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Wirbel um neues Polizei-Schlagwort gegen CDU und CSU in Bayern – Bayern | ABC-Z

Seit einigen Wochen nutzt die bayerische Polizei das neue Schlagwort „gegen CDU und CSU“ in einer Datenbank, in der Termine von polizeilicher Relevanz eingetragen werden – große Sportveranstaltungen etwa, aber auch Demonstrationen. Das Tool soll den Einsatzkräften im Freistaat helfen, Lagen besser zu planen und Gefährdungen einzuschätzen. Den Beamtinnen und Beamten wurde das neue Schlagwort im Intranet mitgeteilt, es wurde „temporär im Kontext der aktuellen Bundestagswahl eingeführt“, heißt es aus dem Innenministerium.

Auch unterstütze es die „Recherchierbarkeit“ bestimmter Vorgänge. Anlass seien die bundesweiten Proteste gegen rechts gewesen, bei denen es auch zu Straftaten gekommen sei, etwa Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung an CDU-Gebäuden. Die Abwehr derartiger politisch motivierter Straftaten sei „eine Kernaufgabe“ der Polizei.

Innerhalb der bayerischen Polizei hatte die Anweisung „Irritationen“ ausgelöst, wie am Dienstag zunächst BR24 berichtete. Weil es derartige Schlagwörter für andere Parteien nicht gebe, fühlten sich manche Beamte für parteipolitische Zwecke missbraucht. Zumal, da laut dem BR24-Bericht im Intranet gezielt von Veranstaltungen die Rede gewesen sein soll, die sich gegen die Migrationspolitik der Union richteten. Seitdem gibt es Wirbel um das Schlagwort, auch in der Landespolitik. Was bislang bekannt ist – Fragen und Antworten.

Was kritisieren die Grünen genau?

Florian Siekmann, grüner Innenpolitiker im Landtag, sagt: „Es ist nicht akzeptabel, dass die Staatsregierung nun Versammlungen von der Polizei danach rastern lässt, ob sie Kritik an ihrer Politik üben.“ Es dürfe nicht sein, dass Demonstranten befürchten müssten, mit Kritik am Kurs von CSU-Chef Markus Söder „gesondert erfasst“ zu werden. Dies schmälere das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. In Grünen-Kreisen heißt es, die Sache laufe darauf hinaus, dass die Polizei für die bayerische Regierungspartei quasi eine Vermessung ihrer Gegnerschaft vornehme.

Dies sei zudem brisant, da es jüngst in der Unionsfraktion im Bundestag Überlegungen zu gemeinnützigen Vereinen gab: Sollten diese auf Demos „nicht mehr allgemein pro Demokratie, sondern schlicht parteipolitisch“ agieren, war zu hören, könnte ihnen die staatliche Förderung entzogen werden. In einer schriftlichen Anfrage wollen die Grünen nun wissen: Welche weiteren Daten werden mit dem Schlagwort verknüpft, etwa die Namen von Demo-Anmeldern? Wem werden die Daten womöglich übermittelt? Und: Wie ist das separate Schlagwort für Demos „gegen CDU und CSU“ erklärbar, wo doch Angriffe etwa auf grüne Politiker und Büros laut amtlicher Statistik weitaus häufiger vorkommen?

Was sagt das Innenministerium dazu?

Landespolizeipräsident Michael Schwald ließ sich bereits am Dienstag auf Nachfrage so zitieren: Die Vorwürfe der Grünen seien falsch. „Die Verschlagwortung ist nicht für Versammlungen zu setzen, die sich gegen die politischen Ziele der Parteien CDU oder CSU richten.“ Sie diene vielmehr der anlassbezogenen Gefahrenabwehr an Objekten der Parteien. Das Ministerium ergänzte: „Die Neutralitätspflicht der bayerischen Polizei ist hier nicht tangiert“, die Verschlagwortung beziehe sich auf eine konkrete polizeiliche Aufgabenerfüllung.

Warum gibt es solche Schlagworte überhaupt?

Damit könne etwa die Kräfteplanung der Polizei effizienter gestaltet werden, so das Ministerium. Das Mittel der Verschlagwortung sei nicht neu, sondern etwa auch bei den Bauernprotesten genutzt worden. Dem Vernehmen nach soll es Dutzende oder gar Hunderte gängige Schlagworte in dem Kalender geben. Basis der Verschlagwortung seien Informationen aus diversen Quellen, auch Feststellungen der Polizei am Ort des Geschehens; nachträglich also.

Wie oft wurde das neue Schlagwort verwendet?

Das ist ein ganz maßgeblicher Punkt in der Debatte. CDU-Vertretungen gibt es im Freistaat wohl kaum, Demos vor CSU-Objekten fanden vereinzelt statt – eine geringe Zahl an Einsätzen, wo tatsächlich Delikte wie Hausfriedensbruch drohten, würde aber kaum ein eigenes Schlagwort bedingen. Nach aktuellem Stand wurde das Schlagwort in 65 Fällen vergeben, teilte das Innenministerium auf SZ-Anfrage am Mittwoch mit; darunter seien auch künftige Veranstaltungen. Es handele sich nach erster Durchsicht nicht nur um Versammlungen bei Objekten der Union, sondern auch um Proteste bei anderen Veranstaltungen der Partei und ihrer Mandatsträger. Die Großdemo auf der Münchner Theresienwiese wurde nicht mit dem Schlagwort „gegen CDU und CSU“ versehen.

Warum gibt es Schlagworte nicht bei Protesten gegen andere Parteien?

Das Ministerium betont: „Sollte es auch in Zusammenhang mit anderen Parteien zu ähnlich gelagerten Vorkommnissen kommen, wäre auch hier eine entsprechende Schlagwortvergabe zu prüfen. Derzeit ist dies jedoch nicht der Fall.“ Bei „einzelfallbezogenen Auseinandersetzungen oder lokalen Problemstellungen“ sei die Vergabe eines Schlagwortes nicht nötig. Das verwundert durchaus: So hatte es im Landtagswahlkampf 2023 nahezu systematische Proteste gegen grünen Veranstaltungen in ganz Bayern gegeben. Auch steht jetzt im Wahlkampf an quasi jedem AfD-Infostand ein Polizeiauto, da auch die Rechtsaußen-Partei Ziel von Attacken ist.

Die bayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge äußerte am Mittwoch den Verdacht: „Die CSU instrumentalisiert erneut staatliche Strukturen für eine Vorzugsbehandlung.“ Während Markus Söder den angegriffenen Grünen Überempfindlichkeit vorgeworfen habe, sei für die Ampelparteien keine vergleichbare Unterstützung eingerichtet worden. Dem widerspricht das Ministerium: Es gebe auch ohne Schlagwort für sämtliche relevanten Veranstaltungen eine Gefährdungsbewertung. Auf deren Grundlage treffe man alle erforderlichen polizeilichen Maßnahmen.

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