Geopolitik

Ukraine : Gleich nach dem Eklat öffnet Trump Selenskyj eine Hintertür | ABC-Z

Nach der Eskalation im Oval Office schmeißt Trump Selenskyj aus dem Weißen Haus. Doch direkt macht er klar, wie sich der Ukrainer wieder zurück in seine Gunst arbeiten könne. Selenskyj gibt FoxNews ein Interview und spielt eine andere Karte aus.

Nach dem historischen Eklat zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj begab sich der ukrainische Präsident in einen Nebenraum des Oval Office. Trump beriet sich mit seinem Vizepräsidenten J.D. Vance, seinem Außenminister Marco Rubio und Finanzminister Scott Bessent. Im kleinen Kreis fällte er die Entscheidung, Selenskyj müsse sofort abreisen. So berichtete es die CNN-Korrespondentin im Weißen Haus, Kaitlan Collins.

Während das ukrainische Team noch versuchte, die Situation zu entschärfen, fuhr bereits Selenskyjs schwarze Limousine am Eingang des West Wing vor. Auf Truth Social verkündete Trump, dass das Treffen beendet sei und die Unterzeichnung des Mineraliendeals nicht mehr stattfinden werde. Der ukrainische Präsident verließ das Weiße Haus daraufhin wortlos. Doch in seinem Post öffnete Trump Selenskyj direkt eine Hintertür für ein Comeback.

„Er kann zurückkommen, wenn er bereit für einen Frieden ist“, schrieb Trump. Was das genau heißt, erläuterte er am Nachmittag, bevor er sich in sein Wochenenddomizil Mar-a-Lago verabschiedete. „Er muss sagen, dass er Frieden möchte“, so Trump und schob hinterher: „Er muss mit dem Kämpfen aufhören“. Letzteres ist eine Forderung, die einer Kapitulation gleichkommen würde und die Selenskyj nicht einseitig erfüllen kann.

Doch die dahinterliegende Botschaft ist deutlich: Selenskyj müsse mehr guten Willen signalisieren. Und er müsse sich gegenüber Trump anders verhalten. Zwar hat er jedes Recht, Unwahrheiten und Unterstellungen selbst von oberster Stelle der amerikanischen Staatsführung entgegenzutreten.

Doch Donald Trump operiert nach anderen Prinzipien. Für ihn gilt das Recht des Stärkeren. Dass er darauf beharrt, machte der US-Präsident deutlich. Gerade sei Selenskyj sehr schwach, sagte er. „Aber wenn wir den Mineralien-Deal unterschreiben, ist er gestärkt.“

Das Abkommen hätte einen gemeinsamen Investmentfonds etabliert, in den Kiew 50 Prozent seiner Erlöse durch den Verkauf von natürlichen Ressourcen einzahlt. Der Fonds, den Washington mehrheitlich kontrollieren soll, kann weitere Abbau-Projekte von Mineralien finanzieren und über entsprechende Investments entscheiden.

Für Trump wäre das dadurch ermöglichte Engagement amerikanischer Firmen einer Sicherheitsgarantie gleichgekommen. „Wenn wir mit unseren Arbeitern da sind, wird sich niemand trauen, dort herumzuspielen“, hatte er am Donnerstag gesagt.

Es ist also die Erwartung des Weißen Hauses, dass sich der ukrainische Präsident dieser Realität anpasst und das tut, wozu Selenskyj am Freitag nicht bereit war: als Bittsteller aufzutreten. Um das deutlich zu machen, wurde kurz nach Selenskyjs Abreise der republikanische Senator und Trump-Vertraute Lindsey Graham zu den versammelten Journalisten geschickt.

Wütend erklärte er, dass er nicht wisse, ob man mit Selenskyj überhaupt noch Geschäfte machen könne. „Entweder er tritt zurück und schickt jemand anderen oder er ändert sich“, sagte Graham.

Am Abend hatte Selenskyj Gelegenheit dazu. Einen geplanten Auftritt bei dem konservativen Thinktank Hudson Institute nur wenige Meter vom Weißen Haus entfernt, um die Unterzeichnung des Deals mit Champagner und Häppchen zu zelebrieren, sagte er ab. Stattdessen begab er sich ins TV-Studio von Fox News, um sich dort den Fragen zu stellen.

Ein gefasst wirkender Selenskyj versuchte, einen Schritt auf Trump zuzugehen, ohne dabei einen Kniefall zu machen. Die Frage, ob er sich bei dem US-Präsidenten entschuldigen möchte, beantwortete er klar mit „Nein“. Auch Grahams Forderung nach seinem Rücktritt wies er entschieden zurück. Wenngleich Trump das nicht gefallen haben dürfte, sagte Selenskyj danach genau das, was dieser hören will. Mehrmals betonte er, dass er und die Ukrainer dankbar für die amerikanische Unterstützung seien. Er räumte ein, dass das, was im Oval Office vorgefallen ist, „nicht gut“ war und dass er sehr wohl bereit für Frieden sei.

Doch Selenskyj zog noch eine andere Karte aus seinem Register. Er warb mit eindrücklichen Appellen um Verständnis bei den Amerikanern. „Ich kann die ukrainische Haltung gegenüber Putin nicht ändern. Sie haben uns getötet. Sie sind unsere Feinde“, sagte er. Er könne nicht schweigen, wenn leichtfertig über Territorien gesprochen werde. „Das sind Häuser, das sind Familien“, sagte Selenskyj.

Da wusste er bereits, dass die Eskalation im Oval Office innenpolitisch hohe Wellen geschlagen hatte. Zahlreiche Demokraten äußerten bereits heftige Kritik an Trump. „Was gerade im Weißen Haus passiert ist, war ein hinterhältiger Angriff mit dem Ziel, einem brutalen Diktator zu helfen und Amerikas Sicherheit zu gefährden“, so der demokratische Senator Chris Murphy. Einer aktuellen Harvard-Umfrage zufolge lehnen es 57 Prozent der US-Bürger ab, dass die Trump-Regierung Kiew zur Aufgabe von Teilen ihres Territoriums zwingen will. 63 Prozent meinen, dass Russland noch andere Länder angreifen wird, sollte es ukrainischen Boden zugeschlagen bekommen.

Der Gefahr, dass Trump aus der Sache als Verlierer herausgeht, versuchte das Weiße Haus schon am Nachmittag mit offensiver Kommunikation entgegenzuwirken. So ließ sein Team zwei Mitteilungen herausgeben, die wie eine Rechtfertigung seines Umgangs mit dem Amtskollegen aus Europa wirkten. So seien laut einer Gallup-Umfrage 52 Prozent der Ukrainer der Meinung, dass der Krieg schnell enden solle und Kiew „offen dafür sein sollte, Teile seines Territoriums für Frieden auszutauschen“.

Den Kommentar Trumps im Oval Office, Selenskyj riskiere einen Dritten Weltkrieg, habe der Ukrainer selbst gemacht. „Ein Dritter Weltkrieg könnte in der Ukraine beginnen, sich in Israel fortsetzen, nach Asien weiterwandern und anderswo explodieren“, zitierte Trumps Team den ukrainischen Präsidenten. In einer weiteren Mitteilung führte das Weiße Haus gleich 53 führende Republikaner auf, die Selenskyjs Verhalten scharf kritisierten und Trumps Gebaren lobten.

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