger, gute Verwalter zu finden – und teurer. Vor ein paar Jahren waren 20 bis 30 Euro pro Einheit normal. Heute ist das nicht mehr darstellbar. Der Preis liegt heutzutage bei circa 35 bis 50 Euro pro Wohneinheit. Wer rein nach dem Preis geht, begeht einen riesigen Fehler. Wir erleben oft: günstiger Verwalter, aber fünf Jahre keine Mieterhöhung, keine Abrechnungen, Schäden bleiben liegen. Dann muss man alles nachholen – und zahlt am Ende drauf.
Man darf nicht vergessen: Man verwaltet Werte von teils mehreren Hunderttausend Euro. Für ein Auto zahlt man problemlos 1000 Euro jährlich an Versicherung – aber bei einer Immobilie, die viel mehr wert ist, will man bei der Verwaltung sparen? Das passt nicht zusammen. Verwaltung braucht qualifiziertes Personal – und die sind rar und teuer. Sie müssen sich auskennen mit Bautechnik, Mietrecht, Buchhaltung, Nebenkosten. Wer das ordentlich will, muss investieren. Alles andere kostet langfristig mehr – finanziell und nervlich.
Bitte beachten:
Aktien, Immobilien und andere Investments sind grundsätzlich mit einem Risiko verbunden. Auch ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals kann nicht ausgeschlossen werden. Ebenso können Kredite eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen. Verbraucher sollten ihre finanzielle Situation sorgfältig prüfen und alle Kosten gründlich durchrechnen. Die veröffentlichten Artikel, Daten und Prognosen sind keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Rechten und ersetzen keine fachliche Beratung.