Blick in die Sommerresidenz von König Charles | ABC-Z

In das Gartenreich des Königs führt ein schmales, bewachsenes Tor. Es hat ein asiatisch anmutendes Doppeldach aus Schindeln und einen aus örtlichem gelbem Kalkstein gemauerten Bogen, der die beiden Torflügel hält. Die hat Charles III. mal von einer Indienreise mitgebracht. Der Eingang trägt den Namen „Shand Gate“, nach dem vor zehn Jahren verstorbenen Schwager des Königs, einem Abenteurer und Reiseschriftsteller, der einst mit dem Buch „Reisen auf meinem Elefanten“ Furore machte. Der Elefant ist auch da, er steht gleich hinter dem Eingang als Buchs Skulptur und weist den Weg in den „Neuen Cottage Garten“, die erste Anlage, die Besucher in Highgrove durchwandern.
Das Sommerhaus, das Charles, der damalige Prince of Wales, 1980 als private Residenz erwarb, ist in drei Himmelsrichtungen von Gärten umgeben. Es blieb auch nach seiner Krönung vor zwei Jahren ein privater Rückzugsort, wird seither aber von der King’s Foundation, einer wohltätigen Stiftung des Königs, verwaltet, die es – wenn der Monarch abwesend ist – einem tüchtig zahlenden Publikum öffnet. Und auch wenn man den Spaziergang durch das Gartenreich auf diese Weise mit vielen anderen teilen muss, bietet er einen sehr intimen, persönlichen Blick auf die Neigungen und Vorlieben seines Besitzers.
Es sei schließlich „ein privater, kein botanischer Garten“, sagt Deb, die weißhaarige Führerin, die ihre Gästegruppe geduldig, aber bestimmt durch die Rabatten führt und auf die Absperrungen hinweist, die durch bogenförmige Weideruten markiert werden. Fast überall dominieren die Farben Pink, Violett, Blau und Gelb. Kaskaden von Glyzinien, Säuleneiben, auf denen fast bis zur Spitze hellrosa Klematis klettert, Rhododendren in allen Schattierungen. Von denen lassen allerdings manche auch die Blätter hängen. Der König liebe Kamelien, Magnolien und Rhododendren, berichtet Deb, doch leider sei der Boden in Highgrove eher alkalisch als sauer. Daher seien manche Beete mit Mäuerchen eingefasst, um diesen Pflanzen ein besseres Bodenmilieu zu bieten. Die gartenkundige Begleiterin wirkt beinahe ein wenig schuldbewusst bei dieser Erläuterung – als ließe sich der Hausherr, der doch mit Hingabe sein Image als Prophet von Nachhaltigkeit und Bioanbau pflegt, bei einem kleinen Ausrutscher ertappen.
Auch ein Blauglockenbaum wächst im Garten
Aber Charles will wahrscheinlich gar kein Verkünder einer ganz reinen Lehre sein. Inmitten eines Rondells wächst in seinem Cottage Garden auch ein Blauglockenbaum, der nicht nur enorme violette Trompetenblüten hervorbringt, sondern auch im Speichern von Kohlendioxid Rekorde hält – allerdings in manchen europäischen Ländern nicht gepflanzt werden darf, weil er sich als invasive Art allzu rasch ausbreitet. Und die Terrasse an der Westfassade des Hauses flankieren vier alte Olivenbäume, die aus Spanien ins englische Klima verfrachtet wurden und die im Winter mit einigem Aufwand vor Frost geschützt werden müssen. Er erstrebe „einen Garten, der das Auge erfreut, das Herz wärmt und die Seele speist“, lautet der Spruch, der in Highgrove als Motto des Königs wiedergegeben wird.
Und in der Tat erfreut sich das Auge schon im Frühjahr an einem Farbenbogen aus Blattwerk, vom Gelbgrün und Dunkelrot der Ahorne über das hellere Rot der Glanzmispelbüsche bis hin zum dunklen Grün der Eiben, und an einer Blütenvielfalt, die sich spannt von den schattigen Bluebells (die in Deutschland eher selten sind und „Atlantische Hasenglöckchen“ genannt werden) über Maiglöckchen (die wiederum auf Englisch den poetischen Namen „Lily of the valley“ – Lilien des Tales – tragen) bis hin zu schwarzvioletten Iris.
Wie mag das erst werden, wenn die Zeit der Rosen und des Rittersporns kommt, dessen Kerzen an vielen Stellen schon in die Höhe schießen. Derart gesund und kräftig wirken sie, dass sogleich wieder Zweifel aufkommen, wie gründlich wohl die Gärtner des Königs das Gebot beachten, ohne Schädlingsgift und Kunstdünger auszukommen. Die Schnecken würden abgesammelt, versichert die Gartenführerin, und durch das Streuen von Splitt abgehalten, manchmal auch durch Knoblauchbrühe. Das klappe aber nicht überall auf Dauer: „Sehen Sie sich die Hosta im Wurzelgarten mal in zwei Monaten an, da ist von den Blättern nicht mehr viel übrig.“

Hinter den Farbkompositionen fällt das Auge immer wieder auch auf Gegenstände oder Accessoires, die der Haus- und Gartenherr offenkundig als persönliche Noten in sein Gartenreich gesetzt hat. Es sind architektonische Details, wie das ägyptische Tor mit Hieroglyphen im Sims, das in den Baumgarten führt, oder der Brunnenfelsen, in den vier Muschelschalen eingefügt sind, die aus dem Inventar von Charles’ Ururgroßvater Edward VII. in Kent stammen. Immer wieder tauchen Büsten zwischen Blumen und Blättern auf, die Freunde und Gefährten des Besitzers vergegenwärtigen sollen, auch sich selbst hat er in den Nischen einer Eibenhecke zweimal aufgestellt, einmal in jungem, einmal in reiferem Alter.
Dann gibt es noch das reetgedeckte Baumhaus, das einst für die Söhne William und Harry errichtet wurde, und eine in die Gartenwand des Azaleengangs eingelassene Hundeskulptur. Sie zeigt Tigga, den Lieblingsterrier, der Charles jahrelang begleitete und der an dieser Stelle begraben liegt. Zu den zwei mehr als mannshohen Vasen, die den Eingang zur Azaleenparade flankieren, kennt Deb noch eine Geschichte: Das seien alte Ölgefäße, mit dem Laster aus Spanien angeliefert. Der Fahrer habe als Adresse lediglich Prince of Wales, Tetbury, auf dem Lieferzettel gehabt. In der Kleinstadt, zu der die Gemarkung von Highgrove gehört, gebe es auch einen Pub namens Prince of Wales. Der Kneipenwirt habe aber gleich gewusst, dass diese Lieferung nicht für ihn bestimmt sein könne.