Kultur

Millionen schauen Streaming-Hit aus Schweden | ABC-Z

Einschalten, um abzuschalten: Die meiste Zeit passiert hier nichts. Der Fluss plätschert, umgeben von Nadelbäumen. Hier und da ein paar Flecken Schnee. Am aufregendsten ist die Stelle im Fluss, an der ein paar Steine liegen und sich das Wasser kräuselt. Hin und wieder zwitschert ein Vogel. Die Sonne scheint.

Bei der Naturdoku in Echtzeit namens „Die große Elchwanderung“ schauen neun Millionen Zuschauer rein. Sie alle wollen Elche sehen, die einen Fluss überqueren. (Wer dabei sein möchte: Hier geht es zum Elch-Stream.)

Denn seit Jahrtausenden nehmen Elche im Frühjahr dieselbe Route in Schweden, um von ihren Winterquartieren an der kargen Küste zu saftigen Weideflächen im Inneren des Landes zu kommen. Dafür müssen sie den Fluss Ångermanälven überqueren.

300.000 Elche im Land

Rund 300.000 Elche soll es im Land geben. Allerdings bekommt man die scheuen Einzelgänger in freier Wildbahn kaum zu Gesicht. 2019 kam das Fernsehen auf die Idee, die Schweden daran teilhaben zu lassen. Der öffentlich-rechtliche Sender SVT zeigte „Den stora älgvandringen“, wie das Format im Original heißt. Fast eine Million Zuschauer begleiteten die Elche damals. Dank Stream auf der Website hatten die Elche 2024 neun Millionen Zuschauer. Auch RTL+ zeigte die Elchwanderung.

In diesem Jahr geht die „Show“ in die sechste Staffel. 20.000 Meter Kabel wurden verlegt, 26 ferngesteuerte Kameras und sieben Nachtkameras installiert. Auch eine Drohne ist im Einsatz. Um die Tiere nicht zu stören, arbeitet die fünfzehnköpfige TV-Crew von Umeå aus. Die Produktionskosten dürften gering sein, vor allem gemessen an dem Output: 506 Stunden Programm waren es im vergangenen Jahr.

In diesem Jahr überraschte das Frühlingswetter die TV-Leute, und die Liveübertragung musste eine Woche vorgezogen werden, weil die Elche dem Ruf der Natur bereits gefolgt waren.

Online zeigt ein Elchzähler, wie viele Tiere den Fluss Ångermanälven bereits überquert haben. Der wasserreichste Fluss Schwedens entspringt im Nachbarland Norwegen und fließt dann, ein paar Hundert Kilometer von Stockholm entfernt, in östlicher Richtung durch Nordschweden. Die Kameras sind hauptsächlich in der Gemeinde Kullberg positioniert. Natürlich überqueren Elche auch an anderen Stellen den Fluss, fernab von Kameras.

Der ein oder andere Otter zeigt sich in den Kamerabildern, auch Bären, Vielfraße, Luchse und balzende Auerhähne gibt es zu entdecken. Das passt in Zeiten, in denen Netflix den Stream eines Kaminfeuers anbietet („Kaminfeuer 4K“, wahlweise in den Varianten „Knisterndes Birkenholz-Feuer“ oder „Knisterndes klassisches Kaminfeuer“) und dieser über die Weihnachtsfeiertage schon mal die Spitze der Seriencharts emporlodert.

Unterwasser-Webcam für Fische

Fans der Elchwanderung mögen vielleicht auch: die „Fisch-Klingel“ von Utrecht. Tausende Fische schwimmen im Frühjahr die Oudegracht der niederländischen Stadt hinauf, um zu ihren Laichplätzen zu gelangen. Ein unüberwindbares Hindernis ist die Schleuse Weerdsluis, die im Winter und Frühjahr geschlossen bleibt. Daher wurde an der Schleuse eine Unterwasser-Webcam installiert. Sieht ein Zuschauer auf dem Stream einen Fisch, kann er, in Vertretung für den Fisch, beim Schleusenwärter klingeln, damit der den Fisch durchlässt.

Bei der Fisch-Klingel wie beim Elch-Stream passieren keine Katastrophen. Keiner quatscht dazwischen. Es passiert nichts – und doch gibt es immer was zu sehen. Die Natur, rein und pur. 2019 überquerten 60 Elche den Fluss, im darauffolgenden Jahr nur 21. 2024 dann der Rekord: 87 Elche!

Spannender wird es nicht. Und das ist schön so.

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