Kultur

Zum Tod von Boris Spasski: Der Grandseigneur des Schachs | ABC-Z

Es gibt Sportler, die wir vor allem durch ihre Niederlagen erinnern. George Foreman etwa, den Boxer, der vierzig Profikämpfe gewann, davon 37 vorzeitig, bis er 1974 in Kinshasa am Ende der achten Runde, erschöpft von der eigenen Überlegenheit, gegen Muhammad Ali K.O. ging.

Oder Raymond Poulidor, der bei der Tour de France in fünfzehn Jahren dreimal Zweiter war und fünfmal Dritter, aber nie das Gelbe Trikot trug. Solch ein großer Verlierer war Boris Spasski.

Stets ein Gentleman

Für die meisten ist er der russische Schachspieler, der 1972 gegen Bobby Fischer im Kampf um die Weltmeisterschaft unterlag. Und wie er unterlag! Fischer schenkte die erste Partie durch einen grotesken Fehler her, trat zur zweiten nicht an und drohte aufgrund seiner Mätzchen auch die dritte zu verlieren, hätte Spasski nicht einen weiteren kampflosen Sieg verschmäht. Danach gewann fast nur noch der Amerikaner. In der sechsten Partie so glanzvoll, dass Spasski seinem Gegner applaudierte.

Das war mehr als ungewöhnlich im hoch politisierten „Kampf der Systeme“, in dem die seit mehr als dreißig Jahren bestehende sowjetische Schachhegemonie auf dem Spiel stand. Doch so trat Spasski stets auf, als Gentleman.

Um ein großer Verlierer zu werden, musste er zuvor ein großer Spieler sein. Seit den frühen fünfziger Jahren gehörte er zu den besten seines Landes, erst neunzehnjährig wurde er in seiner Heimatstadt Leningrad sowjetischer Champion. Bei diesem Turnier wählte er, nach zehn Zügen gegen Juri Awerbach strategisch schon auf Verlust stehend, ein Verteidigungsopfer, das manche Schachhistoriker den besten Zug der gesamten Schachgeschichte nennen.

Nicht minder verblüffend waren Spasskis furioses Königsgambit gegen David Bronstein 1960, dessen letzte Züge im James-Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ von 1963 nachgespielt wurden, und sein siebzehnzügiger Sieg zehn Jahre später gegen die Nummer Eins der Weltauswahl, Bent Larsen.

Nach seiner Niederlage gegen Fischer heiratete Spasski eine Französin und wanderte nach Frankreich aus. 2012 kehrte er nach Moskau zurück, wo er jetzt im Alter von 87 Jahren gestorben ist. Wir erinnern mehr als den Verlierer einen wundervollen Spieler und Ehrenmann.

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