Immenser Schaden durch Schwarzarbeit – wie viel Geld dem Fiskus entgeht | ABC-Z

Berlin. Finanzminister Klingbeil legt den Zoll-Bericht vor. „Wir werden noch mehr aufdecken.“ Wie der SPD-Mann die Schattenwirtschaft bekämpfen will.
Vor ein paar Tagen rücken Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit wieder aus. Einsatzort: Wohnungen und Geschäftsräume im Siegener Land. Die Staatsanwaltschaft wirft den Managern einer Baufirma den Betrug mit Sozialversicherungsbeiträgen vor. Die Ermittler beschlagnahmen Buchhaltungsunterlagen, digitale Datenträger und die Firmen-IT. Nach Erkenntnissen der Zollbeamten wurden Scheinrechnungen von angeblichen Subunternehmern in mindestens sechsstelliger Höhe eingekauft.
Es ist Alltag in Deutschland: Durch Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit entgehen dem Staat jedes Jahr Hunderte Millionen Euro. Zehntausende Ordnungswidrigkeiten teilt der Zoll jedes Jahr aus, leitet rund 100.000 Strafverfahren ein. Zu Tausenden Unternehmen, Baustellen, Gastrobetrieben rücken die Beamten jedes Jahr aus, prüfen Sozialbeiträge und Arbeitserlaubnisse, Aufenthaltsgenehmigungen und Mindestlöhne. So wie im Siegener Land.
Am Dienstag stellt der neue Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) den aktuellen Jahresbericht des Zolls vor. Vorab sagte er unserer Redaktion: „Die Ermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit haben im Jahr 2024 einen Gesamtschaden von rund 766 Millionen Euro aufgedeckt. Wenn wir die Ermittlungen weiter intensivieren, werden wir noch mehr aufdecken, Menschen vor Ausbeutung schützen und staatliche Einnahmen sichern.“ Es ist ein deutlicher Anstieg. Laut dem Bericht der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls belief sich der aufgedeckte Gesamtschaden im Vorjahr, also 2023, noch auf 615 Millionen Euro. Wobei laut Fachleuten klar ist: Die Dunkelziffer dürfe um ein Vielfaches höher liegen.
Klingbeil kündigt einen Gesetzentwurf an, der noch vor der Sommerpause kommen solle und „mit dem wir die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll stärken“. Der SPD-Politiker hob hervor: „Wir werden eine automatisierte Datenanalyse einsetzen, um große Datenmengen auszuwerten und Schwarzarbeit so auf die Spur zu kommen.“ Nach Informationen unserer Redaktion soll bei der Datenanalyse auch Software mit Künstlicher Intelligenz helfen. Auch die „digitale Prüfung“ soll gestärkt werden, Finanzbehörden, Sozialämter und Strafverfolger sollen Daten „vollständig“ austauschen können. Die Schwerpunkte der Kontrollen liegen demnach etwa auf dem Friseurgewerbe, Kosmetik- und Barbershops sowie Nagelstudios.
Klingbeil kündigte auch insgesamt einen härteren Kurs gegen Steuerbetrüger, kriminelle Geldwäsche und Schwarzarbeit an. „Wir werden eine härtere Gangart einlegen, um gegen Kriminelle vorzugehen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern“, sagte Klingbeil. „Der Rechtsstaat muss hier durchgreifen.“ Denn die Konsequenzen würden alle tragen, wenn dem Staat millionenschwere Einnahmen entzogen werden. Ein Mittel im Kampf gegen Finanzkriminelle ist laut Minister Klingbeil die Umkehr der Beweislast bei Vermögenseinziehung durch die Behörden. „Wer verdächtige Vermögenswerte besitzt, muss dann nachweisen, dass er sie legal erworben hat“, so Klingbeil.
Ein von Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) groß angekündigtes Projekt verlief sich im Sand
Das eine ist die Schwarzarbeit. Das andere die Geldwäsche. Jährlich werden laut Schätzungen hierzulande rund 100 Milliarden Euro schmutziges Geld durch organisierte Kriminelle gewaschen. Deutschland gilt unter Kriminalbeamten als Paradies für Geldwäsche, ein Grund: Noch immer ist der Anteil von Bargeld im Vergleich zu anderen Staaten hoch. Vergangene Versuche, den Kampf gegen Geldwäsche zu verstärken, waren bisher nur mäßig erfolgreich. Auch der Zoll stand viele Jahre in der Kritik. Ein von Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) groß angekündigtes Projekt eines Bundesfinanzkriminalamts verlief sich im Sand und scheiterte am Ende.
Und nicht nur die Geldwäsche in Deutschland boomt. Weil die deutsche Wirtschaft schwächelt, wächst die Schwarzarbeit. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie vom Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen. Die schwächelnde Wirtschaft verringere die Erträge gemeldeter Arbeitsverhältnisse und erzeuge einen Anreiz zu illegalen Tätigkeiten. Der Bundesrechnungshof urteilte jüngst: „Die Betrugsbekämpfung kommt nicht voran. Dies belastet die Haushalte von Bund und Ländern – und benachteiligt steuerehrliche Unternehmen.“
Wer schwarz arbeitet, umgeht Steuerpflicht und Sozialversicherungsabgaben, aber auch gewerberechtliche Vorgaben. Wie hoch der Schaden für den deutschen Staat genau ist, lässt sich schwer ermitteln. Das Dunkelfeld ist hoch. Weder die Person, die schwarz arbeitet, noch der Auftraggeber haben ein Interesse an Aufklärung.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik – meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Laut einer aktuellen Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) macht die Schwarzarbeit schätzungsweise rund zwei Drittel der gesamten Schattenwirtschaft aus. Hier halten die Fachleute fest, dass die Schattenwirtschaft im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen zehn Jahren eher zurückgegangen sei – im Vergleich zum Jahrzehnt davor. Andere Staaten, auch in der Europäischen Union, hätten deutlich mehr mit illegalen Geschäften zu kämpfen.

Will die Schattenwirtschaft in Deutschland stärker bekämpfen: Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD).
© Kay Nietfeld/dpa | Kay Nietfeld
Was laut der Analyse der Wirtschaftswissenschaftler auffällt: Es sind mehr Männer, die schwarz arbeiten, als Frauen. Es sind eher die Jüngeren als die Älteren. Und: Es sind eher Menschen, die besser verdienen. Das kann etwa daran liegen, dass sich Schwarzarbeit bei besser entlohnten Jobs eher auszahlt für die Täter als etwa Arbeit im Niedriglohnsektor.
Was die Forscher vom IW auch erfragt haben: Welche Parteipräferenzen haben Menschen, die schwarz arbeiten. Das Ergebnis dürfte SPD-Minister Klingbeil aufhorchen lassen. Die niedrigsten Werte verzeichnen Anhänger von CDU und CSU. Die höchsten Werte liegen bei den Sozialdemokraten.