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Energie Cottbus: Sechs unvergessliche Momente aus 60 Jahren Vereinsgeschichte | ABC-Z

Vereinsgeschichte

Sechs unvergessliche Momente aus 60 Jahren Energie Cottbus


Fr 05.09.25 | 17:52 Uhr | Von Fabian Friedmann und Ilja Behnisch

IMAGO / Höhne

Audio: Antenne Brandenburg | 05.09.2025 | Daniel Mastow | Bild: IMAGO / Höhne

Fußball-Drittligist Energie Cottbus blickt auf eine illustre, fast 60-jährige Geschichte zurück. Sechs unvergessene Momente über Aufstiege einer Fahrstuhlmannschaft, Schattenseiten in den 90er Jahren und den UEFA Intertoto-Cup. Von Fabian Friedmann & Ilja Behnisch

Oberliga-Mythos und UEFA Intertoto-Cup

Nach der Vereinsgründung am 31. Januar 1966 dauert es bis ins Jahr 1973, ehe die BSG Energie den Sprung in die DDR-Oberliga schafft. In der damals höchsten Spielklasse kann sich der Verein aber nicht etablieren. Energie bleibt eine Fahrstuhlmannschaft, steigt insgesamt viermal auf und wieder ab bis 1987. Ein Meilenstein der Vereinschronik ist daher auch der erste Klassenerhalt 1989. Ein Jahr später schließt man sogar als Tabellen-Siebter ab und kann hinter Dynamo Dresden und Hansa Rostock den drittgrößten Zuschauerschnitt der DDR aufweisen.

Aufgrund der guten Platzierung dürfen die Cottbuser im Jahr darauf im UEFA Intertoto-Cup ran. In einer Gruppe mit Malmö FF, den Bohemians Prag und dem 1. FC Kaiserslautern kommt es im Stadion der Freundschaft zu einigen Europokalnächten. Unvergessen bleibt das 4:0 gegen den FCK am 11. Juli 1990. Vor lediglich 4.800 Zuschauern erzielen Olaf Besser, Frank Lehmann, Jens Melzig und Jörg Schwanke die Tore gegen die Pfälzer von Trainer-Legende Karl-Heinz-Feldkamp. Beachtlich: Energie gewinnt drei seiner sechs Gruppenspiele und scheidet nur aufgrund der schlechteren Tordifferenz gegenüber den Lauterern aus dem Wettbewerb aus.

Einzug ins DFB-Pokalfinale 1997

Anfang der 90er Jahre ist der Europokal für Cottbus jedoch so weit entfernt wie der Osten von blühenden Landschaften. Durch eine schwache Platzierung im letzten Jahr der DDR-Oberliga wird der Verein nur in die dritthöchste Spielklasse, die damalige Amateur-Oberliga, eingegliedert. Erst 1997 unter Trainer Eduard “Ede” Geyer schafft der Klub in zwei dramatischen Aufstiegsspielen gegen Hannover den Sprung in die 2. Liga. Die Schattenseite: Im Heimspiel werden die 96-Spieler Gerald Asamoah und Otto Addo über das gesamte Spiel hinweg von Cottbuser Zuschauern rassistisch beleidigt, teilweise mit Bananen beworfen.

Fanfest zum 60-jährigen Jubiläum

Am 6. September 2025 lädt der FC Energie im Zuge seiner Jubiläumsspielzeit – anlässlich des 60-jährigen Bestehens – zum Fanfest ins eigene Stadion ein. Am Vormittag ab 9 Uhr startet das Fest mit einem Nachwuchsturnier für Kinder. Daneben gibt es für die Besucher zahlreiche Spiele wie Fußball-Darts, einen Energie-Flohmarkt, Stadionführungen sowie ein eSports-Turnier. Am Nachmittag ist das große Legendenspiel der sportliche Höhepunkt des Tages. Hier messen sich Ex-Spieler des FC Energie mit namhaften Bundesligaspielerin, darunter Nils Petersen, Leonardo Bittencourt und Tomislav Piplica sowie Mario Basler, Darius Wosz, Thomas Helmer u.a.

