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Starnberg: 500 Euro für einen Tiefgaragenplatz – Starnberg | ABC-Z

Starnberg ist ein teures Pflaster, insbesondere mit Blick auf den Immobilienmarkt: Regelmäßig erzielen Objekte in Top-Lage Spitzenpreise bei Kauf oder Miete. Doch selbst für einen gewöhnlichen Tiefgaragenstellplatz gab es unlängst einen neuen Extremwert – zumindest kurzzeitig: In den „Seearkaden“ unweit des Starnberger Sees am Bahnhof sollte ein Stellplatz vom 1. August an monatlich 500 Euro Miete plus Mehrwertsteuer kosten. Ein rekordverdächtiger Preis, der selbst von den üppigen Tarifen am Münchner Flughafen nur schwer zu toppen gewesen wäre.

Die Aufregung bei den Betroffenen, die bislang zwischen 75 und 85 Euro monatlich zahlten, war jedenfalls groß. Doch mittlerweile ist wieder alles anders: Der neue Besitzer der „Seearkaden“, die Tatar Holding aus Paderborn, verlangt jetzt nur noch 150 bis 200 Euro. Dazu muss man wissen: Die 1993 fertiggestellten Seearkaden wurden Ende Mai vom bisherigen Eigentümer, der R+V Versicherung Wiesbaden, an die Tatar Holding in Paderborn verkauft. 15 Millionen Euro soll der Deal gebracht haben, heißt es – eine Angabe, die allerdings weder die R+V noch die Tatar Holding bestätigt. Kein Geheimnis hingegen ist: Der Gebäudekomplex ist seit Jahren schwer sanierungsbedürftig.

Seit Monaten schon ist das gesamte zweite Untergeschoss der Tiefgarage gesperrt, nur die Hälfte der insgesamt 160 Stellplätze ist nutzbar. An Stahlteilen blüht der Rost, überall finden sich Lachen auf dem teils abgetragenen rissigen Estrich, Baumstämme stemmen die Decke ab, regelmäßig muss eindringendes Wasser abgepumpt werden. „Es ist der See, der drückt“, sagt eine Bewohnerin. Überall im Haus, vor allem aber in der Tiefgarage, schlägt Besuchern muffig-modriger Geruch entgegen.

Mehrfach schon wurde versucht, Wände und Boden abzudichten – vergebens. Einige Mieter haben ihre Gegenstände in den Kellerräumen auf Paletten gelagert, gegen Schimmelbefall hilft das nicht. Und es ist womöglich auch ein Ort für heimliche Geschäfte: Starnbergs Rauschgiftdealer vom nahegelegenen Bahnhof, so berichtet es die Anwohnerin, wickeln dort im Untergrund angeblich ihre Geschäfte ab.

Mehrfach schon wurde versucht, den Weg des Wassers aufzuhalten – vergebens. Die Löcher in den Wänden künden von Dichtversuchen, das eindringende Wasser muss stets abgepumpt werden. Die Tiefgarage ist schwer sanierungsbedürftig. (Foto: Peter Haacke)
Als Notbehelf stützen zwei Baumstämme die Deckenkonstruktion im Bereich zum zweiten Untergeschoss der „Seearkaden“-Tiefgarage ab.
Als Notbehelf stützen zwei Baumstämme die Deckenkonstruktion im Bereich zum zweiten Untergeschoss der „Seearkaden“-Tiefgarage ab. (Foto: Peter Haacke)
Es ist der See, der drückt, heißt es. Schon seit Jahren ist bekannt, dass sich im zweiten Untergeschoss der Tiefgarage in unschöner Regelmäßigkeit Wasser durch Fugen und Risse drückt: Das Haus ist undicht.
Es ist der See, der drückt, heißt es. Schon seit Jahren ist bekannt, dass sich im zweiten Untergeschoss der Tiefgarage in unschöner Regelmäßigkeit Wasser durch Fugen und Risse drückt: Das Haus ist undicht. (Foto: Peter Haacke)

Warum also sollte ein Autostellplatz in Top-Lage, aber wenig anheimelnder Umgebung 500 Euro kosten? Die Mieter der Dauerstellplätze in den „Seearkaden“, die längst ins erste Untergeschoss „umgeparkt“ wurden, können die Strategie des neuen Eigentümers jedenfalls nicht nachvollziehen. Umso mehr staunten sie, als sie Ende Juni gleich doppelt Post vom neuen Eigentümer des Komplexes bekamen. Die Tatar Holding teilte mit: „Hiermit kündigen wir Ihnen fristgemäß den Stellplatzmietvertrag (…) zum 31. Juli.“

Wegen des zunehmenden öffentlichen Drucks werden jetzt nur 150 bis 200 Euro verlangt

Im zweiten Schreiben offerierte Tatar derweil eine „Neuvermietung zu angepassten Konditionen“ – und lieferte zugleich eine Art Begründung: „Die Kündigung Ihres Stellplatzmietvertrags war als Maßnahme für eine marktgerechte Neuvermietung nötig. Im Zuge der Neuordnung der Stellplatzvergabe bieten wir Ihnen einen Stellplatz in Höhe von monatlich 500 Euro netto an.“ Für einen Dauerstellplatz werden bundesweit für gewöhnlich zwischen 50 und 100 Euro gezahlt, den Spitzenpreis in Starnberg verlangte bisher der Betreiber einer Tiefgarage an der Hauptstraße mit 129 Euro –brutto.

