Erstmals geht ein deutscher Arzt wegen Suizidhilfe in Haft | ABC-Z

Es ist ein Novum in der deutschen Justizgeschichte: An diesem Donnerstag wird erstmals ein Arzt wegen Mitwirkung an einem assistierten Suizid eine Haftstrafe antreten müssen. Im Februar 2024 war Johann Spittler, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom Landgericht Essen wegen Suizidhilfe bei einem Mann mit psychiatrischer Diagnose zu drei Jahren Haft wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft verurteilt worden. Der 83 Jahre alte Spittler muss sich am Donnerstag in der JVA Bielefeld einfinden. Dem Vernehmen nach hofft er darauf, seine Haftstrafe im offenen Vollzug verbringen zu können.
Die Richter in Essen hatten es als erwiesen angesehen, dass Spittler im August 2020 dem 42 Jahre alten Mann Suizidhilfe gewährt hatte, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass dessen Entschluss zur Selbsttötung durch eine akute Schizophrenie beeinträchtigt war. Der Mann aus Dorsten sei daher nicht in der Lage gewesen, freiverantwortlich zu entscheiden.
Das Kriterium der Freiverantwortlichkeit muss jedoch laut des vor fünf Jahren gefällten Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe sichergestellt sein, um Beihilfe zum Suizid leisten zu dürfen. Seit dem Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts zeigt sich, dass dieses Kriterium bei psychisch kranken Menschen schwerer festzustellen ist als bei körperlich schwer Erkrankten.
Johann Spittler hatte im Prozess angegeben, ausführliche Gespräche mit dem Mann geführt zu haben, der aufgrund schwerer Krankheiten keine Perspektive mehr gehabt habe. Gegen das Urteil des Landgerichts Essen war der Arzt in Revision gegangen, die der Bundesgerichtshof Anfang des Jahres verworfen hatte.
In den nächsten Wochen wird eine weitere Entscheidung des BGH in einem ähnlich gelagerten Fall erwartet. Im April 2024 hatte das Landgericht Berlin den Hausarzt Christoph Turowski ebenfalls zu einer dreijährigen Haftstrafe wegen Totschlags verurteilt. Turowski hatte eine 37 Jahre alte Frau, die seit vielen Jahren unter Depressionen litt, beim Suizid begleitet.
Bei der Urteilsverkündung hatte der Vorsitzende Richter Turowski nahegelegt, in Revision zu gehen, damit die zugrundeliegenden Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt werden könnten. Der deutsche Bundestag scheiterte vor zwei Jahren daran, ein Gesetz zur Regelung des assistierten Suizids zu verabschieden, so dass zurzeit keine klaren Vorgaben vorliegen, wie Sterbebegleiter vorzugehen haben.