Polens Präsidentschaftswahl: Asylrecht und mögliche Anfechtungen – Politik | ABC-Z

An diesem Sonntag traten in Polen Verschärfungen des Asylrechts in Kraft. Missbrauch von Visa werde nun ein Riegel vorgeschoben, der Zugang zum Arbeitsmarkt strenger reguliert, so verkündete die Regierung Donald Tusks: Polen gewinne Kontrolle zurück.
Migration war eines der bestimmenden Themen in diesem Wahlkampf um das Präsidentschaftsamt. Tusks konservative Partei Bürgerplattform (PO) und die oppositionelle PiS übertrafen sich in Vorschlägen. Das Asylrecht an der Grenze zu Belarus auszusetzen, wie es Tusks Regierung seit einigen Monaten tut, war allerdings nicht einmal der rechtsnationalistischen PiS-Partei eingefallen.
Ein Schelm, wer Arges dabei denkt, dass weitere Migrationsgesetze ausgerechnet an diesem Monatsersten gültig werden, an dem die Menschen in Polen in einer Stichwahl den neuen Präsidenten bestimmen. Bis zum Mittag wurde bereits eine überdurchschnittlich hohe Wahlbeteiligung erfasst. Vom neuen Präsidenten wird es abhängen, wie gut Tusks Koalition in Zukunft regieren kann. Ob sie bei der Gesetzgebung blockiert wird oder die Justiz entpolitisieren kann. Natürlich herrschte am Wochenende Wahlruhe, aber Gesetze treten trotzdem in Kraft und dürfen erläutert werden.
Die zuständige Kammer ist in der Hand von PiS-Leuten
Um tatsächliche Wahlbeeinflussung und politisch vereinnahmte Gerichte könnte es möglicherweise nach der Wahl noch gehen. Schon lange wird befürchtet, dass die PiS-Partei im Falle einer knappen Wahlniederlage die Wahl vor dem Obersten Gerichtshof anfechten könnte. Die zuständige Kammer ist in der Hand von PiS-Leuten; der Europäische Gerichtshof EuGH hat bestätigt, dass die Kammer illegitim ist. Die Partei hatte während ihrer Regierungszeit von 2015 bis 2023 das Justizsystem massiv zu ihren Gunsten umgebaut, Gerichte und Staatsanwaltschaft im Bruch mit der Verfassung mit eigenen Leuten besetzt.
Die Regierung Tusks hatte vor der Wahl den Vorschlag gemacht, dass anstelle der betreffenden Kammer am Obersten Gericht dessen 15 dienstälteste Richter über die Gültigkeit der Wahl entscheiden. Präsident Duda hatte das abgelehnt.
Tusks Regierung, die seit Dezember 2023 im Amt ist, konnte die Justizreform der PiS-Partei bislang kaum zurückdrehen. Der amtierende Präsident Andrzej Duda handelt im Sinne von PiS. Er lehnt Gesetzesvorschläge ab oder legt sie allenfalls dem Verfassungsgericht vor. Dieses aber ist in der Hand der von PiS ernannten Richter.
Nun könnte sogar die Gültigkeit dieser Wahl auf dem Spiel stehen, die allen Voraussagen nach äußerst knapp ausgehen wird. Schon in der ersten Wahlrunde lagen die beiden Kontrahenten, der erstplatzierte Rafał Trzaskowski und Karol Nawrocki, um kaum 60 000 Stimmen auseinander, was knapp zwei Prozentpunkten entsprach. Der Warschauer Oberbürgermeister Trzaskowski wird von der Regierung unterstützt, Nawrocki, ein politisch unbeschriebenes Blatt, von der PiS-Partei.
Eine PR-Agentur aus Wien produziert einen Wahlspot. Das könnte schon ein Fallstrick sein.
Nawrocki hatte im Wahlkampf seinem Gegner Trzaskowski vorgeworfen, dessen Kampagne sei aus Deutschland und von dem US-amerikanischen Milliardär und Philanthropen George Soros finanziert. Auf diesen Vorwürfen könnte eine Beschwerde aufgebaut werden, denn ausländische Unterstützung ist illegal. Tatsächlich hatten polnische Medien vor dem ersten Wahlgang berichtet, dass vermeintliche Wahlwerbespots für Trzaskowski im Ausland produziert wurden. Selbst Regierungspolitiker hatten sie anfangs in den sozialen Medien geteilt. Anscheinend handelte es sich aber nicht um offizielle Spots von Trzaskowskis Kampagne. Zu diesem Schluss kam das staatliche Cybersicherheitsinstitut Nask.
Eine Bürgerrechtsorganisation geriet unter Verdacht, dahinterzustecken. Tatsächlich hatte aber wohl nur eine Wiener PR-Agentur, mit der diese Organisation auch schon zusammengearbeitet hatte, die Spots produziert. Die Organisation Akcja Demokracja wies jegliche Verantwortung von sich, sprach von Verleumdung. Akcja Demokracja kämpfte bereits zu PiS-Regierungszeiten für den Rechtsstaat, sieht aber auch Rafał Trzaskowski kritisch. Den jungen Aktivisten ist er nicht liberal genug.
Die Behörde Nask vermutet, dass die Spots gezielt produziert wurden, um Trzaskowskis Team später den Vorwurf der ausländischen Wahlfinanzierung machen zu können.
In dieser Woche hatten republikanische US-Abgeordnete in einem Brief EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgefordert, angeblich illegale Wahlwerbung des Trzaskowski-Teams zu untersuchen.
Dass Richter eine Wahl für ungültig erklären, ist in Polen noch nicht vorgekommen. Auch die umstrittene Kammer am Obersten Gerichtshof hat bislang alle Wahlen anerkannt, auch die Wahl zu Sejm und Senat vom Oktober 2023, bei der die PiS-Partei ihre Mehrheit verlor. Verliert PiS allerdings auch die Präsidentschaftswahl, wird es wahrscheinlicher, dass Tusks Koalition erfolgreich regieren kann und wiedergewählt wird. Ebenso der Präsident. PiS hätte dann für längere Zeit die Macht verloren.