Eine Woche nach dem Skandalspiel steht das Team im DFB-Pokalfinale von Berlin. Zuvor hatten die Lausitzer sensationell die Stuttgarter Kickers, den VfL Wolfsburg, den MSV Duisburg, den FC St. Pauli, dazu Bayern-Bezwinger Karlsruher SC aus dem Wettbewerb geworfen. Im Finale ist der von Jogi Löw trainierte VfB Stuttgart mit seinem “magischen Dreieck” um Balakov, Bobic und Elber aber eine Nummer zu groß. Das Spiel geht vor 76.436 Zuschauern mit 0:2 verloren. Ede Geyer wird später erklären, man habe den Fehler gemacht, zu früh nach Berlin gereist zu sein: “Pressekonferenzen hier, Interviews dort, damit konnten wir nicht so recht umgehen.”

Bundesliga-Aufstieg und der Sieg gegen die Bayern

Unmittelbar nach der Jahrtausendwende wird dann der erste Bundesliga-Aufstieg des Vereins perfekt gemacht. Am 34. Spieltag der 2. Liga empfängt Cottbus den 1. FC Köln, alles ist angerichtet – und Energie liefert. “Dieses Spiel war für uns wie vier Mal Weihnachten an einem Tag”, erinnert sich Christian Beeck, der seinerzeit in der Cottbuser Innenverteidigung die Knochen hinhält, Jahre später an diesen denkwürdigen Tag. Detlef Irrgang und Vasile Miriuta sorgen mit ihren Toren für den 2:0-Endstand – und der FC Energie steigt als Tabellen-Dritter ins deutsche Fußball-Oberhaus auf.

Im gleichen Jahr schaffen die Brandenburger direkt eine Sensation: Am 8. Spieltag empfangen die Cottbuser den – damals amtierenden – Deutschen Meister FC Bayern München und gehen mit 1:0 als Sieger vom Platz. Vilmos Sebok erzielt in der 14. Minute nach Vorarbeit von Bruno Akrapovic den entscheidenden Treffer gegen das Münchner Star-Ensemble um Oliver Kahn, Giovane Elber und Carsten Jancker. Kult-Keeper Tomislav Piplica hält die Null. Die Lausitz bebt. Für den FCB gibt es später in der Spielzeit zumindest Trostpreise: Meisterschale und Henkelpott.

Energie-Kapitän Christian Beeck (am Boden) im Zweikampf mit Carsten Jancker vom FC Bayern München (Quelle: IMAGO / Camera 4)Kein Durchkommen: Energie-Kapitän Christian Beeck (am Boden) stoppt Bayerns Carsten Jancker – mit einer Grätsche am Rande der Legalität. Wo ist eigentlich der Ball? (Bild: imago/Camera4)

Tomislav Piplica: Zwischen Café King und Eigentor

Die Aufregung ist groß, als Energie-Torhüter-Legende Tomislav Piplica im Februar 2002 ins Visier der Polizei gerät. Der Verdacht: Spielmanipulation. Piplica soll mit dem kroatischen Wettpaten Ante S. aus dem berühmten Café King in Berlin gemeinsame Sache gemacht haben. Tatsächlich ist er damals hin und wieder vor Ort. Allerdings aus ganz anderen Gründen, so Piplica: “Wir waren mit der Familie bummeln, einkaufen im KaDeWe und sind dann in das schöne Lokal gegangen.” Vier Monate später werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Zwei Monate später passiert Piplica ein Patzer, der die Spekulationen weiter anheizt und in die Geschichtsbücher der Bundesliga eingehen wird. Am 30. Spieltag ist Borussia Mönchengladbach zu Gast in Cottbus. Mit einem Sieg hätte der FCE den Klassenerhalt so gut wie sicher. Kurz vor Schluss führt man mit 3:2. Ein Pressschlag zwischen dem Gladbacher Marcel Witeczek und Energie-Spieler Radoslaw Kaluzny wird zu einer hohen, eigentlich harmlosen Bogenlampe. Torwart Piplica bleibt aber wie versteinert und blickt dem nahenden Ball entgegen, ohne zu reagieren. Die Kugel fällt ihm auf den Hinterkopf und prallt von dort ins eigene Tor. Das Spiel endet 3:3 und der Keeper erntet bundesweiten Spott.

