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Benicio del Toro im Gespräch über Wes Andersons „Der phönizianische Meisterstreich“ | ABC-Z

Herr del Toro, Ihre erste Rolle in einem Film von Wes Anderson, vor ein paar Jahren in „The French Dispatch“, war eine von vielen in einem großen Ensemble-Stück. Waren Sie froh, nun in „Der phönizianische Meisterstreich“ (aktuell im Kino) deutlich mehr zu tun zu haben?

Erst einmal habe ich vor allem dem Braten nicht getraut. Bei „The French Dispatch“ tappte ich, was die Größe der Rolle angeht, erst einmal im Dunklen, weil Wes mir nicht erzählt hatte, dass es sich um einen Episodenfilm handelt. Ich las das Drehbuch und war begeistert von meinen Szenen, aber als meine Figur irgendwann nicht mehr auftauchte, brauchte ich Dutzende Seiten, bis ich realisierte, dass ich wirklich nur in einem kleinen Teil des Films vorkommen würde. Deswegen war ich skeptisch, als er mir ein paar Jahre später erzählte, er habe eine neue Rolle für mich.

Sie wussten nicht, dass er Sie als Hauptdarsteller im Sinn hatte?

Nicht von Anfang an. Er schickte mir irgendwann einfach mal 20 Seiten seines neuen Drehbuchs. Ich war begeistert, wollte mich aber nicht zu früh freuen. Denn ich hatte keine Ahnung, was für eine Art Film er dieses Mal im Sinn hatte. Erst als er nach und nach immer mehr Seiten schickte, realisierte ich irgendwann, dass ich dieses Mal tatsächlich jemanden spielen würde, der in praktisch jeder Szene des Films zu sehen ist.

Hat es Sie unter Druck gesetzt, zu wissen, dass Anderson die Rolle für Sie geschrieben hat?

So hat er das mir gegenüber nie gesagt, von daher habe ich diesen Druck nicht gespürt. Er hat mir nur irgendwann erzählt, dass er diese Rolle habe, in der er sich mich gut vorstellen könne, und irgendwann habe ich mitbekommen, dass er die auch niemandem sonst angeboten hat. Zu wissen, dass ich das emotionale Zentrum der Geschichte sein würde und in gewisser Weise den Film auf meinen Schultern trage, das hat mich eher unter Druck gesetzt. Oder war zumindest eine spannende Herausforderung.

Weil das eine besondere Verantwortung ist?

Irgendwie schon. Nicht zu vergleichen mit der, die Wes selbst trägt, schließlich ist das sein Film. Aber ein wenig fühlte ich mich wie der Pilot, der das Ganze dann sicher landen muss. Entsprechend habe ich sehr darauf geachtet, nie meine Konzentration auf die Arbeit zu verlieren. Selbst wenn das bedeutete, dass ich etliche der wirklich wunderbaren Abendessen, die es – wie bei Dreharbeiten mit Wes üblich – täglich für das Ensemble gab, habe ausfallen lassen. Ich brauchte meinen Schönheitsschlaf, und ausgeruht und fokussiert zu sein, war dann noch wichtiger als die Kollegialität.

Beim Dreh mit Regisseur Wes Anderson (in Grün): Mathieu Amalric (links),  Mia Threapleton und Benicio Del Toro
Beim Dreh mit Regisseur Wes Anderson (in Grün): Mathieu Amalric (links), Mia Threapleton und Benicio Del ToroUPI Media

Entsprechend haben Sie von Berlin und Potsdam, wo „Der phönizianische Meisterstreich“ gedreht wurde, auch nicht viel gehabt?

Nicht in dem Sinne, dass ich die Städte wirklich intensiv kennengelernt hätte. Aber ich habe mich auch nicht ausschließlich in meinem Hotelzimmer verkrochen. Morgens bin ich zum Beispiel immer zu Fuß von unserem Hotel am Griebnitzsee zum Studio in Babelsberg gelaufen und hatte viel Freude daran, die Kids zu beobachten, die auf ihren Rädern zur Schule fuhren. Das sieht man ja in Los Angeles eher selten. Hin und wieder kam es sogar vor, dass ich mit ein paar Teenagern aus der Umgebung Basketball gespielt habe. Zu meiner Begeisterung war der Bodenbelag auf den öffentlichen Plätzen entweder Asche oder Gummi. Auf jeden Fall deutlich gelenkschonender als die Betonplätze, die ich aus den USA kenne.

In vielen Ihrer Filme kennt man Sie als eher wortkargen Typen, der lieber Fäuste oder zumindest Taten sprechen lässt. Liegt Ihnen das näher als die wortreichen, schnellen Dialoge bei Wes Anderson?

