Tesla-Präsentation in Hollywood: Zündet Musk bei seiner Robotaxi-Show mehr als Nebelkerzen? | ABC-Z

Tesla-Präsentation in Hollywood
Zündet Musk bei seiner Robotaxi-Show mehr als Nebelkerzen?
10.10.2024, 16:00 Uhr
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Es ist der große Traum von Tesla-Chef Elon Musk: selbstfahrende Autos. Heute will er in Los Angeles nach jahrelangen Verzögerungen endlich den Prototyp eines fahrerlosen Robotaxis vorführen. Doch Branchenkenner dämpfen die Erwartungen. Die Konkurrenz ist Tesla weit voraus.
Jahrelang hat Elon Musk Investoren und Fans vertröstet, jetzt will der Tesla-Chef endlich liefern. Auf großer Bühne, in den Studios von Warner Brothers nahe Los Angeles, soll an diesem Donnerstag (um 19 Uhr kalifornischer Zeit) der erste Prototyp eines dank künstlicher Intelligenz (KI) fahrerlosen Robotertaxis aus der E-Auto-Schmiede enthüllt werden. “We, robot” – so lautet der knackige Slogan, mit dem Musk im Vorfeld für das Event wirbt. Der KI-Zauber, den er verbreitet, weckt große Erwartungen. Geht Musks Traum vom selbstfahrenden Wunderauto ohne Lenkrad und Pedale in Erfüllung? Oder ist alles – wie so oft bei Musk – nur Schall und Rauch? Klar ist, dass der unermüdliche Unternehmer aufs Ganze geht: Die Robotaxi-Wette ist eine teure Wette mit vielen Risiken.
Der in die Jahre gekommene E-Auto-Pionier geriet zuletzt immer mehr unter Druck. Das Geschäft läuft nicht. Das letzte neue Modell, das Musk vorstellte, war der futuristische Pickup Cybertruck. Das war 2019. Von selbstfahrenden Tesla-Autos spricht Musk seit 2016. Seitdem hat sich die Autowelt verändert und Tesla ist ins Hintertreffen geraten. Mit Elektromobilität kann Musk nicht mehr punkten. Und das Thema autonomes Fahren ist komplex, die regulatorischen Hürden hoch und die Kameratechnik, auf die er bisher setzt, nicht ausreichend. Was Investoren und Fans sehen wollen, ist, wie Musk diese Probleme löst. Ob es ihm gelingt, aus seiner einfachen Fahrassistenz-Software “Full Self Driving” mehr zu machen. Experten sind skeptisch. Nur daran, dass Musk am Donnerstag eine große Show abliefern wird, zweifeln sie nicht.
Level 5 beim autonomen Fahren bleibt Zukunftsmusik
“Eine echte Überraschung erwarte ich nicht, eher eine Zaubershow mit Nebelkerzen”, sagt Branchenkenner Frank Schwope ntv.de. “Elon Musk ist ein Showman und wird möglicherweise etwas versprechen, was er nicht halten kann.” Wenn auf dem Gelände von Warner Brothers ein Robotaxi fahre, heiße das noch lange nicht, dass Musk ein zuverlässiges Level-5-Fahrzeug auf die Straße bringen könne. “So weit ist nicht einmal Waymo.”
Die Alphabet-Tochter gilt als Weltmarktführer für vollautomatisiertes Fahren. Sie betreibt bereits in vier US-Städten fahrerlose Robotaxis und führt wöchentlich mehr als 100.000 Fahrten durch. Die nach Level 4 autonom und ohne Personal fahrenden Taxis sind beispielsweise in ganz San Francisco verfügbar. Das heißt aber nicht, dass sie überall fahren können. Erst ab Level 5 können die Autos auch unübersichtliche Straßen und schwierige Wetterbedingungen sicher meistern. Schwope glaubt nicht, dass das “in den nächsten zehn Jahren jemand schafft”.
Dass Musk auf der großen Bühne nur blufft und nichts vorzuweisen hat, hält Ferdinand Dudenhöffer allerdings für unwahrscheinlich. Das könne sich der Tesla-Chef gar nicht leisten. Der Autoexperte spekuliert, dass im neuen Robocab statt der bei Tesla üblichen Kamera die sogenannte Lidar-Technologie zum Einsatz kommt. “Denn ohne die funktioniert autonomes Fahren nicht. Musk steigt damit in Level 4 ein”, prognostiziert er im Gespräch mit ntv.de. Damit wäre der US-Autobauer, der auf einem sparsamen Level 2 feststeckt, plötzlich auf Augenhöhe mit Waymo. Kein Quantensprung, aber ein Erfolg.
