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Fasten – Warum es keine Dauerlösung ist | ABC-Z

Der Tod ist zwar unschön, noch unschöner wäre aber, wenn unser ­aller Leben nicht irgendwann enden würde. Denn dann gäbe es, vom Pro­blem der Überbevölkerung einmal abgesehen, keinen Grund, morgens aufzustehen, schließlich kämen dafür ja noch unendlich viele andere Tage in Betracht. Wie ist es nun mit dem Fasten, in dem sich auch der eine oder andere Leser seit Aschermittwoch üben wird? Ist es da wie mit dem ­Leben, dass es nur einen Sinn hat, wenn es irgendwann vorbei ist?

Das hängt sicher auch davon ab, worauf man verzichtet. Wer gut sechs Wochen lang zur Entschlackung nur Gemüsesäfte oder sogar quasi nichts zu sich nimmt wie angeblich Jesus in der Wüste oder Markus Söder in Indien, der sollte nicht nur aus vitaler, sondern womöglich auch aus ernährungsphysio­logischer Sicht danach einmal wieder (wie Söder) Schweinshaxe essen.

Anders sieht die Sache aus, wenn die Objekte des Verzichts Alkohol oder Zigaretten sind. Da ­sagen ja Fachleute, man spüre schon nach ein paar Tagen die positive Wirkung am eigenen Körper. Warum also sollte man am Ostersonntag wieder mit dem Trinken oder Rauchen anfangen?

Womöglich, weil man es ohne diese Perspektive nicht nur keine sechs Wochen, sondern keine sechs Stunden geschafft hätte. Der Mensch braucht ja Ziele. Etwa den „Rausch des Rückfalls“ (Gregor Hens), der umso schöner ist, je länger die Abstinenz gedauert hat. Aber könnte das Ziel nicht heißen: Nie mehr, nie wieder? Der Bedeutungsunterschied der beiden Wendungen, den Farin Urlaub in seinem Lied „Nie wieder Krieg, nie mehr Las Vegas!“ auf den Punkt gebracht hat, zeigt, dass es so einfach nicht ist. Im „Nie wieder“ steckt Erleichterung über das endgültige Ende – das „Ein Mal und nie wieder“ schwingt mit. Im „Nie mehr“ hingegen dominiert das Bedauern über den „Verlust“ (Andreas Reckwitz) und die Unwiederbringlichkeit, mit der sich der Mensch bekanntlich so schwertut, dass er ein Himmelreich ersonnen hat.

Man könnte es, wie es so die menschliche Art ist, auch mit nix Halbem und nix ­Ganzem probieren, genannt Maß und ­Mitte: Jeden Tag nicht mehr als vier Bier und fünf Zigaretten. Oder man könnte das Bier und die Kippen immer in greifbarer Nähe ­haben und gerade im Wissen darum, dass sie da wären, wenn man sie brauchte, sich zwanglos von ihnen lösen.

Andererseits: Wenn man erst einmal das vierte Bier aufgemacht hat, wie wahrscheinlich ist dann noch, dass man wenigstens die ­Zigarettenschachtel unangetastet lässt? Die einzige wirksame Vorkehrung gegen das „Nie ­wieder“ und das „Nie mehr“ ist das „Nie“. Doch alles, was es dazu zu sagen gibt, hat Roland Kaiser in einem Lied ­formuliert, in dem es um eine Frau geht, die mit „Augen wie Smaragd“ und einem nur von einem Träger gehaltenen Shirt morgens aus der Hoteltür mit diesem „Ich seh dich nie ­wieder“-Blick gegangen sei: „Sag niemals nie.“

Was lehrt uns das zum Ende der ­Fastenzeit, in Erwartung der ­Osternacht, die an diesem Samstag um 24 Uhr auch an der Hotelbar beginnt? Es gibt, mathematisch ausgedrückt, zwei ­Arten zu leben: 0+0. Oder: 799+7+10-3×8+4:2+5-9+3×3-678-121. Die zweite entspricht der österlichen Botschaft.

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