Das würde ich so nicht sagen. Ich bin nicht per se der große Schweiger. In der Arbeit ist es allerdings tatsächlich meist erst einmal das Physische, über das ich in meine Rolle hineinfinde. Wobei, das trifft es auch nicht ganz. Vor allem stelle ich mir erst einmal grundsätzliche Fragen. Wo kommt dieser Mann her, und wo will er hin? Was will er? Erst wenn ich all diese grundlegenden Faktoren umrissen habe, widme ich mich den eigentlichen Worten, dem Text, den ich mir schließlich draufschaffen muss. So habe ich es gelernt, so machen wir es beim Theater. Aber dafür ist bei einem Wes-Anderson-Film natürlich keine Zeit. Da sind die Dialoge das A und O, und man muss hoffen, dass einem diese toll geschriebenen Worte in gewisser Weise einen Teil des Spielens abnehmen.

Apropos gelernt: Sie haben sich schon zu Schulzeiten fürs Theaterspielen begeistert, dann aber doch erst einmal Wirtschaft studiert, bevor Sie schließlich das College hinschmissen und Schauspielunterricht nahmen. Ist Ihre Begeisterung fürs Spielen heute die gleiche wie damals? Oder lässt die Intensität mit den Jahren nach?

Ich würde sagen, dass die Begeisterung für die Schauspielerei sich nicht verändert hat, sondern ich mich. Ich bin heute besser als damals. Hoffe ich zumindest. Nicht zuletzt einfach dank der Erfahrung. Man wird ja doch ein wenig reifer und weiser über die Jahre. Zum Glück, denn eine Rolle wie den Zsa-zsa Korda in „Der phönizianische Meisterstreich“ hätte ich mit Mitte 20 sicherlich nicht spielen können. Die Komplexität dieser Figur kann ich erst heute wirklich verstehen. Und die Gelassenheit, die ich mit dem Alter entwickelt habe, tut ein Übriges.

Sorgt nur das Alter für Gelassenheit? Oder auch der Erfolg, etwa in Form des Oscars, den Sie 2001 für „Traffic“ gewannen?

Beide Faktoren kommen da sicherlich zusammen. Ich kann nur sagen: anders als früher habe ich heute nicht mehr das Gefühl, mich beweisen zu müssen. Oder jeden Kampf gewinnen zu müssen und alles auf einmal tun zu wollen. Nicht dass ich nicht auch heute noch einen Ehrgeiz in mir spüren würde. Und definitiv brenne ich weiterhin mit Leidenschaft für meinen Job. Aber entspannter als vor 30 Jahren bin ich definitiv.

Um noch einmal zu „Der phönizianische Meisterstreich“ zurückzukommen: Sie spielen darin einen skrupellosen Industriellen und Waffenhändler. Es geht um Macht, Korruption, moralische Grauzonen. Haben Sie sich zur Inspiration einfach einmal in der aktuellen Weltpolitik umgesehen?

Milliardäre und Oligarchen, die es mit der Legalität nicht so genau nehmen, sind doch kein modernes Phänomen. Mir wäre es gar nicht in den Sinn gekommen, anlässlich dieser Rolle mit Wes über Männer wie Trump oder Musk zu sprechen. Wir tauschten uns eher über den armenischen Öltycoon Calouste Gulbenkian aus, der bis in die Fünfzigerjahre lebte, in denen unser Film nun spielt. Wir sprachen über Onassis und filmische Referenzen wie „Citizen Kane“. Korda spricht im Film über Sklaverei, und darüber, dass er mal eine Armee besaß. Da hätte man selbst die Pharaonen im alten Ägypten als Vorbilder heranziehen wollen.

Aber finden Sie nicht, dass die Themen des Films angesichts der Lage in den USA und im Rest der Welt ihn ungleich relevanter und politischer wirken lassen, als man das von Wes Anderson gewohnt ist?

Mir fällt es schwer, dass so zu sehen, was aber auch daran liegt, dass ich als Zuschauer bei Filmen nicht nach Themen suche. Mir geht es darum, ob ich einen Bezug spüre zu den Figuren und mich deren emotionale Reise abholt. Und das ist für mich bei allen Filmen von Wes so. Ob es dabei dann Querverweise zur politischen Großwetterlage gibt, ist für mich eher zweitrangig. Wenn Sie unbedingt aus „Der phönizianische Meisterstreich“ etwas mitnehmen wollen, wie wäre dann eine optimistische Botschaft? Schließlich sehen wir an Zsa-zsa Korda, dass es durchaus verachtenswerte, ruchlose Menschen gibt, die sich ändern und besser werden können. Das ist doch mal ein positives Thema!

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