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Wie der Tiktok-Shop zum Impulskaufen verleiten könnte | ABC-Z

Jetzt liegen nur noch wenige Klicks zwischen dem Produkt, das der Influencer auf Tiktok in die Kamera hält, und dem Kauf. Am 31. März wurde der Tiktok-Shop in Deutschland freigeschaltet, seither kann man auch hierzulande direkt in der App einkaufen. Unterhaltung, Community und Ent­deckung – all das soll sich laut Tiktok zu einem einzigartigen Shoppingerlebnis verbinden. Unter den ersten Händlern sind die Modeplattform About You, die Kosmetikmarke Essence, der Kostümshop Deiters und die Pflegemarke Nivea.

Das Shoppingerlebnis kann man sich so vorstellen: Wenn man in einem Video von Deiters den „Haarreif mit Bienchen“ sieht, gelangt man per Klick auf ein gelbes Shop-Symbol am unteren linken Rand des Bildschirms direkt zum Shop, kann den Haarreif in den Einkaufswagen legen und bestellen. Dabei übernimmt Tiktok von der Lagerung über die Kommissionierung bis zur Verpackung und zum Versand die komplette Logistik. Im Vergleich zu anderen Ländern ist Deutschland „late to the party“. 2021 wurde der Tiktok-Shop in Indonesien eingeführt, vier weitere Länder Südostasiens folgten. Ende 2022 kam Großbritannien dazu, 2023 die USA, im vergangenen Jahr Spanien und Irland. Nun also Deutschland sowie Frankreich und Italien.

Das Konzept des „Discovery E-Commerce“ hat großes Potential. Weltweit erreicht Tiktok mehr als 1,5 Milliarden Menschen. In Deutschland nutzen laut der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) monatlich 20,9 Millionen Menschen die Plattform aktiv. Laut Tiktok sind es sogar 24,2 Millionen Nutzer – und sie verbringen täglich rund 100 Minuten auf der Plattform. Diese Zeit ist in unserer Aufmerksamkeitsökonomie viel Geld wert. Laut der „Textilwirtschaft“ erreichte der Tiktok-Shop 2024 ein Bruttowarenvolumen von mehr als 30 Milliarden Dollar (27 Milliarden Euro). Ende vergangenen Jahres teilte Byte­dance mit, der chinesische Konzern, der hinter Tiktok steht, dass sich die Zahl der Händler in Großbritannien innerhalb eines Jahres auf mehr als 200.000 verdoppelt habe. Laut „New York Times“ soll der Tiktok-Shop schon 2023 in Malaysia rund 20 Prozent des E-Commerce-Markts ausgemacht haben. Das Prinzip des bequemen digitalen Shoppings scheint aufzugehen.

Gefahr vor Impulskäufen, vor allem bei Kindern

Doch es gibt auch ein paar Haken. Peter Lassek vom hessischen Verbraucherschutz rät, beim Einkaufen via Tiktok-Shop vorsichtig zu sein: „Die Nutzer haben es da mit zum Teil altbekannten Influencern zu tun, die sich selbst ‚Content Creator‘ nennen und ihrer Zielgruppe schon seit vielen Jahren alles verkaufen, wofür sie Geld bekommen – und bekommen können. Schlicht, weil sie eines der ältesten menschlichen Bedürfnisse bedienen: Vertrauen. Die Nutzer scrollen rauf und runter und lassen sich möglicherweise allein durch eine ansprechende und witzige Produktpräsentation zu schnellen, ungeplanten Käufen verleiten.“ Um Impulskäufe zu vermeiden, empfiehlt Lassek, vorab einen Blick darauf zu werfen, wer hinter der Empfehlung steckt und was das ­Produkt andernorts kostet. Laut Lukas Neuerburg, Referent der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, sind besonders Kinder und Jugendliche gefährdet, Impulskäufe zu ­tätigen. In dieser Phase, wenn man Vorbilder jenseits des Elternhauses sucht, sei man sehr empfänglich für Kaufempfehlungen von Internet-Stars. Zwar ist von Tiktok vorgesehen, dass unter Achtzehnjährige nicht auf den Shop zugreifen können – aber wie das kontrolliert werden solle, sei unklar, so Neuerburg. Andrea Rungg von Tiktok Deutschland sagt dazu: „Wenn wir feststellen, dass jemand nicht in der richtigen, altersgerechten Erfahrung ist, schränken wir den Zugang zu den Funktionen, einschließlich des Shops, ein.“

Wie Eltern ihre Kinder schützen können 

Erschwerend hinzu kommt laut Neuerburg die noch nicht vollständig abgeschlossene Gehirnentwicklung von Kindern und Jugendlichen hinzu. Ihre Fähigkeit, langfristige Folgen von Entscheidungen zu berücksichtigen, sei tendenziell vermindert. In Bezug auf das Kaufverhalten bedeutet das: eine verringerte Impulskontrolle und eine höhere Sensibilität für Belohnungsreize. Genau das nutzt der Tiktok-Shop. Durch das niedrigschwellige Einkaufen gibt es keinen Moment des Innehaltens. Umso wichtiger sei es, dass Eltern ein Auge auf ihre Kinder haben und sicherstellen, dass im Profil ein richtiges Alter hinterlegt ist. Einmal falsch eingestellt, sei es bei Tiktok zwar etwas schwierig, das ­Alter zu ändern, aber über eine Support-Anfrage lasse sich das lösen. Außerdem empfiehlt Neuerburg, ehrlich interessiert zu sein: „Das heißt, man sollte nicht mit einer ablehnenden Haltung in das Gespräch gehen, sondern beispielsweise über die wirtschaftlichen Interessen von Influencern aufklären, das Konsumverhalten analysieren und dem Kind so einen Moment der Reflexion ermöglichen.“ Es sei auch wichtig, dem Kind eigenständige Kaufentscheidungen zu ermöglichen, ­damit es selbständig wird.

Und wie steht es um den Datenschutz in Bezug auf die neue Shop-Funktion? Peter Lassek beschwichtigt: „Natürlich werden hier und da Bedenken geäußert, dass Tiktok viele Informationen über die Nutzer sammeln könnte und man zum gläsernen Kunden wird. Aber das wird man bei der Nutzung vieler anderer Apps ebenfalls, wenn man nicht gewisse Vorkehrungen trifft oder ganz auf die Nutzung verzichtet. Tiktok verspricht jedenfalls, sich an deutsche und europäische Datenschutzgesetze zu halten.“ Dennoch empfiehlt er, wachsam zu bleiben und zu hinterfragen, was mit den persönlichen Daten passiert.

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