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Deutsche Olympia-Bewerbung: Wie es nach dem Münchner Ja in den anderen Städten weitergeht – Sport | ABC-Z

Beinahe eine Zwei-Drittel-Mehrheit, wann hat es das zuletzt gegeben bei Wahlen in Deutschland, selbst in Bayern? Mit 66,4 Prozent haben Münchens Bürgerinnen und Bürger am Sonntag für eine Bewerbung der Landeshauptstadt um Olympische und Paralympische Spiele in den Jahren 2036, 2040 oder 2044 gestimmt: „Ein Traumergebnis“, sagte Jörg Ammon, Präsident des Bayerischen Landessportverbands. Widerspruch zwecklos. Ministerpräsident Markus Söder erklärte umgehend: „Jetzt starten wir durch!“ Zwar ist mit dem Ergebnis vom Sonntag längst nicht entschieden, dass München die Spiele bekommt, ja nicht einmal, ob es tatsächlich ins Rennen gehen darf. Denn es gibt da ja noch die Mitbewerber im eigenen Land. Aber wie fallen die Reaktionen dort aus, in Berlin, Hamburg und der Region Rhein-Ruhr? Hissen sie die weiße Fahne? Oder spüren sie hinter der breiten Münchner Brust weniger Gegenwind?

Berlin

Berlins Olympia-Beauftragter Kaweh Niroomand gibt sich optimistisch. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Die Reaktion Berlins auf das Münchner Ja war nicht nur vorhersehbar. Sondern vorformuliert. Schon vergangene Woche erklärte Kaweh Niroomand, Chef des Bundesligisten Berlin Volleys und Olympiabeauftragter der Stadt Berlin, dass ein Münchner „Ja!“ Rückenwind für die Bundeshauptstadt bedeuten würde. So war es dann auch nach dem Votum vom Sonntag. Blätterte man aber am Dienstag durch die örtlichen Zeitungen, taten sich eine Reihe von Fragen auf, teilweise im Wortsinn.

„War’s das schon für Berlin?“, wollte die Berliner Zeitung wissen; Bild und BZ wähnten sich der Antwort nahe: Es sei „sehr wahrscheinlich“, dass „Berlin jetzt schon aus dem Rennen ist“ – unter anderem, weil Berlins Verfassung (anders als die bayerische) das Instrument eines Referendums gar nicht vorsieht. Der Landessportbund hat eine Volksinitiative angestrengt, insbesondere die Sportvereine sammeln Unterschriften und sollen diese im Dezember übergeben. Es wird also noch dauern, bis klar ist, ob das Quorum von 20 000 Unterschriften erreicht ist, das nötig ist, um die Initiative dem Abgeordnetenhaus zu übergeben. Und ob die vielzitierte Olympia-Skepsis in Berlin ein überzeichnetes Phänomen ist.

Zu den Problemen, mit denen eine Berliner Bewerbung zu kämpfen hat und haben wird, zählt das überaus angeschlagene Selbstbewusstsein der Hauptstadt. Spätestens seit dem Desaster um den neuen Flughafen BER ist der Zweifel in den Köpfen verankert, ob Berlin imstande ist, Großprojekte (zumindest Pi mal Daumen pünktlich) umzusetzen. Erst vor wenigen Tagen musste Fußball-Bundesligist 1. FC Union seine Stadionausbaupläne nach unten modifizieren, weil Berlin nicht ausreichend Bahnstrom für Zubringer-Trams hat. Dazu kommt – ein Jahr vor Wahlen zum Abgeordnetenhaus – die überaus vernehmbare Opposition, vornehmlich von Grünen und Linken, die finden, dass bereits jetzt zu viel Geld verbrannt werde. Berlin hat zwar keinen Karneval, einen Karnevals-Hit von Jupp Schmitz („Wer soll das bezahlen?“) kennen die Berliner aber nur zu gut.

Wozu das führt? Unter anderem dazu, dass die Befürworter fast noch mehr auf den DOSB als auf die eigenen Nachbarn setzen. Sie unterstreichen, immerhin mit betont diplomatischem Unterton, dass man eines nicht vergessen sollte: dass es keine deutsche Stadt mit größerer internationaler Strahlkraft gebe als Berlin. Was freilich zu beweisen wäre. Javier Cáceres

Düsseldorf/Köln

Die Eröffnungsfeier der World University Games in Duisburg.
Die Eröffnungsfeier der World University Games in Duisburg. (Foto: David Inderlied/dpa)

Die Deutlichkeit des Bürgervotums zugunsten einer Münchner Olympia-Bewerbung wird auch in Nordrhein-Westfalen als Rückenwind für die Rhein-Ruhr-Pläne interpretiert. Auf der Internetseite des Landessportbunds Nordrhein-Westfalen prangt die Schlagzeile: „Nach Münchens Ja zu Olympia: ‚NRW ist bereit für ein großes olympisches Fest‘“. Der Ministerpräsident Hendrik Wüst sagt in dem entsprechenden Artikel: „Nordrhein-Westfalen ist bereit für ein großes und zugleich kompaktes olympisches Fest mit neuen Zuschauerrekorden, spektakulären Sportstätten, getragen von den vielen sportbegeisterten Menschen bei uns im Land; wir bieten mit den vielen großen Sportstätten die größte Bühne für den größten Moment im Leben der Sportlerinnen und Sportler.“ Ein Bürgerentscheid zu Olympia an Rhein und Ruhr ist für den 19. April 2026 vorgesehen.

