Geopolitik

Drohnenabwehr: Was sich wirklich gegen die Drohnenflüge machen lässt | ABC-Z

Abschießen, abdrängen oder anfunken? Die Politik diskutiert, wie sich zwielichtige Drohnen unter Kontrolle bringen lassen. Das ist kompliziert – doch es gibt Lösungen.



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© Felix Burchardt/​DIE ZEIT, John MacDougall/​AFP/​Getty Images

Am Münchner Flughafen, in Schleswig-Holstein und in Dänemark: Viele Menschen hierzulande sind nach den vermehrten Drohnensichtungen verunsichert. Aber wieso lassen sich die Fluggeräte nicht einfach unter Kontrolle bringen? Wir sortieren, was technisch machbar, gesetzlich möglich und politisch geplant ist. 

Warum ist es so kompliziert, Drohnen vom Himmel zu holen?

Bislang ist die Lage unübersichtlich, denn der föderale Flickenteppich in Deutschland macht die Drohnenabwehr kompliziert: In manchen Fällen ist die jeweilige Landespolizei zuständig, in anderen die Bundespolizei und in Ausnahmefällen wiederum die Bundeswehr. Doch es liegt nicht nur an den Zuständigkeiten, sondern auch an der Ausrüstung. Kurz zusammengefasst lässt sich sagen: Die Polizei dürfte Drohnen zwar ins Visier nehmen, hat aber kaum Gerät dafür. Die Bundeswehr darf sie zumindest im Regelfall nicht abschießen, wäre dazu jedoch in der Lage.  

In welchen Fällen ist welche Behörde zuständig?

In den meisten Abwehrfällen müsste die Polizei einschreiten: Über den meisten Gebieten Deutschlands ist die jeweilige Landespolizei zuständig, im Luftraum über Bahnhöfen oder Flughäfen jedoch die Bundespolizei. Die Bundeswehr darf im Regelfall wiederum nur eingreifen, wenn die Drohnen unmittelbar über militärisches Gebiet fliegen, zum Beispiel über Kasernen.  

Im Ausnahmefall darf die Bundeswehr auch außerhalb ihrer eigenen Flächen tätig werden. So sieht das Luftsicherheitsgesetz vor, dass die Streitkräfte im Falle eines “besonders schweren Unglücksfalls” im Inneren eingreifen könnten. Selbst dann dürfte die Bundeswehr Drohnen jedoch nur abdrängen, zur Landung zwingen oder Warnschüsse abgeben – aber nicht abschießen. 

Was planen Bundes- und Landespolitiker nun?

Viele Politikerinnen und Politiker fordern inzwischen, bei der Drohnenabwehr nachzurüsten. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sprach sich beispielsweise für ein gemeinsames “Lagebild” der Polizeibehörden von Bund und Ländern und der Bundeswehr aus. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Freitagabend, dies sei bereits “in der Vorbereitung”. 

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte auf der Digitalplattform X unterdessen ein Schnellgesetz an, das bereits am Dienstag das Kabinett passieren soll: Die eigene Landespolizei solle Drohnen künftig explizit abschießen dürfen. “Ab jetzt muss gelten: abschießen statt abwarten”, sagte Söder der Bild-Zeitung. Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU) will auch die technische Ausrüstung der bayerischen Polizei verbessern.  

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will auf Bundesebene wiederum das Luftsicherheitsgesetz reformieren lassen. Das solle der Bundeswehr künftig ermöglichen, zumindest “im Rahmen der Gefahrenabwehr” Amtshilfe zu leisten – und laut Informationen der Bild-Zeitung möglicherweise auch abzuschießen. 

Wie lassen sich Drohnen technisch überhaupt abwehren?

Das kommt auf die Drohnen an. Manche Drohnen sind funkgesteuert, erhalten also GPS-Signale von Satelliten. Würden Sicherheitsbehörden diese GPS-Signale mit einem sogenannten “Jammer” blockieren, könnte man die Drohnen abstürzen lassen. Theoretisch lassen sich die Signale jedoch nicht nur blockieren, sondern mit eigenen GPS-Signalen überlagern. Mithilfe dieser sogenannten “GPS-Spoofer” sollen sich Drohnen sogar kapern und dann fernsteuern lassen.  

Im Ukrainekrieg setzt Russland jedoch auch Drohnen ein, die gegen solche Ansätze nahezu immun sind. Verbinden Piloten ihre Drohnen mit speziellen, hauchdünnen Glasfaserkabeln, werden sie nicht über Funk gesteuert. An der Front sind diese Glasfaserkabel teilweise bis zu 20 Kilometer lang. Die Verbindung bricht dann lediglich ab, wenn die Kabel reißen. 

Eine andere Option ist es, die Drohnen in der Luft wahlweise abzudrängen, zu eskortieren oder zur Landung zu zwingen. Theoretisch ließen sich vom Boden oder aus der Luft auch Warnschüsse abgeben. Drohnen abzuschießen, ist zwar technisch möglich, in Deutschland aber rechtlich kompliziert. 

Wäre ein Einsatz der Bundeswehr gegen Drohnen überhaupt legal?

