Forscher lösen ein jahrzehntelanges Mysterium | ABC-Z

Berlin. Lange galt der Super-Diamant als Illusion. Nun gelang es Forschern, den geheimnisvollen Kristall zu züchten. Was dahinter steckt.
- Jahrzehntelanges Rätsel wurde von chinesischen Forschern gelöst
- Es gelang ihnen erstmals den mysteriösen Kristall Lonsdaleit zu züchten
- Doch was macht Lonsdaleit so einzigartig? Die wichtigsten Infos
Seit mehr als fünfzig Jahren rankt sich ein Rätsel um einen Kristall, der härter sein soll als jeder Diamant. Lonsdaleit, so sein Name, tauchte erstmals 1967 in den Bruchstücken eines Meteoriten auf, der vor etwa 50.000 Jahren auf die Erde gestürzt war. Doch die wenigen Partikel, die man darin fand, waren so winzig und stark verunreinigt, dass sie sich kaum untersuchen ließen.
Lange blieb deshalb unklar, ob es sich tatsächlich um ein eigenständiges Mineral handelte oder nur um ein Artefakt kosmischer Gewalt. Viele Geowissenschaftler hielten Lonsdaleit schlicht für eine Illusion – eine schöne Idee, geboren aus Kristallresten des Alls.
Chinesische Forscher züchten erstmals Lonsdaleit im Labor
Nun ist es einem Team in China gelungen, den jahrzehntelangen Zweifel zu beenden. Unter Leitung des Hochdruckphysikers Ho-Kwang Mao vom Center for High Pressure Science and Technology Advanced Research (HPSTAR) in Peking stellten die Wissenschaftler erstmals Lonsdaleit in messbarer Größe her. Die Ergebnisse präsentierten sie im renommierten Fachblatt „Nature“.
Wie das Fachmagazin „New Scientist“ zusammenfasst, gelang es den Forscherinnen und Forschern, ein nahezu reines Stück von etwa einem Millimeter Länge und 70 Mikrometer Dicke zu züchten. Damit sei es nun möglich, die physikalischen Eigenschaften dieses ungewöhnlichen Kristalls erstmals zuverlässig zu untersuchen, heißt es in der Studie.
Herstellung von Lonsdaleit: So entsteht der Super-Diamant
Der entscheidende Fortschritt lag in einem zweistufigen Verfahren. Zunächst setzten die Wissenschaftler einen Einkristall aus Grafit in einer sogenannten Diamantstempelzelle einem Druck von rund 200.000 Bar aus – das entspricht dem 200.000-Fachen des normalen Atmosphärendrucks. „Unter diesem immensen Druck begann sich das hexagonale Kristallgitter zu bilden“, heißt es in der Publikation des Teams.
Im zweiten Schritt wurde die Probe mit einem Laser auf etwa 1400 Grad Celsius erhitzt. Erst die Kombination aus extremem Druck und hoher Temperatur habe die ungewöhnliche Struktur stabilisiert, schreiben die Forscher. Auf diese Weise sei es gelungen, Lonsdaleit nicht nur als kosmisches Nebenprodukt nachzuweisen, sondern als eigenständiges Mineral, das sich unter kontrollierten Bedingungen im Labor herstellen lässt.
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Härter als Diamant: Warum Lonsdaleit einzigartig ist
Die Faszination an Lonsdaleit rührt von seiner außergewöhnlichen Struktur. Zwar sind die Kohlenstoffatome, wie im klassischen Diamanten, dicht miteinander verknüpft. Doch anstelle des üblichen kubischen Musters ordnen sie sich in hexagonalen Ringen an – eine Struktur, die dem Ausgangsmaterial Grafit ähnelt. Genau dieses Gitter macht den Unterschied.
Nach theoretischen Berechnungen entstehen dadurch Bindungen, die kürzer und stabiler sind als im herkömmlichen Diamanten. „Das macht Lonsdaleit zu einem Material, das theoretisch rund 60 Prozent härter ist als Diamant“, schreiben die Autoren in ihrer Studie. Noch allerdings liegt die Praxis hinter diesem Ideal zurück. Die in Peking hergestellten Proben erreichten die prognostizierte Härte nicht, sondern übertrafen jene von klassischen Diamanten lediglich um etwa fünf Prozent. Dennoch sprechen die Forscher von einem Meilenstein – weil erstmals ein Material vorliegt, das den Weg zur Verwirklichung dieses Super-Diamanten weist.
Super-Diamant als Hightech-Material: Einsatzgebiete von Lonsdaleit
Das Potenzial dieses neu gezüchteten Minerals ist gewaltig. Härter als jedes bekannte Material könnte Lonsdaleit Werkzeuge revolutionieren, die extremen Belastungen standhalten müssen. In ihrer Veröffentlichung betonen die chinesischen Forscher, dass Bohrköpfe aus Lonsdaleit etwa für Tiefbohrungen in den Erdmantel oder für Geothermie-Projekte eingesetzt werden könnten. Auch in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Präzisionsfertigung wäre der Super-Diamant ein denkbarer Werkstoff.
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Forschungsleiter Ho-Kwang Mao sagt, sein Team denke bereits darüber nach, den Herstellungsprozess patentieren zu lassen. Ziel sei es, die Reinheit und die Größe der Kristalle so zu verbessern, dass der theoretisch mögliche Härtegrad tatsächlich erreicht werden könne.
Der Schritt von der kosmischen Rarität zum industriellen Material ist damit greifbar nah. Was vor Jahrzehnten nur als winzige Spur in einem Meteoriten entdeckt wurde, könnte sich bald zu einem der wertvollsten Materialien der Erde entwickeln. Der Super-Diamant aus dem All, nun erstmals im Labor gezüchtet, hat das Potenzial, nicht nur die Materialwissenschaft, sondern ganze Industriezweige zu verändern.