Kokosnüsse sind so viel mehr als trockene Späne | ABC-Z

Der westliche Gaumen wird von der Pike auf mit trockenen Kokosspänen malträtiert. Klebrig-trockene Kokosmakronen schmücken Omas Weihnachtstisch, beim Raffaello bilden die Späne eine Außenschicht, die man schnell überwinden will, und halbe Bounty-Riegel bleiben zwischen den Zähnen hängen. Doch die Kokosnuss könnte kaum vielseitiger sein. Je nach Verarbeitungsmethode wird sie zu Milch, Essig, Fett, Zucker oder gar Verdickungsmittel. Selbst geraspelte Kokosnüsse sind oft viel saftiger und aromatischer, als wir es im Westen gewohnt sind, wie ich auf einer Reise in Südostasien feststellen konnte.
Die erste Erfahrung, die mir zeigte, dass Kokosnüsse mehr zu bieten haben, kam, als mein Vater für ein paar Monate im Schwarzwald arbeitete und mit einem indischen Mitbewohner in einer WG lebte. Während Papa mit bescheidenen Deutschkenntnissen fürs Organisatorische und Putzen zuständig war, kochte Uncle Nagesh aus Ahmedabad jeden Tag frisch. Meine Mutter nahm uns Kinder mit, um die beiden zu besuchen. Und obwohl ich mich an kaum etwas von diesem Trip vor fast 30 Jahren erinnere, werde ich nie den intensiven Geschmack des frischen Kokos-Chutneys vergessen, den uns Nagesh servierte. Unter der Schärfe der grünen Chilis, die mir Tränen in die Augen trieb, lauerte eine Harmonie aus Korianderblättern und frischer, zerkleinerter Kokosnuss: cremig, komplex-aromatisch und erfrischend zugleich.
Als austronesische Entdecker lange vor europäischen Kolonialmächten weite Teile des Pazifischen und Indischen Ozeans besiedelten, reiste auch die Kokosnuss mit: eine wichtige Quelle für Flüssigkeit und Energie, die auch lange Schiffsreisen gut übersteht. Genauso haltbar sind Tarowurzeln, beides gedeiht zudem gut in Küstennähe. So schafften es diese frühen Seefahrer, die übrigens auch den Katamaran erfunden haben sollen, Inseln zu besiedeln, die von Hawaii und Neuseeland über das indonesische Archipel bis nach Madagaskar reichen. Archäologischen Funden zufolge ist die Kokospalme in Indonesien beheimatet und prägt bis heute, trotz zahlreicher kulinarischer Einflüsse, die sich in diesem globalen Drehkreuz eingefunden haben, alle örtlichen Küchen maßgeblich.
Wie Milchprodukte in Deutschland
Unterwegs in Singapur finden sich Gerichte und Getränke mit Kokosnuss in jedem Geschäft, doch das ist vermutlich so, als würde ein Journalist aus Singapur in Deutschland bemerken, dass es an jeder Ecke Milchprodukte gibt. Trotzdem sind die Vielfalt an Speisen und die dazugehörigen Kulturen ziemlich einzigartig. Es ist nicht ungewöhnlich, sich zum Mittagessen in eine der Markthallen (Hawker Centres genannt) zu setzen und sich ein Menü aus fünf verschiedenen Kulturen zusammenzustellen, die alle Kokosnuss verwenden.
„Es wird in so vielen Speisen gebraucht, dass es den meisten kaum bewusst ist“, sagt Ruqxana Vasanwala, die an ihrer Kochschule „Cookery Magic“ in einem urigen Bungalow mit eigenem Kräutergarten das kulinarische Erbe ihrer Heimat weitergibt. Schon Tim Raue hat sich hier inspirieren lassen. „Kokosnüsse sind so alltäglich in Südostasien, dass niemand sie als exotisch oder luxuriös betrachtet. Ein gutes Beispiel ist das malaysische Beef Rendang, bei dem der Röstansatz aus Kokosnüssen unverzichtbar ist“, sagt sie.

