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Acht Tore in einer Halbzeit : Union gegen Stuttgart – ein großer, wunderbarer Unsinn | ABC-Z

Stand: 20.04.2025 10:40 Uhr

Das Aufeinandertreffen des 1. FC Union mit dem VfB Stuttgart hielt so gut wie nichts von dem, was es versprach. Warum das ein großes Geschenk war und was Franz Beckenbauer zu diesem Spiel sagen würde.

Manchmal hilft im Fußball ja nix mehr, außer den Kaiser zu zitieren. Außer Franz Beckenbauer zu zitieren, der alles konnte in diesem Sport, ob als Aktiver, Trainer oder Funktionär. Der viele Bonmots geprägt hat in seinem wunderbaren Leben und auch eines, das gut zu diesem 4:4 (4:4) des 1. FC Union gegen den VfB Stuttgart passte: “Ja gut, äh.”

Was soll man anderes sagen und schreiben zu diesem Spiel? Wobei man zunächst einmal und streng genommen sagen und schreiben müsste: Zu dieser ersten Halbzeit. Acht Tore in 45 und ein paar mehr Minuten. Bundesliga-Rekord.

Es ist ein großer Irrtum, dass Fußball vor allem ein Ergebnissport sei. Fußball, das ist die viel größere Wahrheit, ist dazu da, um davon zu erzählen. Und über dieses Spiel, über diese erste Halbzeit, werden sich mindestens mal Union- und Stuttgart-Fans noch lange unterhalten.

Video: rbb24 | 19.04.25 | Jakob Rüger

Eine Halbzeit aus Absurdistan

Sie könnten sich etwa darüber unterhalten, was für ein nettes Gimmick sich die Berliner da ausgedacht hatten. Zu ihrem 200. Bundesliga-Spiel. Zu ihrem 100. Bundesliga-Heimspiel. Zu einem Spiel, an dessen Ende der vorzeitige Klassenerhalt stand. Denn die 22 Tausend Zuschauer bekamen nicht nur jede Menge und zudem gleich mehrere, irrsinnige Tore zu sehen. Sondern auch zwei Spiele zum Preis von einem. Es war, als wäre die zweite Halbzeit eine Art Wiederholungsspiel auf irdischem Geläuf. Nachdem das ersten Kräftemessen inmitten von Absurdistan stattgefunden hatte.

Dabei fing alles so wunderbar vorhersehbar an. Stuttgart bestimmte das Spiel, hatte über 70 Prozent Ballbesitz. Passten sich die VfB-Profis den Ball zu, wirkte es, als flöge dieser über einen Teppich aus Glück. Bei Unions Angriffsversuchen hingegen glich der Ball einer Boule-Kugel, die per Rammbock ins Ziel geschleudert werden sollte. Und ehe man sich versah, stand es 2:0 für die Berliner – natürlich. Weil Christopher Trimmel, dieser ewige Christopher Trimmel, eine Christopher-Trimmel-Ecke und einen Christopher-Trimmel-Freistoß trat und sich die Mannschaft daran zu erinnern schien, wie oft in den vergangenen sechs Bundesliga-Jahren allein das genügte, um ein Bundesliga-Spiel zu gewinnen.

Das unwahrscheinlichste Tor der Saison

Dass es dieses Mal nicht genügte, war wiederum komplett Union untypisch, machte keinen größeren Sinn und darf als unbedingtes Kompliment an den Gegner aus Stuttgart gelesen werden. Mag sein, dass Deniz Undav beim 1:2 zu ungedeckt war im Zentrum. Mag sein, dass Enzo Millot beim 2:2 zu zaghaft gestört wurde vor seinem Schussversuch. Tatsächlich aber waren die beiden Treffer vor allem eines: Traumtore. Und dann wurde es bescheuert. Wunderbar bescheuert.

Als Leopold Querfeld, Unions zentraler Innenverteidiger, in der 38. Minute beschloss, etwas zu machen, was man nicht mehr macht im modernen Fußball, nämlich einfach mal einen loslassen aus gefühlt Brandenburg. “Das ist ein Gerät”, sagte dann auch Ex-Weltfußballer und Distanzschuss-Experte Lothar Matthäus in der Liveübertragung des TV-Senders Sky über dieses 3:2 für Union und mit kindischer Freude. Man konnte ihm in diesen Momenten nur anhand seiner Stimme anmerken, dass er sehr breit grinste. Und man verstand es komplett. Eins Komma zwei Prozent Wahrscheinlichkeit wurde dem Treffer anschließend zugerechnet. Das unwahrscheinlichste Tor der gesamten Bundesliga-Saison. Eines, dazu angetan, es sich unter die Augenlider zu tätowieren.

Ein Spiel wie “Wetten, das ..?”

Natürlich fielen dann noch drei Treffer in den restlichen paar Minuten Halbzeit. Auch weil Christopher Trimmel noch einen Christopher-Trimmel-Freistoß trat vor dem 4:4. Und spätestens jetzt hätte sich wohl niemand mehr gewundert, wenn in der Halbzeitpause an diesem Samstagabend Thomas Gottschalk auf den Rasen im Stadion An der Alten Försterei getreten wäre, um zu verkünden: “Die beiden Mannschaften des 1. FC Union und des VfB Stuttgart wetten, dass sie ein 10:10 nach 90 Minuten schaffen!”

Es kam anders. Aber auch das war ganz wunderbar. Union durfte zeigen, weshalb sich die Mannschaft den Klassenerhalt redlich verdient hat in dieser Saison. Weil sie nach reichlich Turbulenzen und inmitten eines großen Ergebnis-Krisen-Sturms zurück zu alten, erfolgreichen Tugenden gefunden hat. Der VfB Stuttgart, der am 24. Mai zum Pokalfinale zurückkehren wird nach Berlin, durfte zeigen, warum diese Mannschaft trotz durchwachsener Bundesliga-Saison eine mit großer Zukunft ist.

“Wir wollen das Ding anzünden”, hatte Unions Trainer Steffen Baumgart zu seinem Amtsantritt Anfang des Jahres gesagt. An diesem Abend stand “das Ding” in Flammen. Als neutraler Zuschauer konnte man nur dabei nur eines empfinden: “Lass’ brennen.”

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