Unklar ist, was der neue Eigentümer der „Seearkaden“ mit dem sanierungsbedürftigen Komplex mit Wohnungen, Büros, Praxen, einer Kanzlei, Gewerbeeinheiten und Tiefgarage nach der ausstehenden Sanierung langfristig vorhat. Die 2013 gegründete Holding bezeichnet sich als „finanzstarken Investor“ und erwirbt nach eigenen Angaben „bundesweit Immobilien in allen Assetklassen“; der „Fokus liegt darin, in Werte langfristig zu investieren“. Zudem ist Tatar als Betreiber und Eigentümer von Restaurants der Marken KFC und Pans Kitchen deutschlandweit vertreten.

Einfahrt nur für Dauerparker: Schon seit nahezu zwei Jahren ist die „Seearkaden“-Tiefgarage nicht mehr für Autofahrer nutzbar, die ihr Fahrzeug stundenweise in der Stadt abstellen wollen.
Einfahrt nur für Dauerparker: Schon seit nahezu zwei Jahren ist die „Seearkaden“-Tiefgarage nicht mehr für Autofahrer nutzbar, die ihr Fahrzeug stundenweise in der Stadt abstellen wollen. (Foto: Peter Haacke)

Der Protest der betroffenen Stellplatzmieter, die sich angesichts der Preiserhöhung vor den Kopf gestoßen fühlten, ließ indes nicht lange auf sich warten: Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik (CSU/UWG) ist ebenso informiert wie das Landratsamt. Welche Konsequenzen sich daraus aufgrund der städtischen Stellplatzverordnung ergeben, ist vorerst ungewiss: Für Wohnungen, Büros, Einzelhandel und Gewerbe müssen in aller Regel Stellplätze nachgewiesen werden. Zudem war die „Seearkaden“-Tiefgarage bis vor zwei Jahren auch öffentlich nutzbar, der Parkdruck in der Innenstadt hat seither merklich zugenommen. Klagen sind nicht ausgeschlossen, allerdings mahnt die Starnberger Rechtsanwältin Carolin Ranke, Expertin für Mietrecht: „Es könnte schwierig werden.“

Angesichts des zunehmenden öffentlichen Drucks scheint die Tatar Holding mittlerweile zurückrudern zu wollen. Grund für die Anpassung des Mietzinses sei die Entscheidung der Geschäftsführung gewesen, die in der Sanierungsphase verbleibenden 20 Parkplätze „trotz erheblichen Mehraufwandes weiter verfügbar zu halten und die Kosten nicht umzulegen, sondern zu absorbieren“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Donnerstag. Einigen Dauerstellplatzkunden wurden bereits Angebote über 150 bis 200 Euro Miete pro Monat unterbreitet; andere dagegen haben längst anderweitig Stellplätze organisiert oder erwägen sogar ganz ihren Auszug.

Erklärtes Ziel der Tatar Holding ist eine energetische Aufwertung des Objektes mit Modernisierung der Fassade sowie eine Sanierung der Tiefgarage, der Mieterkeller, Treppenhäuser und Aufzüge. „Die Leerstände im Objekt“, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens, werden „in einen hochwertigen Zustand gebracht und es wird neuer benötigter Wohnraum geschaffen“. Bei Sanierungen dieser Größenordnung sei es üblich, betont das Tatar-Kommunikationsteam, die betroffenen Gebäudeteile komplett zu entmieten. „Hierauf verzichten wir nun zu unseren Lasten.“

Soll energetisch aufgewertet, modernisiert und saniert werden: Der „Seearkaden“-Komplex in Starnberg mit Ladengeschäften, Büros, Praxen, Wohnungen und Tiefgarage.
Soll energetisch aufgewertet, modernisiert und saniert werden: Der „Seearkaden“-Komplex in Starnberg mit Ladengeschäften, Büros, Praxen, Wohnungen und Tiefgarage. (Foto: Peter Haacke)

Tatar werde „massiv und nachhaltig in das Objekt und damit in das Stadtbild investieren“, heißt es weiter. Wie sich das Geschehen in den „Seearkaden“ konkret weiter entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die spannendste Frage aber ist, ob es tatsächlich erstmals gelingt, den 32 Jahre alten Bau dauerhaft abzudichten.

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