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Der einzigartige Puppenspieler Josef Pretterer ist mit 77 gestorben – München | ABC-Z

Lange vor einem Sascha Grammel oder einem René Marik, schon Ende der Neunzigerjahre, hat ein anderer mit Puppen die Kleinkunstbühnen erobert. Freilich – und das ist wohl auch der Grund, warum er nie so erfolgreich wurde wie die erwähnten Kollegen – war das Puppenspiel des Josef Pretterer weit entfernt von den klassischen Bauchredner-Nummern. Was schon die von ihm selbst verkörperte Figur verdeutlicht, mit denen er in den späten Programmen seine Puppen-Geschichten gerne verband: dem „Hausmeister des Universums“.

Pretterer schuf im Laufe von mehr als 20 Bühnenjahren über 70  Schaumstoffwesen: ein paar kleinere, auf dem Schoß gespielte wie ein sprechender Maßkrug oder eine vorlaute Weißwurst; meist aber waren es lebens-, oft überlebensgroße, die er mit speziellen Haltekonstruktionen bewegte. Grotesk wirkten sie zumeist, beispielsweise ein gammeliger russischer Organhändler oder die an Hieronymus Bosch erinnernde „Gier“. Dank Pretterers reichlich mit Dialekten arbeitender Stimme entwickelten sie ein derart starkes Eigenleben, dass man die Person dahinter gar nicht mehr wahrnahm.

Auch thematisch waren seine insgesamt zehn Programme keine leichte Kost. Zwar konnte es zwischendurch durchaus frivol, derb oder albern werden – seine Version der Genesis etwa war genauso ätzend witzig wie die von Douglas Adams in „Per Anhalter durch die Galaxis“ -, doch behandelten seine archaischen Figuren am Ende die großen Themen: Liebe, Mitmenschlichkeit und Tod. Etwa schon in seinem Debüt „Herztod“, das stark von seiner damals noch ausgeübten Arbeit als Altenpfleger inspiriert war: „Die Heimbewohner erzählten mir immer, was sie in ihrem Leben alles nicht gemacht hatten.“

Das muss einem wie ihm ebenso traurig wie komisch vorgekommen sein. Ging doch der 1948 im Rheinland Geborene nach der Lehre als technischer Zeichner und dem Kunst- und Design-Studium in Köln kurzentschlossen und ohne Sprachkenntnisse nach Kolumbien. Nach vielen Abenteuern landete er schließlich in München. Hier zeichnete er Cartoons für die Magazine Stern oder Bunte und bekam bald Aufträge vom Fernsehen und vom Theater. Einige Geschöpfe aus der „Sendung mit der Maus“ stammen von ihm, auch für die „Sesamstraße“ arbeitete er. Für eine Inszenierung von Becketts „Endspiel“ sollte er dann Nell und Nagg als lebensgroße Puppen entwerfen. Das war die Geburtsstunde seines einzigartigen „Puppentheaters“, mit dem der Spätstarter vom 50. Lebensjahr an einen eigenen Kabarettstil kreiert hat.

Noch in seinem letzten Programm „Die Erlösung“, das immer noch hochaktuell das Phänomen der Angst durchdeklinierte, konnte man Pretterers überbordende Fabulierlust und -kunst bewundern, auch seinen außerordentlichen Sinn fürs absurd Theatralische. Und nicht zuletzt sein kritisches Gespür für die hinter der Überzeichnung steckenden menschlichen Schwächen und Stärken.

Vor der Corona-Pandemie hatte er damit Premiere, danach war – wie für manche andere – auf den verbliebenen Kleinkunstbühnen kaum mehr Platz für ihn und seine überdimensionalen Puppen. Am Dienstag ist der große Kleinkünstler Josef Pretterer im Harlachinger Klinikum mit 77 Jahren an einem Herzstillstand gestorben.

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