Darüber streiten sich Juristen schon lange. Die Bundeswehr hat rechtlich die Aufgabe der Landesverteidigung, sollte ein ausländischer Staat die Bundesrepublik direkt angreifen. Außerhalb eines direkten Kriegsszenarios wird es kompliziert, hier kann die Bundeswehr nur im Ausnahmefall eingreifen. 

Denn das Grundgesetz erlaubt der Bundeswehr Amtshilfe für Polizeibehörden eben nur “bei einem besonders schweren Unglücksfall“. Der Begriff ist allerdings nicht sehr dehnbar, denn das Bundesverfassungsgericht zog die Grenzen im Jahr 2012 äußerst eng. Ein solcher Unglücksfall könne nur “ungewöhnliche Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes” meinen, entschieden die Richter. Ein rein provokativer Drohnenflug über menschenleere Felder? Wäre davon vermutlich nicht umfasst. 

Und selbst wenn ein schwerer Unglücksfall droht, erlaubt das Luftsicherheitsgesetz bislang nur, Objekte im Luftraum abzudrängen, zur Landung zu zwingen oder Warnschüsse abzugeben. Hier soll die geplante Gesetzesnovelle aus dem Hause von Bundesinnenminister Dobrindt nun wohl auch den Abschuss erlauben. Der Haken: Rechtsexperten zufolge würde das wohl nur für solche “besonders schweren Unglücksfälle” gelten. 

Es gibt jedoch Wege, wie die Bundeswehr zivile Objekte im Inland auch abseits solcher Unglücksfälle schützen könnte. So forderte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter im Handelsblatt, der Bundestag solle den sogenannten “Spannungsfall” ausrufen, damit Drohnen von der Bundeswehr “sofort abgewehrt werden können”. Das Grundgesetz würde der Bundeswehr im Spannungsfall erlauben, zivile Objekte zu schützen. Voraussetzung: Im Parlament braucht es eine Zweidrittelmehrheit. 

Doch was genau ist ein Spannungsfall? Juristen verstehen unter dem Begriff landläufig einen schweren außenpolitischen Konflikt, der mutmaßlich zu einem bewaffneten Angriff auf Deutschland führen kann. Faktisch wäre der Bundestag bei der Einschätzung jedoch wohl relativ frei, da das Wort vom Spannungsfall gesetzlich nicht eindeutig definiert ist.  

Warum lässt sich die Bundeswehr im Inneren nur so schwierig einsetzen?

Das hat auch historische Gründe. Grundsätzlich soll die Bundeswehr – von Katastrophen abgesehen – eigentlich nicht im Innern tätig werden. Das hat auch mit den Erfahrungen aus dem Nationalsozialismus zu tun, als Reichswehr und später Wehrmacht auch im Inneren zur Repression eingesetzt wurden. “Einsätze der Bundeswehr im Inneren sind aus guten Gründen nur in sehr engen Grenzen zulässig und dabei muss es bleiben”, sagte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) daher der Welt am Sonntag. Politikerinnen und Politiker ringen nun also darum, historische Erfahrungen und die aktuelle Bedrohungslage abzuwägen. 

Gibt es keine anderen Möglichkeiten, die Drohnenflüge unter Kontrolle zu bekommen?

Theoretisch ließe sich auch die Polizei besser ausstatten. Das müssten jedoch alle 16 Landespolizeibehörden und die Bundespolizei für sich selbst regeln. Damit die Zusammenarbeit zwischen den Behörden reibungslos funktioniert, müssten die entsprechenden Erkennungs- und Abfangsysteme Experten zufolge im Idealfall jedoch identisch oder mindestens kompatibel sein.  

Und selbst dann bleibt es kompliziert: “Ein reiner Abschuss von Drohnen im Inland, gerade im Bereich von kritischer Infrastruktur wie etwa Flughäfen, wäre ein kaum kalkulierbares Risiko”, sagte Andreas Roßkopf, Vorsitzender für die Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei. Schließlich könnten herabfallende Drohnen Menschen verletzen. 

Auch die Flughafenbetreiber sind laut Luftsicherheitsgesetz übrigens in der Verantwortung, ihre Flughäfen zu schützen. “Die Flughäfen müssen hier endlich investieren”, sagte Flugfachmann Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne der dpa. Der Flughafenverband ADV sagte hingegen, der Staat dürfe die Flughäfen mit der Bedrohungslage nicht länger alleine lassen. 

Warum kümmern sich Bundes- und Landespolitiker erst jetzt um das Problem?

Das stimmt nicht ganz. Bereits 2020 wollte die damalige Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer Kampfdrohnen anschaffen lassen, scheiterte damit jedoch an der Koalitionspartnerin SPD. In der Debatte ging es damals jedoch nicht um den Einsatz im Inneren, sondern im Ausland. Die rot-grüne Minderheitsregierung hatte wiederum bereits im Januar dieses Jahres eine Initiative gestartet, damit die Bundeswehr Drohnen im Inneren künftig abschießen könne. Wegen des Regierungswechsels passierte diese Vorlage jedoch nicht mehr das Parlament. Mit seinem neuen Vorstoß will Bundesinnenminister Dobrindt nun offenbar daran anknüpfen.

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