Bislang kann ein Tesla nur automatisch auf der rechten Spur fahren und im Stau sicheren Abstand zum Vordermann halten. Viele Autohersteller sind längst weiter. Mercedes und BMW haben Systeme, mit denen man Level 3 fahren kann. Das heißt, die Autos halten nicht nur selbstständig Spur und Abstand und regeln die Geschwindigkeit. In Oberklasse-Fahrzeugen von Mercedes kann der Fahrende dank Level-3-Staupilot auch schon ab Tempo unter 60 aufs Knöpfchen drücken und das Kommando ans Auto übergeben. Während eines Staus ist es so möglich zu lesen, Mails zu beantworten oder im Internet zu shoppen. Auch Schwope hält eine Nachrüstung mit dem optischen Lidar-Verfahren für wahrscheinlich. “Musk braucht einfach ein zweites System. Er kann nicht nur auf Kamerasysteme setzen.” Auch eine Kombination sei denkbar.
Konstantin Oldenburger, Marktanalyst von CMC Markets, möchte sogar ein echtes Aha-Erlebnis beim Cybercab Day zumindest nicht ausschließen. Denkbar sei, dass Tesla ein Produkt vorstelle, “das die bisherigen technischen Möglichkeiten übertrifft”. Damit würde Tesla die Pole-Position in der Entwicklung einnehmen. Das wäre “ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum autonomen Fahren”, so Oldenburger.
Geplatzte Träume vom eigenen Tesla-Taxi
Egal ob große oder kleine Überraschung. Enttäuscht sein dürften vor allem die aktuellen Tesla-Fahrer. Denn anders als Musk seinen Käufern einst versprochen hatte, werden sie von den Neuerungen wohl nicht mehr profitieren. Ursprünglich hatte es einmal geheißen, jeder Tesla-Besitzer werde einmal zu einem potenziellen Robotaxi-Anbieter und damit Geld verdienen können. “Die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt mit jedem Jahr, das vergeht, weil auch die Soft- und Hardware der bisherigen Teslas älter wird”, so Oldenburger. Ältere Modelle werden nicht mehr für ein Update und ein Nachrüsten für autonomes Fahren infrage kommen. Autoexperte Dudenhöffer geht davon aus, dass Musk beim neuen Robotaxi auch bessere Chips verwendet hat: “Musk wird eine Spitzentechnologie anbieten. Er hat mit Sicherheit Nvidia-Chips verbaut. Alles andere würde dem Aktienkurs von Tesla schaden.”
Ob Tesla heute beim Publikum mit der Präsentation punkten kann, bleibt abzuwarten. Bekanntlich kommt nach der Arbeit wieder die Arbeit. Es gibt immer noch viele weitere offene Fragen: Bekommt Musk eine Zulassung für das Auto? Wird es ihm gelingen, damit Gewinne einzufahren und das Unternehmen zu stabilisieren? Musk werde nicht alle seine Karten auf den Tisch legen, ist sich Dudenhöffer sicher. “Er wird die Technologien vorstellen. Aber wann genau er das Auto bringt, wird er nicht sagen.” Sicher ist nur: Eine Niederlage kann er sich nicht leisten. “Wenn es ein Flop wird, wird er zusammenbrechen”, sagt der Experte. “Bei Elektroautos hat er nichts Neues zu bieten. Die sind alt und schwerer zu verkaufen. Musk steht im harten Wettbewerb mit BYD und anderen Autoherstellern. Im Hinblick auf Innovation hat er in den letzten Jahren nichts geliefert. Er muss einen großen Schritt machen, und das ist der Schritt zum Robotaxi. Wie wirtschaftlich das ist, kann man nicht abschätzen.”
Was bedeutet das für Investoren? “Das Projekt ist alles andere als einfach, aber bisher war es immer eine schlechte Idee, gegen Musk und Tesla zu wetten”, stellt Marktanalyst Oldenburger fest. Ähnlich wie beim iPhone, dessen neue Versionen immer punkten, “obwohl es technisch nicht viel Neues gibt”, müsse es keine Revolution sein, die Musk ausrufe. “Ein Schritt in die richtige Richtung und technologische Fortschritte sollten schon das Interesse der Investoren wecken.” Dafür gibt es keine bessere Kulisse als die Traumfabrik Hollywood, wo Harry Potter und Star Wars gedreht wurden.