Zollstreit: Trump feiert sich auf dem Trümmerhaufen | ABC-Z

Die USA und China verkünden in Genf eine “Einigung”
im Zollstreit, so drückt es US-Finanzminister Scott Bessent aus: Für 90 Tage senken sie ihre Zollbarrieren, die USA behalten einen Importzoll von 30 Prozent auf Importe aus China bei, andersherum sind es zehn Prozent.
Doch der ‘Deal’ wird abgesehen von einem kurzen Aufatmen an den Börsen die Weltwirtschaft nicht erleichtern.
Im Gegenteil: Er zögert die Hängepartie nur noch weiter hinaus.
Man muss sich die Trümmer nur vergegenwärtigen, die Präsident
Trump seit Beginn seiner Amtszeit mit dem Zollstreit bereits hinterlassen
hat: Seitdem die USA Importe aus China mit 145 Prozent Zoll belegt haben, brachen Aktienkurse ein, stornieren US-Unternehmen Bestellungen ihrer Zulieferer, Schiffe
fahren mit weniger Containern über den Pazifik, südostasiatische Nähfabriken bangen
um ihre Aufträge, die Angestellten dort um ihre Arbeitsplätze.
Der Zollstreit hat damit bereits hohen Schaden an der Weltwirtschaft angerichtet. Und nun bittet US-Präsident Donald Trump an den Verhandlungstisch – um das Chaos gemeinsam
wieder in Ordnung zu bringen.
Trump inszeniert sich als Problemlöser
Auf den ersten Blick funktioniert diese Taktik: Mit dem
Druck, den die US-Regierung durch die Ankündigung von hohen Strafzöllen aufbaut, scheint sie sich in der verlässlich darauffolgenden Zollpause das Abkommen maßschneidern zu können.
Das konnte man in Großbritannien in der vergangene Woche gut beobachten: Es war das erste
Land, mit dem Trump ein bilaterales Abkommen schloss, nachdem er Anfang
April wahnwitzige Strafzölle gegenüber fast allen Staaten der Welt verkündet und sie dann für eine 90-tägige Zollpause wieder ausgesetzt hatte. Trump lobte
die Handelseinigung mit Großbritannien als “Durchbruch-Deal”, gar “historisch”, ja “bahnbrechend”.
Trump kann sich so als Problemlöser inszenieren. Und tatsächlich sind für die USA bei dem Abkommen mit Großbritannien einige Vorteile herumgekommen: US-Waren sollen am Zoll bevorzugt bearbeitet, zudem der Nahrungsmittelmarkt für Importe von Fleisch geöffnet werden. Die US-amerikanische Rindfleischindustrie zeigt sich begeistert, wie das Weiße Haus auf seiner Website zitiert: “Thank you, President Trump, for fighting for American cattle
producers.” – Danke, Präsident Trump, dass Sie für die amerikanischen Viehzüchter kämpfen.
So könnte es auch jetzt ablaufen: In der Zollpause könnten die USA ihrem Handelspartner China Vorteile abringen, die ihnen das Land ohne den vorherigen Zoll von 145 Prozent vielleicht nicht zugestanden hätte. Zudem verhindert die Zollpause, dass der Zollstreit erstmals auf US-Verbraucher durchschlägt. Denn die Lager der Händler leeren sich, Nachschub wartet seit Wochen vor
der
Zollschranke. Diese Waren können jetzt günstig
eingeführt werden – die Preise in US-Supermärkten bleiben also erst mal gleich.
Die Weltwirtschaft braucht Langfristigkeit
Doch bei diesen vermeintlichen Einigungen darf eines nicht vergessen
werden: Trump löst damit zwar offenbar kurzfristig ein Problem – langfristig schafft er allerdings ein neues. Und das könnte für die USA viel schwerwiegender sein.
Denn mit einer 90-tägigen Zollpause können die Unternehmen dieser
Welt nicht umgehen. Um etwa eine Kleidungsfabrik in Vietnam aufzubauen, brauchen
selbst Großkonzerne wie Nike zwei Jahre. Lebensmittelhändler suchen Monate,
bis sie einen vertrauensvollen Lieferanten in Übersee gefunden haben. Und Logistiker
planen auf Jahre, welche Frachtrouten sie etablieren wollen. Manche dieser Entscheidungen kosten die Unternehmen Millionen, die sie auf Jahre abschreiben.
Deshalb brauchen Konzerne sowie Verbraucherinnen und Verbraucher ein planbares, transparentes und – ja, so langweilig das klingt –
auf Jahre vorhersehbares Marktumfeld. Unter anderem darauf arbeitet die Welthandelsorganisation seit den Neunzigerjahren hin. Der anhaltende wirtschaftliche Aufschwung in nahezu allen Mitgliedsstaaten gibt dieser Strategie recht.
Mit ihrer befristeten Einigung schaffen die USA und China
nun genau das Gegenteil. Wird China auf
die Forderungen der Trump-Regierung eingehen? Werden weiter Zölle bestehen –
und wenn ja, ab wann und in welcher Höhe? Welche Ausnahmen wird es geben? Die Unsicherheit für Unternehmen bleibt, die Hängepartie
für die Weltwirtschaft wurde gerade um 90 weitere Tage verlängert.
Einziges Ziel: Politische Gewinne
Selbst wenn China und die USA in dieser Zeit ein Abkommen
zustande bringen, selbst wenn Trump sich dann erneut als Problemlöser inszenieren kann: Das Chaos wird nachhallen. Mit jedem Hin und Her wird das Vertrauen in die
Stabilität von Handelsbeziehungen beschädigt. Zulieferer werden sich nach verlässlicheren Partnern umsehen, in der EU etwa. Und der Austausch wird zwischen den Volkswirtschaften zunehmen, die sich auf langfristige Regeln verständigt haben – und diese befolgen.
Der US-Wirtschaft erweist Trump damit langfristig einen Bärendienst. Zumal der positive Effekt seiner Deals ebenfalls fragwürdig ist, wie das Abkommen mit Großbritannien zeigt: Viele Details sind noch völlig unklar, manches bisher Absichtserklärungen, und Fleischexporte etwa tragen gerade einmal rund ein Prozent zum Exportvolumen der USA bei – der wirtschaftliche Effekt könnte also gering ausfallen.
Das als Erfolg zu verkaufen, zeigt, worum es Trump im Zollkonflikt eigentlich geht: innenpolitisch zu punkten. Trump will möglichst stark aus dem Chaos kommen, das er bewusst geschaffen hat. Und Großbritannien, ja selbst China – immerhin die größte Exportnation der Welt – spielen das Spiel auch noch mit.