Von den Fans und aus den eigenen Reihen gibt es aber Rückendeckung. “Von der Mannschaft gibt es überhaupt keinen Vorwurf. Er hat uns gerade in Heimspielen auch schon viele Spiele gerettet,” sagt Mitspieler Silvio Schröter nach der Partie. Der Punktverlust hat keine ernsthaften Konsequenzen. Cottbus sichert durch ein 0:0 gegen Stuttgart den Klassenerhalt – auch dank vieler Glanzparaden Piplicas, der mit gebrochenem Finger spielt.

Die Ära des Ede Geyer

Der wichtigste Trainer von Energie Cottbus in seiner 60-jährigen Geschichte ist zweifelsohne Eduard Ede Geyer. In seine Amtszeit fallen der Aufstieg in die Bundesliga, das DFB-Pokalfinale und der zweimalige Klassenerhalt in der Bundesliga. Als Geyer den Klub zum 1. Juli 1994 übernimmt, sind die Lausitzer noch in der damals drittklassigen Regionalliga unterwegs. Was folgt ist eine Erfolgsgeschichte, die über zehn Jahre andauern soll.

Am 23. November 2004 erfolgt das Beben in Cottbus: Trotz Aussagen von Manager Klaus Stabach und Präsidenten Dieter Krein wie “Geyer kann sich nur selbst entlassen” passiert das Unfassbare. Die Trainerlegende wird nach einer 1:2-Heimniederlage gegen Alemannia Aachen vor die Tür gesetzt. Nur vier Siege aus 14 Spielen sind dem Vorstand zu wenig. Energie schafft zwar 2006 unter Nachfolger Petrik Sander die Rückkehr ins Oberhaus, aber auch Sander muss alsbald den Platz wieder räumen. Nach dem Abstieg 2009 beginnt die rasante Talfahrt des Klubs bis in die Regionalliga.

Cottbus und die Relegation

Seine Arbeit sei mit der von Eduard Geyer nicht zu vergleichen, sagte Claus-Dieter Wollitz einmal dem Fußball-Magazin 11Freunde. Und doch hat Wollitz seinen großen Vorgänger schon überholt. 416 Spiele als Trainer von Energie Cottbus stehen für Wollitz, der unlängst selbst 60 Jahre alt wurde, in seinen insgesamt drei Amtszeiten zu Buche. Geyer kommt “nur” 378 Partien. Langweilig wird es bei beiden selten.

Nicht nur, weil Wollitz mindestens mal so sehr “Type” ist wie Geyer, sondern auch, weil es sportlich immer brisant bleibt. Besonders, weil es an der Schnittstelle zwischen Regionalliga und dritter Liga, an der Energie zwischendurch angekommen scheint, auch noch zusätzlich schwer wurde, da Regionalliga-Meister nicht immer automatisch in die dritte Liga aufsteigen.

Besonders zu spüren bekommen die Cottbuser das im Sommer 2023, als man in zwei Spielen gegen Unterhaching unterliegt. Wobei es beim Rückspiel in Bayern zu unschönen Szenen kommt. Energie-Fans bewirken eine 15 Minuten währende Spielunterbrechung. Ihr Präsident Sebastian Lemke wiederum berichtet, auf der Tribüne als “Drecks-Ossi” beschimpft worden zu sein. Zum Glück entpuppt sich der Rückschlag nur als längerer Anlauf.

Im Sommer drauf gelingt der ersehnte Aufstieg in die dritte Liga und anschließend fast sogar der direkte Durchmarsch in die zweite. In der 60. Spielzeit des Bestehens zu den 56 besten Vereinen in Deutschland zu hören, ist doch aber auch aller Ehren wert. Und ein bisschen Luft nach oben für die kommenden 60 kann ja nicht schaden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 05.09.2025, 15 Uhr

Beitrag von Fabian Friedmann und Ilja Behnisch


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