Das hat es mit der Quagga-Muschel am Chiemsee auf sich | ABC-Z

Ein neuer Gast ist nach Bayern gelangt. Die Quagga-Muschel breitet sich in den bayerischen Gewässern aus, jetzt auch am Chiemsee. Doch sie ist kein gerngesehener Gast: Denn die Muschel bedroht nicht nur heimische Arten, sondern verstopft auch Rohre.
Am Chiemsee sorgt ein Ring-Kanal, der teils im See, teils im Wasser liegt, für sauberes Wasser. 28 Kilometer Leitungen sind im See verlegt. Doch für die besteht laut Quirin Schwaiger, Geschäftsführer des Abwasser- und Umweltverbands Chiemsee (AUV) keine Gefahr. „Wir vermuten, dass es uns nicht betrifft“, sagt Schwaiger der AZ.
Neues Problem am Chiemsee: Muschel verstopft Rohre
Denn das Problem sei eher, wenn die Muschel in ein Rohrsystem eindringe, und die des AUV seien geschlossen. Einzig was die Muscheln am Material anrichten könnten, sei noch offen: „Dafür sind die Studien noch nicht ausreichend.“ Die Quagga-Muschel ist ursprünglich in den Zuflüssen des Schwarzen Meeres beheimatet und kam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert in die USA und siedelte sich in den Großen Seen an.
„Von dort erreichte sie circa 2006 über Rotterdam die Niederlande und wenig später den Ölhafen Karlsruhe“, heißt es vom Landesamt für Umwelt (LfU) auf AZ-Anfrage. Weil die Muschel keine Fressfeinde habe, habe sie sich schnell verbreitet und sei innerhalb weniger Jahre in Rhein, Main, Main-Donaukanal und Donau gekommen. Auch vom Bodensee werden massive Probleme gemeldet (AZ berichtete).
Wenn den Fischen die Nahrung weggefressen wird
Das Problem laut LfU: „Durch hohe Individuenzahlen bedeckt sie schnell weite Bereiche des Seegrunds.“ Dadurch verdränge sie heimische Muscheln, Wasserpflanzen und auch auf Weichsubstrat angewiesene Schnecken, Würmer und Insektenlarven.
Das ist aber noch nicht alles, denn Muscheln ernähren sich, indem sie das Wasser filtrieren und mehr oder weniger den Fischen die Nährstoffe wegfressen. „Die großen Individuenzahlen dezimieren so die Nährstoffe im Wasser, sie stehen den anderen Organismen wie Phytoplankton nicht mehr zur Verfügung. Dieses fehlt dann als Nahrungsgrundlage für die Nahrungskette, am Ende auch für Fische“, so das LfU.
Sobald ein Gewässer besiedelt sei, gebe es bislang keine Möglichkeit, die Muschel wieder vollständig zu entfernen. Man müsse darauf setzen, dass man die Muschel an der Weiterverbreitung hindert: „Das geschieht am besten durch Reinigung und Trocknung aller Gegenstände, die von einem Wasserkörper in einen anderen verbracht werden.“
Quagga-Muschel im Chiemsee: Seit zwei Monaten nachgewiesen
Wie stark der Chiemsee schon von der Quagga-Muschel befallen ist, ist laut Herwig Stibor, Professor für aquatische Ökologie an der LMU, noch schwer abzuschätzen. Erst vor zwei Monaten habe man die Quagga-Muschel im Chiemsee nachgewiesen.
Wie sie sich ausbreiten werde, sei noch völlig offen. Weder Panik solle man machen, noch Entwarnung könne man geben, sagt Stibor der AZ. „Es gibt Gewässer wie die Großen Seen in den USA, wo sie großen Schaden anrichtet“, sagt Stibor.
Zugleich sehe man in den USA aber auch, dass sie in manchen Seen auftauche und wieder verschwinde. „So genau versteht man noch nicht, welche Faktoren zur Ausbreitung führen“, sagt der Experte.
Quagga-Muschel gibt noch viele Rätsel auf
Insofern sei auch am Chiemsee noch völlig offen, wie sich die Lage entwickelt. „Wenn die Quagga-Muschel sehr hohe Bestände hat, könnte das Auswirkungen auf die Fische haben“, sagt Stibor. Wichtig sei nun, die Ausbreitung auf andere Gewässer zu vermeiden – wer ein SUP oder ein Boot hat, sollte es gut reinigen, bevor er es in einem anderen Gewässer nutzt. Die schlechte Nachricht: Ist die Quagga-Muschel erst mal in einem See, könne man nur wenig tun.
Martin Schönleitner von der Chiemseefischerei Stephan in Prien macht sich schon Sorgen – gerade auch im Hinblick auf die Situation in den USA. „Sobald sie sich exponentiell entwickelt, bleibt von den Nährstoffen nichts mehr übrig“, sagt der Fischer. Seit 400 Jahren ist seine Familie schon im Fischereihandwerk im Chiemsee tätig.
Erfahrungswerte von Fischern am Bodensee kennt er noch nicht. An diesem Freitag soll es eine erste Infoveranstaltung am Chiemsee geben, von der er sich mehr Fakten erhofft.