Das Rhein-Ruhr-Konzept beinhaltet unter anderem Reiten in Aachen, Schwimmen in der Fußballarena auf Schalke, Hockey in Mönchengladbach, Kanu und Rudern in Duisburg sowie Golf in Pulheim. Segeln würde an die Ostsee ausgelagert. Nahezu alle Sportstätten existieren bereits. Hinzu kämen temporäre Einrichtungen. Die meisten Events wären für Düsseldorf und Köln mit ihren großen Stadien und Sporthallen vorgesehen. Die NRW-Bewerbung will schon in Kürze im Namen eine Lead-City nennen. Köln mit dem Dom als weltweit bekanntes Wahrzeichen hat dafür gegenüber Düsseldorf wohl die besseren Chancen.

Die Austragung umfangreicher World University Games im Juli mit mehr als 9000 Studierenden nimmt die Rhein-Ruhr-Region wohlwollend als beflügelnde Referenz. Gemäß einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des WDR-Magazins Westpol aus dem Juni finden 58 Prozent eine NRW-Olympia-Bewerbung gut. 31 Prozent äußerten sich in dieser Umfrage kritisch. Ulrich Hartmann

Hamburg

Optimismus in Turnschuhen (von links nach rechts): Andy Grote, Hamburgs Sportsenator, Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Edina Müller, Parakanutin, Laura Ludwig, Beachvolleyballerin, Volker Bouffier, damals DOSB-Vorstand mit besonderen Aufgaben, Peter Tschentscher, Hamburgs erster Bürgermeister, Katharina Fegebank, Hamburgs zweite Bürgermeisterin, und Christina Rann, Moderatorin,  während der Vorstellung des Konzepts von Hamburgs Olympia-Bewerbung.
Optimismus in Turnschuhen (von links nach rechts): Andy Grote, Hamburgs Sportsenator, Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Edina Müller, Parakanutin, Laura Ludwig, Beachvolleyballerin, Volker Bouffier, damals DOSB-Vorstand mit besonderen Aufgaben, Peter Tschentscher, Hamburgs erster Bürgermeister, Katharina Fegebank, Hamburgs zweite Bürgermeisterin, und Christina Rann, Moderatorin,  während der Vorstellung des Konzepts von Hamburgs Olympia-Bewerbung. (Foto: Daniel Bockwoldt/Daniel Bockwoldt/dpa)

Der animierte Trailer, der zeigt, wie die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Hamburg aussehen könnte, zeugt von Selbstbewusstsein. Erstmals präsentiert wurde das Video im Sommer, darauf zu sehen sind fünf kreisrunde Plattformen auf der Hamburger Binnenalster, in Anlehnung an die fünf olympischen Ringe. Die zentrale Insel stellt die Hauptbühne dar, dort sollen sich die Sportler nach ihrem Einlauf über einen schwimmenden Steg bejubeln lassen – unter anderem von einer am Jungfernstieg errichteten Zuschauertribüne. Dazu: aufwendiges Lichterspiel und eine glitzernde Wasseroberfläche.

Sieht schick aus. Und zielt nicht gerade zufällig auf ein Alleinstellungsmerkmal unter den deutschen Bewerbern ab: Hamburg und Wasser, das gehört einfach zusammen. Und ist auch ein entscheidender Vorteil im Vergleich zum Favoriten München? So sehen das zumindest die Verantwortlichen der Hamburger Bewerbung, die in den vergangenen Monaten keine Chance ausließen, auf Stehempfängen und Infoveranstaltungen feuchten Optimismus zu verbreiten. Und so blieb das auch nach dem Ja-Votum der Konkurrenz aus dem Süden: „Ein großartiges Zeichen des Aufbruchs und der Zuversicht“, will der Hamburger Bewerbungsleiter Steffen Rülke darin erkannt haben. Mit diesem „Rückenwind“ wolle man nun selbst Richtung Olympia segeln.

Entsprechend der IOC-Leitlinien steht Effizienz im Vordergrund: Auf den schwimmenden Plattformen auf der Binnenalster sollen zudem 3×3-Basketball oder Bogenschießen ausgetragen werden. Dazu kommen Schwimmen im Volksparkstadion, Beachvolleyball am Millerntor, Fechten in den Messehallen. Die Spiele passten sich der Stadt an und nicht andersherum, so lautet die Losung des SPD-Innensenators Andy Grote. Politisch vermint war das Konzept jedoch von Anfang an: Weil Hamburg kein Olympiastadion hat, müsste eines gebaut werden – vorgesehen ist ein Neubau im Volkspark, späterer Eigentümer wäre der HSV. Beim Stadtrivalen FC St. Pauli war man davon wenig begeistert, inzwischen ist die Kritik verstummt, weil man ein (unbekanntes) Olympiageschenk aushandeln konnte. Aber ob’s dazu kommt? Das Olympiastadion soll angeblich zwar unabhängig von Olympia gebaut werden – ob Hamburg Olympia will, darüber entscheiden die Bürger jedoch am 31. Mai 2026.

Für Hamburg ist es der zweite Vorstoß in diesem Jahrtausend: 2015, im Zuge der damaligen Bewerbung, stimmte eine knappe Mehrheit dagegen. Thomas Hürner

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