Eier aus dem Supermarkt? Die Besitzerinnen von Kuhtopia raten davon ab | ABC-Z

Rosa schläft gerade in ihrer Holzhütte. Überhaupt entspannt sie am allerliebsten dort, eingekuschelt im Heu mit ihrer Freundin Sissi, den ganzen Tag lang. Jetzt soll sie aufstehen, wünschen sich ihre Besitzerinnen, denn die AZ-Redakteurin steht vor dem Schweine-Gehege. Und bewegt haben die beiden sich heute auch noch nicht. Mit einem Salatkopf als Bestechung könnte es klappen, meint Stefanie Mühlbacher. Rosa grunzt. Noch müde, hievt sie sich aus der Liegeposition auf ihre vier Füße und gibt Schnalzlaute von sich. Ein Zeichen, dass sie genervt von uns ist, erklärt Mühlbacher grinsend. Schläfrig taumelnd macht sich Rosa dennoch über den Salat her. Es schmeckt, offensichtlich.
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“Jedes Leben ist wertvoll”
Die zwei Vierbeiner leben mit 38 anderen Tieren – 23 Hühnern, 13 Kühen und zwei Katzen – auf dem Lebenshof Kuhtopia in Petting (Kreis Traunstein). Dort dürfen sie einfach sein. Sprich: Sie sind keine Nutztiere, müssen weder Eier noch Milch oder Fleisch produzieren. Ein Besuch.
Hennen aus Legebetrieben, gerettete Kühe aus Milchviehhöfen, Schweine, die kein Zuhause mehr gehabt hätten: All solche Tiere landen – wenn sie Glück haben – auf Kuhtopia. Der Lebenshof möchte ihnen ein Zuhause bieten, ein besseres, überhaupt Leben ermöglichen. Denn: “Jedes Leben ist wertvoll.” Wöchentlich kämen viele Anfragen rein, ob die beiden Frauen noch Kapazitäten für weitere Tiere haben. Stefanie Mühlbacher hat zusammen mit ihrer Frau Helen vor zwei Jahren den “Moiernhof” von Stefanies Eltern übernommen. Hauptberuflich ist Stefanie User-Experience-Designerin, Helen programmiert Computerspiele. Dazu kümmern sie sich um ihre Tiere.
Den ehemaligen Milchhof haben sie verwandelt. Nun kann der Lebenshof regelmäßig an kostenlosen Besuchertagen (Absprache per Mail) besichtigt werden. Den Menschen soll ermöglicht werden, in Kontakt mit den Tieren zu treten. Sie sollen wissen, dass dies fühlende, intelligente Wesen sind, die Bedürfnisse, Freundschaften, Familien haben, erklärt Helen. “Tiere sind keine Maschinen”, fügt ihre Frau hinzu.
“Ein Ei im Supermarkt ist etwas sehr Anonymes”
Auf Produktverpackungen würden täuschende Bilder gezeigt, Verbraucher werden in die Irre geführt, davon sind die Frauen überzeugt. “Ein Huhn lacht von einer Wiese bei Eiern aus Bodenhaltung? Ha ha, sehr witzig”, meint Stefanie ironisch. Bodenhaltung sei noch immer der Standard in Deutschland. 58 Prozent der Eier stammen von Legehennen aus Bodenhaltung, so zeigen es Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2024. In Freilandhaltung werden 23,6 Prozent der Eier produziert, aus Ökohaltung stammen 14,1 Prozent. Zum Vergleich: Eine Henne in Bodenhaltung hat 0,11 Quadratmeter Platz zur Verfügung, in Freilandhaltung haben die Tiere zusätzlich vier Quadratmeter Auslauffläche pro Huhn. “Das ist immer viel zu wenig, selbst die Biostandards”, so Stefanie.

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Welche Eier man also ihrer Meinung nach im Supermarkt kaufen kann? “Keine”, meinen die Veganer. “Selbst Privathaltung ist oft nicht ideal”, so Helen. Sie führt aus: Ein Wildhuhn in freier Natur legt nur 20 bis 30 Eier pro Jahr. Legehennen werden darauf gezüchtet, über 300 Eier pro Jahr legen zu können. “Also fast jeden Tag ein Ei, das ist für ihre kleinen Körper viel zu viel.” Und weiter: “Es ist also egal, ob Bio-Ei oder aus konventioneller Haltung: Alle Tiere wurden so gezüchtet, dass sie Hunderte Eier pro Jahr legen können.” Krankheiten seien unvermeidbar. “Gekauftes Ei, entspricht krankes Huhn”, verdeutlicht Stefanie.
Im Quarantänestall auf Kuhtopia sind vor Kurzem fünf neue Hühner eingetroffen, die den Frauen über die Tierhilfe Fünfseenland vermittelt wurden. Sie wurden aus Bodenhalten gerettet. Die Vögel haben Abszesse an den Beinen, die Federn der Tiere sind zerzaust und brüchig. Sie werden nun aufgepäppelt und können dann zu ihren Genossen nach draußen ins Freie.

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Denn neben Kühen, die vor dem Hof auf einer 7,3 Hektar großen Fläche weiden können, dürfen weitere Hühner Kuhtopia ihr zu Hause nennen. Ihr Gehege ist eingezäunt, aber “sie könnten jederzeit herausflattern, wenn sie möchten”, so Helen. Öffnet man ihr Gatter, kommen die Vögel zur Begrüßung direkt angelaufen, schnatternd, versteht sich: Da wäre etwa die verschmuste Ballerina oder Adonis, einer der fünf Hähne im Korb. Helen und Stefanie können all ihre Tiere unterscheiden und kennen jedes beim Namen.
“Wir wollen in einer Welt leben, in der alle Tiere ein Recht auf freies Leben haben”
Wenn es nach den Mühlbachers geht, werden Tiere künftig gar nicht mehr als Produzenten gehalten. “Wir wollen in einer Welt leben, in der alle Tiere ein Recht auf freies Leben haben, und versuchen, auf unserem Hof diese Utopie Wirklichkeit werden zu lassen.” Die Eier, die auf Kuhtopia gelegt werden, bekommen die Tiere selbst wieder serviert.
In Sachen Tierschutz in Deutschland fordern die Frauen: unangekündigte, jährliche Kontrollen von Schlachthöfen, mehr Zugriffsrechte für Veterinärämter, Haltungsverbote bei Fällen von Tierquälerei sowie insgesamt die Tierzahlen in der Nutztierhaltung zu reduzieren. “All dies hätte positive Auswirkungen auf Biodiversität und das Klima.” Es wäre ein kleiner erster Schritt – in Richtung mehr Lebensqualität für Tiere, hin zu Kuhtopia.