Politik

Margot Friedländer ist mit 103 Jahren gestorben, beim ZDF ist „Ich bin! Margot Friedländer“ zu sehen | ABC-Z

Am Freitag ist die Holocaustüberlebende Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren in Berlin gestorben. An diesem Tag sollte ihr das große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik verliehen werden, die höchste Auszeichnung, die der Bundespräsident vergibt. Margot Friedländer hatte den Holocaust im KZ Theresienstadt überlebt. Nach dem Krieg wanderte sie mit ihrem Mann in die USA aus. Nach dessen Tod kehrte sie 2010 nach Deutschland zurück, in ihre Heimat, in das Land der Täter.

Von ihrem Leben und Wirken erzählen die Filmemacher Hannah und Raymond Ley in dem Dokudrama „Ich bin! Margot Friedländer“. Im November 2023 lief der Film erstmals im ZDF, er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. In der Mediathek des ZDF ist er zu sehen. Wer wissen will, wer Margot Friedländer war und was die Welt mit ihrem Tod verloren hat, kann es von Hannah und Raymond Ley erfahren. Lesen Sie hier unsere Vorstellung des Films im November 2023. 

„Man hätte sich das nie, nie, nie vorstellen können“, sagt Margot Friedländer. Nie hätte man sich vorstellen können, was in Auschwitz geschah. Doch als im Konzentrationslager Theresienstadt Anfang 1945 ein Todeszug mit Häftlingen aus dem Vernichtungslager Auschwitz ankommt, das die Nazis vor dem Heranrücken der Roten Armee geräumt hatten, weiß sie es. „Man hat die Toten nicht von den Lebendigen unterscheiden können und die Lebendigen nicht von den Toten.“

„Alles, was jetzt passierte, ging an mir vorbei“

Im Frühjahr 1944 war die in Berlin untergetauchte Margot Bendheim von der Gestapo aufgegriffen worden. Ein Jahr und drei Monate hatte sie im Untergrund gelebt, war versteckt worden von Menschen, die es gut meinten oder ihre Notlage ausnutzen wollten. Nun war die „Hetzjagd“ vorbei. „Ich bin jüdisch“, sagt Margot, als die „Greifer“ – Juden, die für die Gestapo Juden verfolgen – sie mit zur Polizei nehmen wollen. „Fast war ich froh“, erinnert sie sich. Ihr „Ich“ sei in diesem Moment zum „Wir“ geworden. „Alles, was jetzt passierte, ging an mir vorbei.“

Margot Friedländer, geborene Bendheim, hat den Holocaust überlebt. Am Dienstag ist sie 102 Jahre alt geworden. Sie lebt in Berlin. In ihre Geburtsstadt ist sie 2010 zurückgekehrt. Dreizehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes Alfred, den sie im KZ Theresienstadt getroffen hatte und mit dem sie nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika gegangen war, verabschiedete sie sich von New York. Was viele ihrer Freunde und Bekannten, die wie sie dem Massenmord durch die Nationalsozialisten entronnen waren, nicht verstanden.

Margot Friedländer im Roten Rathaus in BerlinAFP

„Versuche, dein Leben zu machen“ heißt die Autobiographie, die Margot Friedländer 2008 herausgebracht hat. Es ist der letzte Satz, den ihre Mutter Auguste ihr mitgibt. Sie hört ihn nicht von ihrer „Mutti“ selbst, eine Nachbarin richtet ihn aus. Auguste Bendheim hat sich freiwillig bei der Gestapo gemeldet, um ihrem Sohn Ralph beizustehen, den die Nazis verhaftet hatten. Mutter und Sohn werden ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Zuvor, erinnert sich Margot Friedländer, habe sie ein „behütetes Leben“ geführt. „Und jetzt ist alles anders. Berlin ist mein Versteck.“ Die junge Frau hatte bislang nie eine Entscheidung allein getroffen, nun ist sie auf sich gestellt. Sie zieht von einem Versteck zum nächsten, färbt sich die Haare rot und lässt sich sogar die Nase operieren. Dreimal kann sie der Gestapo entkommen, beim vierten Mal gibt sie auf. Stella Goldschlag, eine berüchtigte „Greiferin“, die bis zu 3000 Juden an die Gestapo verraten haben soll, hat sie offenbar ans Messer geliefert.

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Davon erzählt Margot Friedländer in dem dokumentar-dramatisch aufbereiteten Film „Ich bin! Margot Friedländer“ von Hannah und Raymond Ley, der heute Abend im ZDF läuft. Die Leys sind in ihrem Fach seit Langem ausgewiesen, zuletzt war von ihnen „Schuss in der Nacht – Die Ermordung Walter Lübckes“ zu sehen. Zunächst, schreiben sie, sei von einem Spielfilm die Rede gewesen, als der Ufa-Chef Nico Hofmann mit der Idee an sie herantrat, einen Film über Margot Friedländer zu machen. „Aber die Kraft, dass Margot Friedländer selbst noch von ihren Erlebnissen erzählen kann, ist ein solches Geschenk, das man nicht missen möchte.“

Gejagt von der Gestapo

Das kann man nur unterstreichen. Die packende Erzählung der alten Dame trägt den Film und lässt den Wechsel zwischen dokumentarischen und gespielten Szenen so reibungslos geschehen, dass einem Julia Anna Grob ganz selbstverständlich als die junge Margot Bendheim erscheint, die durch das dunkle Berlin irrt, gejagt von der Gestapo. Nur wenige helle Momente sind ihr vergönnt, etwa, wenn sie am Theater beim Jüdischen Kulturbund Kostüme näht und in kleinen Rollen auftritt. Dort begegnet ihr auch zum ersten Mal ihr späterer Ehemann Alfred Friedländer, der die Verwaltung der Bühne leitet.

Was sonst in Dokudramen problematisch werden kann – wenn das Gespielte zum Erfundenen wird – , ist hier aus einem Guss. Margot Friedländer erzählt, Julia Anna Grob spielt (die ältere Margot Friedländer gibt Ilona Schulz), und am Ende begegnen sich die beiden, ohne dass es etwas Gekünsteltes hätte. Wobei es Buch (Hannah und Raymond Ley), Regie (Raymond Ley), die Kameraleute Martin L. Ludwig und Dirk Heuer und der Schnitt (Martin Menzel) vermögen, dass wir nicht nur die Geschichte von Margot Friedländer hören. Wir sehen mit ihren Augen den Terror des NS-Regimes und dessen Untergang. Dabei geben sich in Nebenrollen Charly Hübner, Herbert Knaup, Axel Prahl und Iris Berben die Ehre.

„Ich will für alle sprechen, die man umgebracht hat“, sagt Margot Friedländer. Nicht nur für die sechs Millionen Juden, sondern auch für die vielen anderen, die unschuldig ermordet wurden. Dafür erhebt sie ihre Stimme, spricht vor Schulklassen, wird geehrt. Erst in diesem Jahr hat sie eine Stiftung gegründet, um die Arbeit der Zeitzeugen fortzuführen und einen Preis zu vergeben. Und sie lebt – in Berlin, der Stadt, in der sie geboren und mit Vernichtung bedroht wurde. In der Stadt, in deren Straßen sich Juden heute wieder nicht sicher fühlen können; in der islamistische Fanatiker am 7. Oktober den bestialischen Massenmord an Juden in Israel gefeiert haben und ein Brandanschlag auf ein jüdisches Zentrum verübt worden ist.

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