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Junge Mannschaft braucht Halt nach Europa-League-Aus | ABC-Z

Es hörte einfach nicht auf zu regnen. Je länger das Spiel der Eintracht gegen Tottenham in der Europa League dauerte, je häufiger sich die Spieler die Topfen von der Stirn wischten, desto ratloser wirkte die junge Eintracht-Elf. Die Spieler schauten sich um, wenig fiel ihnen ein, sie mühten sich zwar, aber ohne Idee.

Es schien, als suchte die jüngste Mannschaft des Wettbewerbs – im Mittel 24 Jahre alt – nach Rat. Was soll sie tun, wenn es eng wird? Wem soll sie den Ball passen, wenn sie nicht mehr weiter weiß? Abwehrspieler Arthur Theate versuchte alles, verzweifelte aber und zoffte sich dann mit den Gegenspielern.

Rechtsverteidiger Rasmus Kristensen haderte mit sich selbst, nachdem er zweimal das verwaiste Eck des Tottenham-Tors verfehlt hatte. Kapitän Robin Koch verteidigte konzentriert, aber auch ihm gelang es nicht, den jungen Kollegen Mut zuzusprechen. Und als Spielmacher Mario Götze nach fast 20 Minuten vom Platz humpelte, verlor die Eintracht im Mittelfeld die Kontrolle.

Die Antwort auf die Frage, wer der Fixpunkt dieser Mannschaft ist, könnte aus Frankfurter Sicht ungemütlich ausfallen: Das Herz der Mannschaft war auch ihr Kopf – und der spielt nun in England.

Jedes Talent braucht einen Gegenpart

Es ist eine Weile her, dass sich unter den Fans der Eintracht Phantomschmerzen breitmachten. Nachdem Omar Marmoush den Klub verlassen hatte, versuchten auch die Mitspieler und der Trainer, das Fehlen zu verdrängen. Der neue Marmoush hieß Hugo Ekitiké, er kombinierte mit Götze und schoss wichtige Tore. Von hinten schoben Kristensen und Theate das Team an. Das System wirkte nun wieder gefestigt – und bereit, Tottenham zu besiegen.

Dass das nicht gelang und die Eintracht stattdessen 0:1 verlor, liegt auch am Mix dieser Mannschaft. Sie hat Talent. Aber für jedes Talent braucht es einen Gegenpart, der es steuert, ihm Sicherheit gibt. Ist dieser Gegenpart besonders gut, können sich in seinem Schatten gleich mehrere Spieler entwickeln.

Wie in der Hinrunde, als Marmoush dafür sorgte, dass Nathaniel Brown, Nnamdi Collins und Hugo Ekitiké teilweise stark spielten, ohne dass über sie viel gesprochen wurde. Marmoush ist seit drei Monaten in England. Aber als seinen ehemaligen Kollegen gegen Tottenham ein Tor fehlte, um in die Verlängerung zu kommen – da war er wieder da. Zumindest in den Köpfen der Fans, die nach dem Spiel nicht nur über die Pfützen im Frankfurter Stadtwald meckerten. Sondern auch über ihren Sturm.

Tottenhams Defensive machte in beiden Spielen unerklärliche Fehler, spielte teilweise ohne Bedrängnis den Ball in die Füße der Frankfurter. Aber nachdem Ekitiké bereits nach sechs Minuten in London getroffen hatte, passierte in Frankfurt 174 Minuten lang recht wenig. Elye Wahi, der Marmoush ersetzen sollte und fast 25 Millionen Euro gekostet hat, hilft bisher nicht. Michy Batshuayi, der mit seiner Physis eine der zig Flanken hätte erreichen können, ließ Toppmöller auf der Bank.

Es sind Fragen für die Zukunft

Und so ist die Eintracht gegen einen Gegner ausgeschieden, der nicht besser, aber reifer war. Das könnte in Zukunft bedeuten: Vielleicht braucht der Frankfurter Klub nicht noch zwei weitere Talente, sondern eher zwei Spieler, die ihm in solchen Momenten Halt geben. Einen zweiten erfahrenen Spielmacher zum Beispiel.

Es sind Fragen für die Zukunft. Jener Zukunft, die im Juli beginnt, wenn die Transfermärkte öffnen. Bis dahin hat die Eintracht noch ein zweites Ziel: die Champions League. In Augsburg an diesem Sonntag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei DAZN) könnte sie einen riesigen Schritt machen, um dieses Ziel zu erreichen.

„Ich habe die Gruppe heute in Ruhe gelassen“, sagte Toppmöller am Freitag. Von Ekitiké und Kristensen habe er gehört, dass die beiden kein Auge zugemacht hätten. Aber: „Wir können es nicht mehr ändern. Wir sind auf dem Weg, die beste Bundesligasaison der Vereinsgeschichte zu spielen. Das ist Anreiz genug.“

Was der Trainer damit konkret meinte: 16 Siege, 60 Punkte. Es sind die beiden Bestmarken in Eintrachts Bundesligahistorie. Den Frankfurtern fehlen dafür neun Punkte und ein Sieg. Nach dem Spiel erklärte Robin Koch, er wolle in der Champions League spielen.

„Manche Dinge sind selbsterklärend“

Toppmöller oder die Vorstände Markus Krösche und Axel Hellmann sind bisher der Frage nach diesem Ziel filigran ausgewichen. Am Freitag dann noch ein Versuch: Wäre es jetzt, wo es nur noch dieses Ziel gibt, nicht an der Zeit, Herr Toppmöller? „Manche Dinge braucht man nicht groß auszurufen. Die sind selbsterklärend.“

Im Kampf um die Champions-League-Qualifikation muss die Eintracht voraussichtlich auf Mario Götze verzichten. Nach Augsburg fährt der Mittelfeldspieler nicht mit, dann wollen die Frankfurter von Woche zu Woche schauen, wie es ihm und seinem rechten Oberschenkel geht.

Weil nun alle Stürmer fit sind – Ekitiké, Wahi, Batshuayi und Igor Matanović –, denkt Toppmöller darüber nach, im Saisonfinale wieder mit einer Dreierkette zu spielen. Dann wäre Platz für zwei Stürmer. Ekitiké müsste sich nicht allein gegen zwei Innenverteidiger aufreiben, wie er es zuletzt gegen Tottenham tat.

In Augsburg steht der Eintracht ein ähnlich körperliches Spiel wie im Europokal bevor. Eines, das der jungen Mannschaft, die zu den fairsten der Bundesliga gehört, schwerfallen könnte. Andererseits: Sie gewann zuletzt auch in Bochum, wo ähnlich Fußball gespielt wird wie in Augsburg.

Toppmöller jedenfalls glaubt an sein Team: „Tottenham ist schon wieder Geschichte. Und oft ist der bitterste Moment ja der Startschuss für den größten Erfolg.“ Vielleicht hilft es also, den Kopf der Eintracht in diesen Tag nicht auf dem Platz zu suchen. Sondern daneben.

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