Beef Rendang ist das cremig-aromatische, malaysisch-indonesische Äquivalent zum Rinderragout und wird von Muslimen, Daoisten und Christen gleichermaßen geliebt. Die allgegenwärtige Nyonya Laksa, eine Nudelsuppe mit Shrimppaste und einer Vielzahl an frischen Gewürzen, kommt ebenfalls nicht ohne Kokosmilch und den Röstansatz aus, die die Suppe wie Stärke binden. Und Nasi Lemak, das vermutlich beliebteste Reisgericht der Region, wird zwingend in Kokosmilch gekocht.
Sago-Pudding selber machen
Natürlich sind unzählige Desserts auch undenkbar ohne Kokosnuss: ob Bubble Teas mit Kokosgelee oder knallrote Ang-Gu-Kueh-Klebreiskuchen in Schildkrötenform, gefüllt mit karamellisierten Kokosraspeln, oder auch Sago-Pudding, kleine Tapiokaperlen mit einer Soße aus Kokosmilch, serviert mit Palmzucker oder Mango und Pomelo. Ein Dessert namens Onde-Onde („Klepon“ in Indonesien) hat es mir besonders angetan. Hier werden zarte, mit Pandan grün getönte Klebreiskugeln mit dem typisch karamellisierten Palmzucker Gula Melaka gefüllt, gedämpft, bis der Zucker flüssig wird, und anschließend in zarten, frischen Kokosspänen gewendet. Der Geschmack ist harmonisch und nicht zu süß, und das Mundgefühl, das zwischen leichtem Widerstand und dekadentem Schmelz von flüssigem Palmzucker schwenkt, sucht seinesgleichen in der westlichen Patisserie.
Selbst in den zahlreichen Hindutempeln der Stadt spielen Kokosnüsse eine wichtige Rolle als Opfergaben, wie ich bei einer Führung durch den singapurischen Stadtteil Little India feststellte. Überall lagen aufgebrochene Kokosnüsse auf silbernen Schalen, die die Hingabe zu den Göttern symbolisieren sollen. „Meine früheste Erinnerung an Kokosnüsse kommt von den Ritualen, die wir an Geburtstagen im Tempel vollziehen“, sagt die indischstämmige Vasanwala. „Sie gehören wirklich einfach zu unserem Leben dazu.“
Wer sich an einem wirklich einfachen Kokosdessert versuchen möchte, das garantiert ohne Raspeln auskommt, sollte Sago-Pudding ausprobieren. Diese Version verwendet Gula Melaka, einen Zucker aus Malaysia, den man aus dem Nektar der Kokospalme gewinnt. Falls sich dieser nicht auftreiben lässt, funktioniert auch der indische Palmzucker „Jaggery“ oder der etwas teurere Palmblütenzucker. Tapiokaperlen, in Südostasien Sago genannt, sind die kleine Version von den Perlen, die in Bubble Tea verwendet werden. Erhitzte Kokosmilch trifft auf den Palmzucker und wird oft auch mit einem geknoteten Pandanblatt oder klein geschnittenem Ingwer aromatisiert. Dieses cremige Dessert wird am besten kalt gegessen.
Zutaten für vier Personen:
- 200 Gramm kleine Tapiokaperlen (in großen Supermärkten und Asia-Märkten zu kaufen)
- 250 Milliliter Kokosmilch
- 150 Gramm Gula Melaka oder Gula Jawa (ebenfalls im Asia-Markt zu finden), in Stücke gebrochen oder geschnitten
- 1 Prise Salz
- 1 Pandanblatt, geknotet (optional)
- 2 Zentimeter Ingwerknolle, fein gehackt (optional)
- Kochen Sie die Tapiokaperlen in Wasser zehn bis fünfzehn Minuten, bis diese transparent werden und wie Froschlaich anmuten.
- Kippen Sie die Perlen in ein feines Sieb und spülen Sie die überschüssige Stärke unter fließendem Wasser ab. Wahlweise können Sie die Perlen im Ganzen abkühlen lassen und beim Servieren portionieren oder sie schon vorher in Förmchen füllen und zum Schluss stürzen.
- Während die Perlen kochen, kochen Sie die Kokosmilch mit dem Palmzucker und Salz, bis sie sich aufgelöst haben. Falls Sie Ingwer verwenden, lassen Sie diesen etwa zehn Minuten ziehen und sieben Sie ihn danach heraus. Lassen Sie auch die Soße abkühlen.
- Verteilen Sie die Perlen auf vier Schüsseln und übergießen Sie sie mit der Soße aus Kokosmilch.